Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
Fluglotsen auf Kurs bringen
[30.10.2009] Beim Blick in den weiten blauen Himmel denken die meisten nicht an dichtes Gedränge. Und doch befinden sich in großer Höhe oft hunderte Flugzeuge. Ein neues Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Organisationspsychologie hilft Fluglotsen dabei, auch künftig den Überblick zu behalten. Entwickelt wird ein Instrument, um mit gezielten Beobachtungen die Arbeitsabläufe zu verbessern. Fünf Komedia-Masterstudierende (Angewandte Kognitions- und Medienwissenschaften) der Universität Duisburg-Essen bekommen so Einblicke in ein nahezu unbekanntes Berufsfeld.
Bei dem zweisemestrigen Projekt arbeiten sie direkt mit dem Eurocontrol Maastricht Upper Area Control Center zusammen. Das UAC Maastricht ist Teil einer internationalen Organisation und koordiniert die Luftverkehrskontrolle des oberen Luftraumes (ab 7.500 Metern) auf 260.000 Quadratkilometern im Auftrag der Benelux-Länder und Deutschlands. Hier schauen die Studierenden den Lotsen über die Schulter. Vorab lernten sie im Simulator unter ziemlich realistischen Bedingungen deren Arbeitssituation kennen.
„Fluglosten haben einen verantwortungsvollen Job mit außergewöhnlichen Sicherheitsbestimmungen. Es ist höchste Konzentration gefragt und sie dürfen sich keine Fehler erlauben. Nach spätestens zwei Stunden müssen sie eine längere Pause machen“, weiß Projektleiterin Christiane Fricke-Ernst, die mit der Flugsicherung zusammenarbeitet. In Zweierteams betreuen Fluglotsen festgelegte Lufträume, so genannte Sektoren. Sie müssen einige Flugzeuge auf engem Raum gleichzeitig im Blick behalten und darauf achten, dass sich diese nicht zu nahe kommen. Ihre Arbeit kann man nicht mit der der Kollegen im Tower vergleichen, die Start und Landung der Flieger begleiten.
Die Fluglotsen in Maastricht kontrollieren in drei Sektorgruppen den Luftraum ab 24.500 Fuß Höhe (etwa 7,5 Kilometer). Tagsüber, bei hohem Verkehrsaufkommen, werden diese Bereiche horizontal und vertikal weiter unterteilt. Der planende Lotse stimmt sich mit anderen Kontrollzentren über die Flugzeuge ab, die in den eigenen Sektor übernommen werden. Der ausführende Lotse kommuniziert mit den Piloten und gibt entscheidende Anweisungen, um Konflikte – eine Annäherung von 1.000 Fuß vertikal und fünf Nautischen Meilen horizontal – und Kollisionen zu vermeiden. Für Laien sind die vielen Linien, Punkte, Buchstaben- und Zahlenkombinationen auf dem Monitor kaum zu entschlüsseln.
Das entwickelte Instrument besteht aus zwei Beobachtungsbögen: Einem für die Fluglotsen und einem für die Studierenden. Da es zu lange dauern würde, Externe so tief in die Arbeitsabläufe einzuarbeiten, gibt es Kriterien, die nur von Fluglotsen bewertet werden können, z.B. ob der planende Lotse seinen Partner über Konflikte informiert. Es ist zwar möglich zu sehen, dass eine solche Information stattgefunden hat, aber unmöglich für eine fachfremde Person das Ausbleiben einer notwendigen Information zu entdecken. Der Bogen der Studierenden enthält dafür einen freien Beobachtungsteil, der sich auf Teamaspekte oder individuelle Besonderheiten bezieht. Aufgrund des organisationspsychologischen Hintergrunds verspricht sich Eurocontrol Maastricht hier einen Zusatznutzen.
Vergleichbare Kriterien
Die Kriterien wurden aus bestehenden ähnlichen Methoden, die in anderen Ländern bereits verwendet werden, und dem Arbeitshandbuch der Fluglotsen in Maastricht abgeleitet und innerhalb zahlreicher Diskussionen mit ihnen entwickelt. Es werden die Teamarbeit, korrekte Sprache, Geräuschkulisse, korrekter technischer Input, Pünktlichkeit und weitere Faktoren in eine sechsstufige Skala eingeordnet. Sie hilft dabei, ein einheitliches Instrument zu entwickeln, das anhand von vergleichbaren Kriterien „Best Practices“ ermittelt.
Während der Beobachtungen sitzen die Studierenden hinter den Fachleuten und bewerten ihre Interaktion. Unterstützt werden sie von 12 Fluglotsen, die die sektorspezifischen Regeln kennen. Dabei ist es wichtig, dass sie sich ruhig verhalten. Zum einen, um die sichere Arbeitsweise zu gewährleisten, zum anderen geht es um die Dokumentation des normalen alltäglichen Betriebs, d.h. dass keine Kommunikation mit den Lotsen erlaubt ist. Sobald eine ungewöhnliche Situation auftritt, wie extreme Wetterbedingungen, eine Annäherung oder ein Notfall, wird die Beobachtung abgebrochen, weiterhin haben die Fluglotsen das Recht eine Teilnahme zu verweigern. Denn es gilt rund um die Uhr die Devise „Safety First“. Kommuniziert wird grundsätzlich in Englisch. „Es ist für die Studierenden sehr spannend, wissenschaftliche Methoden in der Praxis im Rahmen eines internationalen Projekts einzusetzen und das in einer anderen Sprache“, so Fricke-Ernst.
Die Pilotstudie geht nun nach dem Pretest mit 30 Beobachtungen im Simulator in die zweite Phase: in den Kontrollraum. Etwa 80 Analysen werden gemacht, bevor das Beobachtungsverfahren als Standardmethode zur Verbesserung der Sicherheit eingesetzt wird. Die Verantwortlichen von Eurocontrol erwarten von den Ergebnissen vor allem Erkenntnisse darüber, wie gut die Arbeit ihrer Teams derzeit ist und was in einzelnen Sektoren oder der gesamten Organisation geändert werden sollte. Denn die Arbeitsbedingungen und -abläufe haben einen direkten Einfluss auf die Sicherheit.
„Der Luftverkehr wächst weiter. Wo heute im Luftraum noch die Kurslinien einzelner Flugzeuge als Netz zu erkennen sind, wird für das Jahr 2020 nur noch ein einziger großer Knotenpunkt erwartet. Dieses Projekt soll mit dazu beitragen, dass auch künftig der Flugverkehr sicher bleibt“, sagt die Dozentin.
Weitere Informationen: Christiane Fricke-Ernst, Tel. 0203/379-2343, christiane.fricke-ernst@uni-due.de
Redaktion: Katrin Braun, Tel. 0203/379-1488
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