Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen

IAQ fordert weniger Missbrauch bei der Zeitarbeit

Befristung und gleicher Lohn

[22.03.2011] Um den Missbrauch von Leiharbeit einzudämmen, müssen gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt und die Dauer der Arbeitseinsätze begrenzt werden. Dafür spricht sich der Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Gerhard Bosch, Direktor des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen, aus.

Um Löhne zu drücken, nutzen viele Unternehmen die gesetzlichen Möglichkeiten der Arbeitnehmerüberlassung aus, so Bosch. Dabei erhielten die Betriebe mit den schlechtesten Löhnen zum Teil noch Subventionen, weil die geringen, nicht existenzsichernden Löhne oft noch aus den staatlichen Sozialkassen aufgestockt werden müssen.

Im aktuellen IAQ-Standpunkt zur Anhörung im Bundestagsausschuss Arbeit und Soziales geht es darum, den Missbrauch von Arbeitnehmerüberlassung zu verhindern und das EU-Recht in die nationale Gesetzgebung umzusetzen. Nach der EU-Richtlinie zur Leiharbeit müssen die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Zeitarbeitskräften denen der vergleichbaren Stammarbeitskräfte entsprechen. Bei abweichenden tariflichen Regelungen ist der „Gesamtschutz“ von Leiharbeitskräften zu beachten.

Gleiche Arbeit – halber Lohn

Im Oktober 2010 waren in Deutschland mehr als 900.000 Leiharbeiter beschäftigt, deutlich mehr als bei dem bisherigen Höchststand vor der Krise. Die Bedingungen in der Branche haben sich aber drastisch verschlechtert. Zwei von drei Leiharbeitsbeschäftigten arbeiten inzwischen zu Niedriglöhnen. Während Vollzeitbeschäftigte im Durchschnitt 18,04 Euro brutto pro Stunde (2006) verdienen, erreichen Leiharbeitskräfte mit 9,71 Euro nahezu nur die Hälfte. Wegen der niedrigen Löhne müssen 11,5 Prozent aller Leihkräfte ergänzend Hartz IV-Leistungen für die Grundsicherung in Anspruch nehmen, fünfmal mehr als der Durchschnitt aller Beschäftigten. Rund 531 Millionen Euro kostet diese Aufstockung zwischen Juni 2008 und Mai 2009 nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit.

Leiharbeit als Brücke in die Beschäftigung und normale Arbeit funktioniert nicht: Die erwarteten Übergänge von 50 Prozent und mehr aus den 2004 eingeführten Personal-Service-Agenturen mündeten in der Praxis nur zu rund 7 Prozent in reguläre Beschäftigung. Wenn der Gesetzgeber die Brückenfunktion verbessern will, - so rät Bosch - muss die Überlassungsdauer zeitlich begrenzt werden, damit die Zeitarbeit nicht zum Dauerzustand wird. Außerdem muss gleicher Lohn gezahlt werden, damit eine Übernahme von Leihkräften in dauerhafte Beschäftigung für den Entleiher betriebswirtschaftlich attraktiv wird.

Leiharbeit ist in Deutschland längst keine Randerscheinung mehr, so Bosch. Unternehmen und auch öffentlich-rechtliche Einrichtungen haben zunehmend eigene Verleiheinheiten gegründet, um Arbeitskräfte zu den niedrigeren Zeitarbeitstarifen beschäftigen zu können. Solche Personalkarusselle sollen durch die beabsichtigten Gesetzesänderungen begrenzt werden. Leihkräfte, die innerhalb von sechs Monaten wieder eingestellt werden, sollen gleichen Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen erhalten.

Allerdings gelten die geplanten Schutzregelungen nicht für Auszubildende nach Abschluss ihrer Ausbildung oder für Leihkräfte, die zuvor nicht beim Unternehmen beschäftigt waren. „Missbrauch kann hier nur verhindert werden, wenn das Gleichbehandlungsgebots für alle Leihkräfte konsequent umgesetzt wird“, so Bosch. Die mehr als überfälligen rechtlichen Änderungen, um einen Mindestlohn in der Leihbranche einzuführen, ersetzen nicht die ausnahmslose Einführung des Equal Pay-Gebotes bei betrieblichen Einsätzen.

Die Weiterbildung von Leihkräften könnte durch einen Fonds verbessert werden, aus dem Weiterbildung in verleihfreien Zeiten finanziert wird, schlägt der IAQ-Arbeitmarktforscher vor. Der Fonds sollte von den Sozialpartnern paritätisch verwaltet und aus einer Umlage gespeist werden. Eine Begrenzung der Überlassungsdauer auf drei Monate hält Bosch für zu restriktiv. Bei größeren Investitionsprojekten oder Personalvertretungen bei längerer Krankheit sind Höchstgrenzen von einem Jahr mit eng begrenzten Ausnahmen sinnvoll.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Gerhard Bosch, Tel.: 0203/379-1827, gerhard.bosch@uni-due.de

Redaktion: Claudia Braczko, Tel.: 0170-8761608, E-Mail: presse-iaq@uni-due.de

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