Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
Immuntherapie bei chronischen Virusinfektionen
[22.05.2009] Erneut erfolgreich abgeschnitten hat die Universität Duisburg-Essen (UDE) bei der jüngsten Vergaberunde der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Nachdem kürzlich bereits ein neues DFG-Graduiertenkolleg bewilligt wurde, wird ab dem 1. Juli einer von neun neuen Sonderforschungsbereichen (SFB) an der UDE eingerichtet und ein bereits bestehender SFB für weitere vier Jahre gefördert. Im neuen SFB/Transregio 60 soll erforscht werden, wie es Viren gelingt, den Abwehrmechanismen des Körpers zu entkommen.
Deutsche und chinesische Wissenschaftler wollen dazu gemeinsam die Interaktion von Viren und Zellen in Immunreaktionen untersuchen. Es geht um die Entwicklung von Grundlagen für neue virusspezifische Immuntherapien und Schutzimpfungen, damit Krankheiten wie AIDS oder Hepatitis künftig wirksam bekämpft werden können. Sprecher des SFB ist Professor Dr. Michael Roggendorf, Leiter des Instituts für Virologie am Essener Universitätsklinikum. Weitere Beteiligte sind Mediziner und Proteinforscher der Ruhr-Universität Bochum sowie fünf chinesischer Hochschulen. Für die erste SFB-Förderperiode mit einer Laufzeit von vier Jahren stellt die DFG 5,5 Mio. Euro bereit.
Wann wird eine Infektion chronisch?
Noch immer gibt es kein Heilmittel gegen HIV oder das Hepatitis B- und C-Virus. Ein besseres Verständnis des Übergangs von akuter Infektion zur chronischen Krankheit dieser drei Viruserkrankungen steht daher im Mittelpunkt des international aufgestellten SFB/Transregio 60 "Interaktion von Viren mit Zellen des Immunsystems bei persistierenden Virusinfektionen: Grundlagen für Immuntherapie und Impfungen". Professor Roggendorf: „Es gibt kaum eine Therapie von Krankheiten, die einen ähnlich durchschlagenden Effekt auf die Gesundheit hat, wie die Impfung gegen Infektionskrankheiten. Die komplette Ausrottung der Pocken und das nahezu vollkommene Verschwinden von Kinderlähmung in fast allen Ländern der Welt sind ein sehr schönes Beispiel dafür.“
Einige Viren, wie das Grippe- oder das Pockenvirus, verursachen akute Infektionen, die entweder komplett ausheilen oder zu schweren Krankheiten mit Todesfolge führen. Andere Viren dagegen, wie z.B. die Herpesviren, verbleiben nach einer Primärinfektion dauerhaft im Körper und sorgen z.B. unter Stressbedingungen für Reaktivierungen (Herpesbläschen). Das Aids (HIV)-, das Hepatitis B (HBV)- und das Hepatitis C (HCV)-Virus dagegen verursachen chronische Infektionen und sind weltweit ein großes Gesundheitsproblem. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass sich 33 Mio. Menschen mit HIV, 350 Mio. mit HBV und 180 Mio. mit chronischer HCV infiziert haben. In China und Europa ist die Zahl der HIV- und HCV-Infektionen ähnlich hoch.
Die vorbeugende Impfung ist bisher nur gegen das Hepatitis B-Virus möglich. Um neue Therapieansätze zu verwirklichen, müssen die Faktoren untersucht werden, die den Übergang von einer akuten Infektion in eine chronische Erkrankung ermöglichen. Bekannt ist, dass die Interaktion der Viren mit dem Immunsystem einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung chronischer Infektionen hat. Die Zellen des menschlichen Körpers haben eine Reihe von molekularen Mechanismen entwickelt, um sich gegen eine Virusinfektion zu wehren. Auf der anderen Seite haben aber auch die Viren ihrerseits Mechanismen entwickelt, um diese angeborene Verteidigung zu unterlaufen und die antivirale Funktion von Immunzellen zu blockieren.
Was stört das Immunsystem?
In dem neuen deutsch-chinesischen SFB/Transregio sollen die molekularen und zellulären Interaktionen zwischen Virus und Zellen des Immunsystems untersucht werden, die für die chronischen Infektionen verantwortlich sind. Sobald diese Mechanismen verstanden sind, ergibt sich die Möglichkeit, therapeutisch auf verschiedenen Wegen doch eine Elimination der Viren zu erreichen. Professor Roggendorf: „Zu den wichtigsten Zielen des SFBs gehört, die ‚Störungen‘ des Immunsystems, wie Mutationen, Blockade lokaler angeborener Immunantwort und Elimination von Immunzellen, genauer zu charakterisieren.“
In einem zweiten Teil des Projektes werden dann Moleküle oder Antikörper entwickelt, die in der Lage sind, die „Bremsmechanismen“ der Immunantwort zu überwinden und damit Virusinfektionen zu beenden. Darüber hinaus sollen auch neue Impfstoffe entwickelt werden, die besonders bei chronischen Infektionen eine Immunantwort hervorrufen. So soll letztlich auch die andauernde Virusinfektion beendet werden, damit Spätfolgen, wie Leberzirrhose oder Tumore, künftig vermieden werden können.
Insgesamt sind 16 Projekte am Transregio beteiligt und bearbeiten Fragen zum angeborenen Immunsystem, zum adaptiven Immunsystem und zur Entwicklung von neuen Impfstoffen. In Deutschland sind zehn Forschungsprojekte verortet, acht an der Universität Duisburg-Essen (Fachbereich Medizin, Zentrum für Medizinische Biotechnologie und Fachbereich Chemie) und zwei an der Ruhruniversität Bochum (Prof. Überla, Virologie, sowie Prof. Helmut E. Meyer und Dr. Heike Göhler vom Medizinischen Proteom-Center). In China werden sechs Projekte bearbeitet und zwar in Wuhan (Huazhong University of Science and Technology, Tongji Medical School, Wuhan University, College of Life Science, und Chinese Academy of Science, Institute of Virology) sowie ein Projekt in Shanghai (Medizinische Fakultät der Fudan Universität).
Weitere Informationen: Prof. Dr. Michael Roggendorf, Tel. 0201/723-3551, michael.roggendorf@uni-due.de
Redaktion: Beate H. Kostka, Tel. 0203/379-2430
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