Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
Genetische Gründe für Übergewicht
[15.10.2004] Mit vier Millionen Euro fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über die kommenden drei Jahre das Netzwerk „Adipositas und assoziierte Störungen“. An dem Netzwerk, das genetische Gründe für Übergewicht erforscht, sind Forschergruppen aus zahlreichen deutschen Städten beteiligt. Koordinator ist Professor Dr. Johannes Hebebrand, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie des Universitätsklinikums Essen. Aus der Gesamtfördersumme, die im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) vergeben wurde, ist für die Universität Duisburg-Essen eine Million Euro vorgesehen.
Weltweit ist die Zahl der Menschen mit einer Adipositas, das heißt ausgeprägtes Übergewicht mit einem Überschuss an Körperfett, in den vergangenen Jahrzehnten stark angestiegen. Gründe hierfür sind veränderte Ernährung, mangelnde körperliche Bewegung sowie psychische und psychosoziale Faktoren. Allerdings wird in der Regel nur derjenige adipös, der eine genetische Veranlagung dazu hat. Auch die Wahrscheinlichkeit von Folgeerkrankungen durch Übergewicht, wie Altersdiabetes, Fettstoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-erkrankungen oder Schlafstörungen, wird offenbar stark genetisch beeinflusst.
Die wissenschaftliche Erforschung dieser genetischen Veranlagungen steckt jedoch noch in den Anfängen. Gesichert gilt derzeit, dass etwa zwei bis vier Prozent aller Menschen mit einer ausgeprägten Adipositas, Mutationen im so genannten Melanokortinrezeptor-4-Gen aufweisen. Betroffene sind etwa 15 bis 30 Kilogramm schwerer als ihre Familienangehörigen ohne Mutation. Zudem gibt es in demselben Gen bei vier Prozent aller Menschen eine Variante, die vor Übergewicht schützt. Träger dieser Variante sind durchschnittlich 1,5 Kilogramm leichter als Nichtträger.
Ziele des Netzwerks „Adipositas und assoziierte Störungen“ sind die Identifikation von Genen und Genvarianten, die einen Einfluss auf das Körpergewicht haben, und ihre anschließende Charakterisierung in klinischer, epidemiologischer und funktioneller Hinsicht. Die Häufigkeit dieser Genvarianten sollen in der Allgemeinbevölkerung, bei Patienten mit Adipositas und bei Patienten mit Folgestörungen untersucht werden. Die Forscher erhoffen sich von derartigen Studien Hinweise, ob die adipositasrelevanten Genvarianten auch die Folgestörungen verursachen.
Adipositas wurde bereits 1997 von der Weltgesundheitsorganisation zur Epidemie erklärt. In Deutschland haben derzeit etwa 20 Prozent der Bevölkerung eine Adipositas. Besonders besorgniserregend ist die deutliche Zunahme der Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen, die nicht nur die Grundlage für ein häufig lebenslanges Übergewicht legt, sondern sich auch gravierend auf das Selbstwertgefühl der Jugendlichen auswirkt.
Die Kenntnis der relevanten Erbfaktoren und das Verständnis ihrer Funktionen sind von großer theoretischer und praktischer Bedeutung. Nur so können die biologischen Mechanismen, die zur Adipositas führen, verstanden werden. Möglicherweise lassen sich hierdurch auch neue pharmakologische Therapien entwickeln.
Forschungsbedarf ist auf jeden Fall gegeben: So vermuten beispielsweise die Gesundheitsministerien der USA und Schwedens, dass Adipositas als Ursache vorzeitiger Todesfälle das Rauchen bald abgelöst haben wird. Auch die direkten Kosten für die Gesundheitssysteme liegen mit fünf bis sieben Prozent auf mindestens gleicher Höhe wie beim Rauchen.
Redaktion: Christoph Lindemann, Tel.: (0201) 183?4518
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