Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
Viren in die Falle locken
[11.11.2009] Virus ist nicht gleich Virus: Während Grippe-Viren nach ein paar Tagen wieder aus dem Körper verschwinden, können chronische Viruserkrankungen wie Hepatitis und HIV ein Leben lang im Organismus eines Patienten verbleiben, weil sie es schaffen, einer Zerstörung durch das Immunsystem zu entgehen.
Im Falle einer Infektion wirken mehrere Zellen im Körper: so genannte zytotoxische Zellen, auch Killerzellen genannt, vermehren sich, um die Viren abzutöten. Damit diese Immunantwort nicht ausartet und sich aus Versehen gegen den Körper wendet, wie es bei Autoimmunkrankheiten geschieht, werden die Killerzellen von regulierenden T-Zellen (Treg-Zellen) in Schach gehalten, die den Körper vor einem Angriff des Immunsystems auf körpereigene Proteine schützen.
Genau diese körpereigene Strategie machen sich Retroviren, zu denen auch HIV gehört, geschickt zu Nutze: Sie lösen die Vermehrung und Verbreitung von Treg-Zellen aus, was wiederum die Arbeit der Killerzellen einschränkt. So kann das Virus nahezu unbeschadet im Körper verbleiben und chronische Infektionen verursachen.
Virologen am Universitätsklinikum Essen haben nun herausgefunden, dass neuartige Therapien von chronischen Viruserkrankungen genau an diesem Punkt ansetzen können: Werden die Treg-Zellen genetisch so manipuliert, dass sie kurzzeitig ausgeschaltet werden, dann verstärkt das die zytotoxische Aktivität der T-Zellen. Diese Killerzellen können sich ungestörter vermehren und Körperzellen, die mit dem Virus infiziert wurden, wieder gezielter abtöten. „Unser Ziel bei diesen Forschungen ist es, die körpereigenen Abwehrzellen durch Ausschalten der Treg-Zellen so zu aktivieren, dass sie das Virus ganz aus dem Körper verbannen“, erklärt Professor Dr. Ulf Dittmer vom Institut für Virologie am Universitätsklinikum Essen. Besonders interessant würde diese Art der Therapie für die rund 500 Millionen Patienten mit chronischen Viruserkrankungen wie Hepatitis oder HIV weltweit.
„Bislang haben wir eine gezielte Ausschaltung der Treg-Zellen nur bei genetisch veränderten Mäusen beobachten können. Die Studien legen aber den Schluss nahe, dass ein ähnlicher Effekt unter Verwendung von speziellen Antikörpern auch beim Menschen möglich wäre“, so Prof. Dittmer.
Ein langfristiges Ausschalten der Treg-Zellen würde allerdings zu gefährlichen Autoimmunerkrankungen führen. Deshalb betonen die Essener Wissenschaftler, dass die zukunftsweisende Therapie bei chronischen Viruserkrankungen so gestaltet sein sollte, dass die Treg-Zellen kurzzeitig ausgeschaltet werden, etwa für einen Zeitraum von wenigen Wochen. „Schon in dieser kurzen Zeit kann es den zytotoxischen T-Zellen gelingen, das Virus komplett zu eliminieren.“
Zu viel Euphorie sei derzeit allerdings noch nicht angebracht, betont der Virologe: „Es kann bis zu zehn Jahre dauern, bis eine geeignete Antikörpertherapie für Menschen verfügbar ist. Aber wir sind auf einem guten Weg dorthin.“ Eine ausführliche Beschreibung der Essener Forschungsergebnisse ist in diesen Tagen im internationalen „Blood“-Journal erschienen.
Weitere Informationen: Prof. Dr. Ulf Dittmer, Tel. 0201-723-3693, ulf.dittmer@uk-essen.de
Redaktion: Anne Bolsmann, Tel. 0201/723-1491
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