Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
Organspende – Gute Tat oder Tabubruch?
[16.05.2012] Ob in Arztpraxen oder auf Bahnhöfen: Überall wird für die Organspende geworben. Auch die Medien beklagen den Organmangel. Warum die Organspende gemeinhin als gute Tat gilt – und nicht als Tabubruch ist Thema der Dissertation von Mona Motakef, Soziologin an der Universität Duisburg-Essen (UDE) und Mitglied des Essener Kollegs für Geschlechterforschung (EKfG). Für ihre Untersuchung „Körper Gabe. Ambivalente Ökonomien der Organspende“ erhielt sie jetzt den Nachwuchspreis der Sektion Soziologie des Körpers und des Sports der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS).
Laut Jury leistet die Dissertation einen zentralen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion eines höchst aktuellen Themas. Denn: Anstatt nach Strategien zu suchen, wie Organspende optimiert werden kann, verhandelt die Arbeit die Frage, wie über Körper verfügt werden soll und welche neuen biopolitischen Rechte und Pflichten daraus entstehen.
„Die Dissertation zeigt eindrücklich, ja geradezu vorbildlich, worin der Vorzug einer soziologischen Perspektive liegt. Während nämlich die medizinischen und bioethischen Diskussionen moralisch hoch aufgeladen und durch ein Effizienz- und Optimierungsdenken geprägt sind, enthält sich die soziologische Analyse von Motakef jeglicher normativer oder wertender Stellungsnahmen“, heißt es in der Laudatio der Jury.
Wie verfügbar ist der Körper?
„Mein Buch räumt mit der Gewissheit auf, dass es über Organspende nichts mehr zu verhandeln gibt, außer der Frage, wie sie effizienter gestaltet werden kann“, sagt Mona Motakef, die als Sozialwissenschaftlerin im Arbeitsbereich für soziale Ungleichheit und Geschlecht des Instituts für Soziologie der UDE lehrt und forscht. „Dagegen eröffnet es eine Perspektivenvielfalt und richtet den Blick auf die Ambivalenzen und Widersprüche des Feldes.“
Im Zentrum der Arbeit steht eine Diskursanalyse des Organmangels: Was bedeutet es, Teile seines Körpers zu verschenken? Warum spenden Frauen häufiger Organe als Männer? Und warum sind Angehörige von Mehrheiten eher dazu bereit als Angehörige von Minderheiten? „Obwohl bei einer Organspende dem Körper Teile entnommen werden, gilt sie nicht als Tabu, sondern als Inbegriff einer guten Tat“, sagt Motakef.
Mit Hilfe von verschiedenen Forschungstheorien eröffnet die Sozialwissenschaftlerin die Frage, wie verfügbar der Körper ist. „Über Organspende gab es bis Mitte der 1990er Jahre eine intensive Diskussion, insbesondere über das Hirntodkonzept. Seitdem hat sie sich massiv verändert, aber die Auseinandersetzungen sind ausgeblieben. Von daher verbinde ich mit dem Buch das Anliegen einer Wiederbelebung und auch Politisierung des Themas.“
Weitere Informationen:
• www.uni-due.de/ekfg/index.shtml
• www.uni-due.de/soziologie/motakef.php,
• Dr. Mona Motakef, mona.motakef@uni-due.de
Redaktion: Isabelle De Bortoli, Tel. 0203/379-2430
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