Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
Ein anderer Beruf als Chance
[13.09.2012] Vielen Bauarbeitern könnte der Wechsel in einen „zweiten Beruf“ helfen, um bis zur Rente arbeitsfähig zu bleiben. Allerdings gibt es derzeit noch keine systematische Arbeits- und Laufbahngestaltung, die ihnen längerfristige Perspektiven eröffnet. Deshalb untersucht das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen, wohin Baubeschäftigte heute wechseln, und welche Alternativen sich in diesem Gewerbe und angrenzenden Branchen bieten.
Aus vier besonders alterskritischen Bauberufen – Maurer, Betonbauer, Dachdecker und Zimmerer – wandern heute 5,5 Prozent der Beschäftigten jährlich in andere Tätigkeiten ab. Davon geht rund jeder Dritte in den Dienstleistungssektor, rund 29 Prozent steigen innerhalb des Baugewerbes um und fast jeder Fünfte wechselt in die Industrie. Die meisten Veränderungen gibt es kurz nach dem Ausbildungsende, dann ist vor allem der Dienstleistungsbereich interessant. Wer später aus dem Bausektor in andere Branchen umsteigt, erlebt häufig Statuseinbußen, da es sich um Berufe mit geringerem Qualifikationsniveau handelt. Typisch sind Jobs als Kraftfahrer, im Wachdienst oder Anlerntätigkeiten in der Industrie. Aufstiegsfortbildungen in belastungsärmere Führungsebenen (z. B. Polier) bieten sich aufgrund fehlender Kompetenzen nur für wenige Beschäftigte. Zukunftsfähig sind jedoch Service- und Reparaturarbeiten in der Altbausanierung oder in der Bau-Vorteilefertigung.
Ob ein Wechsel innerhalb der eigenen Firma gelingt, hängt auch von der Betriebsgröße ab. Vor allem in den mehrheitlich kleinen und mittelgroßen Bauunternehmen erlauben die oft begrenzten Ressourcen nur Maßnahmen für Einzelfälle. Dennoch fanden die IAQ-Forscher auch in Kleinstbetrieben innovative Lösungen für ältere Mitarbeiter. Dies betrifft Zeitregelungen und eine verstärkte Gesundheitsfürsorge. So führte eine kleine Zimmerei für die Baubranche eher unübliche Teilzeitmodelle ein. Ein Dachdecker bietet eine Rückenschule für seine Mitarbeiter an. Kleine Firmen finden oft Alternativen im Kundenservice oder in der Altbausanierung, z. B. Reparaturarbeiten, für die Fingerspitzengefühl notwendig ist. Immer mehr Baubetriebe setzen schließlich verstärkt Technik ein, um arbeitsbedingte Verschleißerkrankungen zu mindern. So werden heute deutlich häufiger als früher Kräne, Hebevorrichtungen und Minibagger zum Transportieren schwerer Arbeitsmaterialien verwendet.
Ideen für alternative Karrieren: Als branchennahe Möglichkeiten mit weniger Belastungen gelten u.a. Baumärkte und die Vertriebsberatung, wo erfahrene Maurer und Betonbauer mit ihren praktischen Fachkenntnissen und Erfahrungen eingesetzt werden können; Kommunikationsfähigkeit und ein guter Umgang mit Kunden werden allerdings vorausgesetzt. Zudem sind das Facility-Management, der Garten- und Landschaftsbau und die Beratung für altersgerechtes oder innovatives Wohnen neue Felder.
Künftig könnte ein gut vorbereiteter und strukturierter Übergang in einen „zweiten Beruf“ ein sinnvoller und ergänzender Baustein für langfristige Beschäftigungsperspektiven sein, so die IAQ-Wissenschaftler. Hierfür müssten einerseits betriebliche Anstrengungen in der Weiterbildung und im Gesundheitsschutz verstärkt werden. Andererseits sind auf Branchenebene institutionelle Regelungen zu entwickeln, die den sozialen Status absichern und so den Laufbahnwechsel erleichtern, z.B. durch berufsständische Zusatzversorgungsmodelle. Zusammen mit Altersteilzeitregelungen könnte so ein – gerade für jüngere Beschäftigte – attraktives Paket von branchenspezifischen Unterstützungen geschnürt werden.
Die Studie entstand im Projekt „Gestaltung inner- und überbetrieblicher Erwerbsverläufe in der mittelständischen Bauwirtschaft“, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert wurde. An dem Vorhaben sind neben dem IAQ die Rationalisierungs-Gemeinschaft Bauwesen im RKW, Eschborn sowie das Bildungswerk (BIW) Bau Hessen-Thüringen beteiligt.
Weitere Informationen: http://www.iaq.uni-due.de/iaq-report/
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