Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
Neues „UNIKATE-Heft“ gibt Einblick
[20.02.2003] „Herz-Kreislaufmedizin“ lautet der Titel der aktuellen Ausgabe des renommierten Wissenschaftsmagazins ESSENER UNIKATE, das unter Federführung von Professor Gerd Heusch, Direktor des Instituts für Pathophysiologie am Essener Universitätsklinikum entstanden ist.
In den westlichen Industriestaaten stellen Herz-Kreislauferkrankungen noch immer die häufigste Todesursache dar. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist in Deutschland jeder zweite plötzliche Todesfall zurückzuführen auf eine koronare Herzkrankheit, d.h. auf eine Mangeldurchblutung des Herzmuskels, hervorgerufen durch Verengung oder Verschluss eines oder mehrerer Herzkranzgefäße.
Sieben Vertreter der Theoretischen und Praktischen Medizin des Universitätsklinikums präsentieren in der 20. Ausgabe der von der Universität Duisburg-Essen herausgegebenen ESSENER UNIKATE die Ergebnisse ihrer Grundlagenforschung, beschreiben neue Präventionsmethoden und machen Vorschläge zu einer wirksamen Diagnose und Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen.
Dass der Herzmuskel bei unzureichender arterieller Blutzufuhr und akutem Sauerstoffmangel über effiziente Adaptions- und Schutzmechanismen verfügt, die ein Absterben großer Gefäßareale verhindern, beschreibt Rainer Schulz, Professor für Pathophysiologie. Myokardiales „Hibernation“ und „Ischemic Preconditioning“ – dies sind die medizinischen Fachtermini für die beiden wichtigsten endogenen kardioprotektiven Verfahren. Das hibernierende Myokard, der „Herzmuskel im Winterschlaf“, zeichnet sich dadurch aus, dass er sich nach Wiederherstellung der Durchblutung und ausreichender Sauerstoffzufuhr vollständig erholt und seine normale Kontraktionsfähigkeit zurückgewinnt. Unter ischämischer Präkonditionierung versteht Schulz eine schnelle Gewebereaktion auf mehrere kurze Zyklen, in denen sich Mangel- und Normaldurchblutung abwechseln, um die Toleranz für längere Koronarverschlüsse zu erhöhen.
Neue Wege in der Bekämpfung des Herzinfarktes zeigt Professor Raimund Erbel, Direktor der Abteilung für Kardiologie, auf. Sein Konzept der Primär- und Sekundärprävention zielt darauf ab, die präventive Therapie zu individualisieren. Einzelne Risikofaktoren, allen voran der Diabetes mellitus und die arterielle Hypertonie, erfahren dabei eine graduelle Neubewertung. Mit nichtinvasiven Tests und bildgebenden Verfahren wie dem Knöchel-Arm Index und der Messung des C-reaktiven Proteins stehen zusätzliche Methoden zur Verfügung, um das individuelle Risiko zuverlässig einzuschätzen. Das erleichtert die richtige Indikationsstellung und verbessert die Überlebensprognose für den Patienten.
Aus der Sicht von Professor Gerd Heusch ist die Atherosklerose nicht nur eine chronisch fortschreitende, sondern auch eine ausgesprochen dynamische Gefäßwanderkrankung ist. Fettablagerungen und reaktive Prozesse in den Wänden der Arterien, auch Plaque genannt, verengen die Gefäße und bewirken dadurch eine dramatische Unterversorgung des Herzmuskels mit Blut und Sauerstoff. Wenn die instabile atherosklerotische Plaque aufbricht und mit dem strömenden Blut in Kontakt gerät, kann sie im schlimmsten Fall einen akuten Koronarverschluss verursachen, der seinerseits einen Herzinfarkt auslöst. Heusch weist nach, dass ein Plaque-Riss nicht unweigerlich zu einem kompletten Gefäßverschluss mit nachfolgendem Infarkt führen muss. Als „koronare Mikroembolisation“ bezeichnet er den Vorgang, bei dem kleinere Plaque-Partikel in die Mikrozirkulation des betroffenen Organs geschwemmt werden und in der Peripherie embolisieren. Dabei kommt es zu Herzrhythmusstörungen, kontraktiler Dysfunktion und chronischer Herzinsuffizienz, ohne dass je eine manifeste koronare Herzkrankheit bestanden hat. Für diese Prozesse ist eine entzündliche Signalkaskade ursächlich verantwortlich.
Professor Achim A. Schmaltz, Direktor der Kardiologischen Abteilung am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, stellt die drei wichtigsten nicht-chirurgischen Therapien für kleine Herzpatienten vor. Nach Beobachtung von Schmaltz findet die Interventionskardiologie im Kindesalter immer mehr Zuspruch, so dass mittlerweile schon ein Drittel bis die Hälfte aller Herzkatheterisierungen erfolgreich an Kindern durchgeführt wird. Der therapeutische Einsatz des Ballonkatheters ermöglicht es, verschlossene Herzklappen durch Sprengung von narbigen Verwachsungen zu öffnen, Gefäßverengungen ohne gefährliche Operation durch Gefäßstützen zu erweitern und Löcher in der Herzscheidewand dauerhaft zu schließen.
Ist die Chirurgie der koronaren Herzerkrankung im Endstadium möglich und sinnvoll? Gibt es für Hochrisikopatienten klinisch erprobte Therapiealternativen zur klassischen Herztransplantation? Dies sind die Fragen, mit denen sich Professor Heinz G. Jakob, Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskuläre Chirurgie, eingehend befasst. Verengte Herzkranzgefäße können zu erheblichen Beschwerden bis hin zum Herzinfarkt führen. Nach wie vor zählen die Myokardrevaskularisation, d.h. die Wiederherstellung der Durchblutung von Herzmuskelgefäßen, und die koronare Bypass-Operation, bei der die Herzkranzgefäße mit Hilfe von körpereigenen Gefäßen überbrückt werden, zu den bewährten Behandlungsmethoden. Beide Verfahren ermöglichen eine langfristige Funktionsverbesserung der geschädigten Areale und verringern dadurch das Risiko zukünftiger kardialer Ereignisse. Als geeignete Option für Patienten mit vergrößerter linker Herzkammer und eingeschränkter Herzfunktion hat sich die Dor-Technik der Ventrikelreduktionsplastik erwiesen, bei der eine neue Herzspitze geformt, die Anordnung der Muskelfasern korrigiert und somit die physiologische Geometrie der linken Herzkammer vollständig wiederhergestellt wird.
Den bislang unerforschten Wirkungsmechanismus von Sphingolipiden im Herz-Kreislauf-System versuchen der Pharmakologe und Toxikologe Professor Martin C. Michel und seine Mitarbeiterin Dr. Dagmar Meyer zu Heringdorf in ihrem Artikel „Die Sphinx der Fette“ gemeinsam zu ergründen. Sphingolipide gelten als lebensnotwendige Botenstoffe der intra- und interzellulären Kommunikation. Ihr Metabolismus erlaubt eine Umwandlung in verschiedene Stoffe, die – gemäß der akuten physiologischen Erfordernisse – in der Lage sind, entgegengesetzte Aufgaben wahrzunehmen. So löst Ceramid beispielsweise den Zelltod aus, während Sphingosin-1-Phosphat das Wachstum von Zellen begünstigt.
Die Aufklärung der Bedeutung von Sphingolipidmetaboliten für die Herz-Kreislaufmedizin und Nephrologie steht noch am Anfang. Soviel lässt sich – klinisch gesichert – allerdings schon sagen: Sphingolipidmetaboliten besitzen die Fähigkeit, rezeptorvermittelt den Tonus der glatten Gefäßmuskulatur durch entsprechende Kontraktion oder Relaxation zu steuern, und können die Funktion von Tubuluszellen in der Niere regulieren.
„Aus den einzelnen Beiträgen“, zieht Gerd Heusch die Schlussfolgerung aus seinem Engagement als federführender Autor des aktuellen UNIKATE-Heftes, „wird auch die gute Interaktion zwischen allen Beteiligten, zwischen experimenteller und klinischer Kardiologie deutlich. Damit sind beste Voraussetzungen gegeben, dass die Essener Herz-Kreislaufmedizin sich weiterhin nicht nur vor Ort, sondern auch national und international profiliert.“
Redaktion: Doris K?nig, Telefon (0201) 1 83 ? 20 87
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