Symposium: Stadt im Zwölfprophetenbuch - Bericht

 

"Bilder von der gottgemäßen Stadt"

Bericht über das Symposium "Die Stadt im Zwölfprophetenbuch" vom 23.-25.09.2010

von Aaron Schart, 2010-10-01

Vom 23.-25. September fand am Institut für Evangelische Theologie der Fakultät für Gesiteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen ein Symposium statt, das einen bibelwissenschaftlichen Beitrag zum Kulturhauptstadtjahr in Essen bieten wollte.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Jutta Krispenz (Marburg) und Prof. Dr. Aaron Schart (Essen) befassten sich internationale Expertinnen und Experten mit der Frage, wie im sogenannten Zwölfprophetenbuch des Alten Testaments die Stadt dargestellt wird. Das in der Forschung noch sehr selten behandelte Thema erwies sich als sehr ergiebig.

Ein Referent aus Pécs, der zweiten Kulturhauptstadt Europas 2010

Für die Tagung war es ein Gewinn, dass die Referenten aus unterschiedlichen Großstädten der Welt kamen und authentische Eindrücke vom religiösen Leben ihrer Heimatstädte mitbrachten. Die Lage z.B. der Christen ist doch in China eine ganz andere als in New York oder Budapest.

Ein besonderer Akzent war, dass Prof. Zsolt Cziglányi aus Pécs in Ungarn teilnahm. Denn diese Stadt trägt ja im Jahre 2010 zusammen mit Istanbul und Essen den Titel der Kulturhauptstadt Europas. So konnte ein kleiner Beitrag zum wissenschaftlichen Austausch zwischen den Kulturhauptstädten ermöglicht werden.

Bilder von der Stadt in den Schriften des Zwölfprophetenbuchs

Folgt man der Schriftenanordnung des Zwölfprophetenbuchs, so greifen die Schriften Hosea und Amos die Hauptstadt des Nordreiches Samaria zusammen mit dem Staatsheiligtum in Bet-El an. Die prophetischen Anklagen weisen auf, dass Samaria sich vielfach gegen den Gott Israels vergangen hat und deshalb als Musterexemplar der korrupten Stadt gelten kann: In den äußerlich prachtvollen Palästen, so sieht es etwa Amos, wird in Wirklichkeit Gewalt aufgehäuft, etwa dadurch, dass Bauern, die auf Grund einer Notlage auf einen Kredit angewiesen sind, in eine Schuldenspirale gezwungen werden.

In den Schriften Micha und Zefanja wird auch Jersualem mit Kritik überzogen. Obwohl die Stadt eigentlich um Gerechtigkeit wissen müsste, treibt die Oberschicht mit ihrer Gier nach Geld die Stadt mitsamt ihrem Tempel in den Untergang. Die gottlose Stadt wird aber Gott nicht los, insofern Gott über die gottlose Stadt die Zerstörung bringt.

In den Schriften Haggai und Sacharja wird überlegt, wie die in Trümmern liegende Stadt Jerusalem solcher Art wieder aufgebaut werden kann, dass sie dem Idealbild der gottgemäßen Stadt entsprechen kann. Die Hoffnungen, dass es gelingen kann, eine Stadt mit einem Tempel zu schaffen, aus welchem der mit der göttlichen Präsenz verbundene Segen in alle Welt ausströmen kann, so dass universaler Friede herrscht, scheitern jedoch. Das Zwölfprophetenbuch entwirft zum Abschluss vielmehr das Bild einer in sich zerrissenen Stadt, die desillusioniert in verschiedene Gruppen zerfällt, welche sich gegenseitig von der Wahrheit ihrer jeweiligen eigenen Gotteserfahrung nicht mehr zu überzeugen vermögen. Gleichwohl bleibt die Hoffnung auf Gottes Zukunft bestehen.

Die Stadt Jerusalem, die sowohl Hauptstadt als auch Sitz des Staatsheiligtums als auch Mittelpunkt des intellektuellen Lebens und der höheren Ausbildung als auch Wohnort für Judäer und Nicht-Judäer war, hat die Phantasie vieler Menschen dazu angeregt, Bilder vom gelingenden Leben in der Stadt zu entwerfen. Diese Bilder fanden sich in ähnlicher Weise auch in den Nachbarreligionen. Für die heutige Lage besteht deshalb die Hoffnung, dass die Religionen Visionen von der gottgemäßen Stadt entwickeln, die miteinander kohärent sind.

Die Vorträge in alphabetischer Folge:

Auge, Wolfgang; Gropp, Andrea; Soennecken, Katja; Aukes, Tijmen (Biblisch-archäologisches Institut Wuppertal)
Der Tall Zirā’a – Eine Siedlung im biblischen Ostjordanland: was Archäologen bei ihren Ausgrabungen wirklich finden: (1) Siedlungsgeschichte des Tall Zira'a, (2) Kultgegenstände von Tall Zira'a, (3) Archäometrische Untersuchungen der Tall Zira'a-Keramik

Chung, Joseph (Hong Kong)
The Return of YHWH Zebaot to Jerusalem/Zion in Zech 8

Cziglanyi, Zsolt (Ungarn)
Haggais Einsatz für den Tempelbau und sein Verständ-nis von ökonomischem Erfolg

Dafni, Evangelia (Griechenland)
Jerusalem als Metropole in der Septuaginta des Zwölfprophetenbuchs

Gärtner, Judith (Hamburg)
Die Wallfahrt der Völker zum erhöhten Zion

Hartenstein, Friedhelm (München)
"Wehe, ein Tosen vieler Völker..." (Jesaja 17,12). Beobachtungen zur Entstehung der Zionstradition vor dem Hintergrund des judäisch-assyrischen Kulturkontakts

Hero, Markus (Bochum)
Der urbane Raum und die Pluralisierung des Religiösen. Überblick über empirische Erhebungen zu den Religionen im Ruhrgebiet

Jeremias, Jörg (München)
Die korrupte Stadt. Samaria im Amos- und Hoseabuch

Karasszon, Istvan  (Ungarn)
Das nachexilische Michabuch

Krispenz, Jutta (Marburg)
Sozialer Raum und umbauter Raum. Die Stadt im Zwölfprophetenbuch

Riede, Peter (Tübingen)
Die gottgemäße Stadt im Zwölfprophetenbuch – eine „mental map“

Schart, Aaron (Essen)
Diskussionen in der Stadt: Maleachi und seine Gegner

Smith, Mark (New York, USA)
The concept of the „City“ in Ugarit

 Das Tagungsprogramm findet sich hier:

Mehr lesen
Krispenz + Schart, 2010-09-23
Stadt im Zwölfprophetenbuch - Referenten
Cziglanyi, Zsolt, 2010-09-24

Prof. Cziglanyi während seines Vortrags