Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
Mehr Angst, den Job zu verlieren
[24.02.2010] Die Angst vor dem Jobverlust hat in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren zugenommen, obwohl die Beschäftigungsverhältnisse tatsächlich nicht instabiler geworden sind. Das zeigt ein aktueller Report aus dem Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. „Die schlechte Lohnentwicklung könnte eine Erklärung für diesen Widerspruch sein, neben der zunehmenden Einkommensungleichheit und dem drohenden Statusverlust bei längerer Arbeitslosigkeit“, vermutet der IAQ-Arbeitsmarktforscher PD Dr. Marcel Erlinghagen.
Zwischen 2001 und 2004 wuchs die Angst vor dem Jobverlust bundesweit erheblich, wie die IAQ-Auswertung von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zeigt. In den alten Bundesländern verdoppelte sich der Anteil der Beschäftigten mit Arbeitsplatzsorgen von 10 auf rund 20 Prozent; in den neuen Bundesländern fürchtete im Jahr 2004 sogar jeder Dritte Beschäftigte um seinen Job. Im Gegensatz zu früheren Konjunkturzyklen haben sich die Sorgen um den Verlust des Arbeitsplatzes im folgenden Aufschwung kaum verringert: Im Jahr 2008 machten sich weiterhin gut 15 Prozent der Beschäftigten in den alten Bundesländern große Sorgen um ihren Arbeitsplatz, und noch mehr waren es zuvor in den Aufschwungjahren 2006 und 2007 - bereits lange bevor die aktuelle Wirtschaftskrise begann.
Schock durch Hartz IV-Reformen
Demgegenüber hat die Beschäftigungsstabilität – anders als in einer weit verbreiteten öffentlichen Wahrnehmung – in Deutschland im Verlauf der vergangenen zwei Jahrzehnte nicht generell abgenommen, konstatiert Erlinghagen auf der Basis von Daten der Bundesagentur für Arbeit und des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). „Im Jahr 1985 waren die Beschäftigten in Westdeutschland seit durchschnittlich zehn Jahren in ihrem Betrieb beschäftigt. Bis Ende der 1990er Jahre reduzierte sich dieser Wert auf rund 9,5 Jahre, um anschließend bis zum Jahr 2008 wieder auf über zehn Jahre anzusteigen. Die neuen Länder erreichten im Jahr 2008 mit einem Wert von knapp zehn Jahren annähernd westdeutsches Niveau.“
Erlinghagen vermutet, dass es vor allem in den alten Bundesländern nicht nur unter den real von Arbeitslosigkeit Betroffenen, sondern auch unter Beschäftigten zu einem nachhaltigen Schock durch die so genannten „Hartz-Reformen“ gekommen sein könnte: „Der Übergang von der alten Arbeitslosenhilfe, die den sozialen Abstieg abfederte, hin zum weitgehend statusunabhängigen Arbeitslosengeld II scheint zumindest von den Beschäftigten in den alten Bundesländern als bedrohlicher Bruch wahrgenommen worden zu sein, was sich dann in der wachsenden Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes widerspiegeln könnte.“
Angst macht krank
Haben Beschäftigte Angst, ihren Job zu verlieren, kann dies weitreichende Folgen haben: So kann sich Beschäftigungsunsicherheit negativ auf den Gesundheitszustand auswirken und darüber hinaus familiäre Probleme verursachen. Für Betriebe können verunsicherte Belegschaften zum Problem werden, da Arbeitsmotivation und Innovationsbereitschaft der Beschäftigten ab- und Krankenstand und Fluktuation zunehmen. Auch gesamtgesellschaftlich betrachtet steigen die Kosten, z.B. durch Gesundheitsausgaben, Steuereinbußen und Konsumzurückhaltung.
Die subjektive Beschäftigungsunsicherheit könnte sich auch auf die langfristige internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auswirken, meint Erlinghagen. „Es ist davon auszugehen, dass eine verstärkte gesundheitsbelastende Beschäftigungsunsicherheit in jungen Jahren die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft in der späteren Karriere senkt. Dies wäre angesichts eines zu erwartenden Fachkräftemangels im Zuge des demographischen Wandels fatal. Somit sind langfristige negative volkswirtschaftliche Folgen hoher Beschäftigungsunsicherheit durchaus denkbar“.
Weitere Informationen: IAQ-Report 2010-02
http://www.iaq.uni-due.de/iaq-report/2010/report2010-02.php
PD Dr. Marcel Erlinghagen, Tel. 0203/379-2686 -2733, marcel.erlinghagen@uni-due.de;
Redaktion: Claudia Braczko, Tel. 0170 / 87 61 608, presse-iaq@uni-due.de
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