Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
China: Gestärkt aus der Krise?
[30.03.2009] China ist stärker von globalen Entwicklungen betroffen, als bisher angenommen. Das zeigt nach Meinung von Prof. Dr. Thomas Heberer, Politikwissenschaftler und Chinaexperte der Uni Duisburg-Essen (UDE), die weltweite Finanzkrise. „Der Bankensektor wurde auf Grund der noch wenig entwickelten internationalen Verflechtung zwar nicht so erschüttert wie in anderen Staaten. Dagegen ist der Außenhandel, der über 50 Prozent zu Chinas Wirtschaftsleistung beisteuert, besonders in Mitleidenschaft gezogen. Am härtesten trifft es jedoch die Ärmsten: Der Zusammenbruch zehntausender Betriebe hat bis Februar 2009 zirka 25 Mio. Wanderarbeiter erwerbslos gemacht. Ein alarmierender Faktor“, sagt der UDE-Wissenschaftler, der u.a die EU in Chinafragen berät und gerade von einer Forschungsreise zurück ist.
Weltbankpräsident Zoellick und weitere Ökonomen sagen dennoch voraus, dass die drittgrößte Volkswirtschaft der Erde relativ von der Krise profitieren dürfte. „Zwar wird sie keinen Beitrag zur institutionellen Neuordnung des globalen Finanzsystems leisten können, aber Peking hat versprochen, sein eigenes Haus in Ordnung zu halten und den Binnenmarkt sowie die Kaufkraft seiner Bevölkerung zu stärken“, meint auch Heberer und nennt die Maßnahmen im chinesischen Konjunkturpaket: „In einem ersten Schritt hat die Regierung rund 460 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, auch um die zurückgehenden Exporte zu kompensieren. Zugleich hat sie die Leitzinsen gesenkt, Kreditgarantien für Kleinbetriebe gegeben, den Export durch Erhöhung der Umsatzsteuerrückerstattung angekurbelt und große Programme zum Ausbau der Infrastruktur, zur Förderung von Wohnungsbau und privaten Konsum beschlossen.“
Überdies nutze China die globale Rezession für eine Neustrukturierung seiner Wirtschaft: von der „Werkbank der Welt“ hin zu Hochtechnologie und nachhaltigem Wachstum. Die Finanzkrise böte laut Heberer der Volksrepublik die Chance, sich international zu profilieren, nicht nur als erfolgreicher Krisenmanager, sondern auch durch ein größeres Mitspracherecht bei der institutionellen Neugestaltung des internationalen Finanzwesens. Der autoritäre Staat habe es auf Grund seiner langfristig angelegten Wirtschaftspolitik nicht nur geschafft, mit Milliardenbeträgen in dreistelliger Höhe sein Bankwesen und die Staatsbetriebe zu sanieren, er erweitert nun auch seine Infrastruktur und stütze die Unternehmen. „Solche Schritte muss die Regierung unternehmen, will sie ein Mindestwachstum von zirka sechs Prozent aufrecht erhalten – das ist das erforderliche Minimum, um einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit und damit soziale und politische Destabilisierung zu verhindern. Andererseits kann man von niedrigeren Wachstumsraten in den nächsten Jahren ausgehen. Die wirken sich nur dann nicht auf die Stabilität aus, wenn es China gelingt, seine wirtschaftliche Binnenstruktur und den heimischen Markt zu stärken. Hiervon würden letztlich auch der Weltmarkt und Europa profitieren.“
Ein großes und schwer zu lösendes Problem ist die wachsende Arbeitslosigkeit von Zigmillionen Wanderarbeitern, die durch Unternehmenspleiten in ihre ländliche Heimat zurückkehren mussten, aber dort keine Arbeit finden. Davon konnte sich der Professor der Uni Duisburg-Essen kürzlich während eines Forschungsaufenthaltes in der Provinz Jiangxi ein Bild machen. „Viele der Rückkehrer stehen vor dem Nichts. Denn der Boden, den sie einst bestellten, wurde langfristig an Dritte verpachtet – eine Maßnahme der Regierung, um seinerzeit die großen Anbauflächen zu bewirtschaften, die infolge der Landflucht brach lagen. Die Zentralregierung hat die Führungsfunktionäre in den Landkreisen nun angewiesen, für Investitionen zu sorgen. Man versucht, Unternehmer mit finanziellen Anreizen zu locken. Zugleich werden die Funktionäre erfolgsorientiert mit Prämien bzw. Gehaltsabzügen entlohnt.“ Auf der anderen Seite, so konnte Prof. Heberer beobachten, organisiert die Kreisregierung berufliche Aus- und Fortbildungskurse für die Wanderarbeiter. „Ob es aber gelingt, mit autoritär gesteuerten Maßnahmen wie diesen die Massenarbeitslosigkeit und damit die soziale Unzufriedenheit zu mindern, bleibt abzuwarten.“
Weitere Informationen: Prof. Dr. Thomas Heberer, Tel. 0203/379-3727, -3728, thomas.heberer@uni-due.de
Redaktion: Ulrike Bohnsack, Tel. 0203/379-2429
Alle Pressemitteilungen der UDE finden Sie unter:
http://www.uni-due.de/de/presse/pm.php