Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
Energiespeicher für das Revier
[23.11.2012] Das Pumpspeicherkraftwerk unter Tage macht Fortschritte: Nachdem bereits erste Voruntersuchungen gezeigt haben, dass sich die bergbaulichen Schachtsysteme im Ruhrgebiet grundsätzlich für eine umweltfreundliche Energiespeicherung eignen, wird das Projekt auch vom NRW-Klimaschutzministerium unterstützt. Damit fällt der Startschuss für die Machbarkeitsstudie Pumpspeicher, vielleicht ein wichtiger Baustein, um den Ausbau Erneuerbarer Energien weiter voranzutreiben zu können.
Staatssekretär Udo Paschedag vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz überreichte heute die Förderbescheide für die Erforschung von Pumpspeicherkraftwerken unter Tage an ein Konsortium unter der Leitung der Universität Duisburg-Essen (UDE). Die Förderungssumme für das Realisierungskonzept umfasst insgesamt rund 1,3 Millionen Euro, die Projektlaufzeit beträgt 18 Monate. Damit wird die erste Stufe des insgesamt auf zwei Phasen angelegten Projektes gefördert.
„NRW geht bei der Umsetzung der Energiewende voran. Für den schnellstmöglichen Umstieg auf Erneuerbare Energien brauchen wir vor allem mehr Speicherkapazität“, sagte Paschedag bei der Übergabe des Förderbescheids. „Der Einsatz von Pumpspeicherkraftwerken ist nach aktuellem Stand die ökonomisch günstigste Form der Energiespeicherung. Die Nutzung von Bergbauanlagen für diese Art der Stromspeicherung kann ein effizienter Baustein der Energiewende im Ruhrgebiet werden.“
Projektkoordinator Prof. Dr. André Niemann: „Der Bergbau im Revier verfügt über eine hervorragend ausgebaute Grundeinrichtung unter Tage. Mit unserem Projekt wollen wir möglichst viele Komponenten dieser Infrastruktur dauerhaft sichern. Viele der dazu erforderlichen Kenntnisse sind bereits vorhanden“, so Niemann vom federführenden UDE-Fachgebiet Wasserbau und Wasserwirtschaft. Wie groß die nutzbaren Potenziale sind, konnte bereits in einer Vorstudie aufgezeigt werden, die von der Stiftung Mercator und dem Mercator Research Center Ruhr (MERCUR) gefördert wurde.
Aus der Region für die Region
Projektpartner sind interdisziplinäre Forscherteams der UDE und der Ruhr-Universität Bochum (RUB) sowie Experten der RAG Deutsche Steinkohle, der DMT und dem Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung (RISP) an der UDE. Konkret geht es jetzt um zwei noch aktive RAG-Bergwerke und die im Bergbaufolgebetrieb verbleibenden Einrichtungen: Prosper Haniel in Bottrop und Auguste Victoria in Marl. Untersucht werden soll, ob und an welcher Stelle diese Zechen nach Abschluss der Kohleförderung 2018 technisch und wirtschaftlich machbar als Energiespeicher umgenutzt werden können. Die damit verbundenen Perspektiven sollen außerdem rechtlich und ökologisch bewertet werden.
Bislang ist das Problem der Speicherung regenerativer Energien noch ungelöst, denn die derzeit vorhandenen Kapazitäten reichen nicht aus. Gefragt sind alternative Technologien, etwa unterirdische Pumpspeicherwerke, die keine zusätzlichen Landschaftsflächen in Anspruch nehmen.
„Der Zeitpunkt zum Start des Projektes liegt günstig“, betont UDE-Prof. Dr. Eugen Perau, der als Geotechniker die Standsicherheit der untertägigen Strecken berechnet. Bis 2018, wenn die Steinkohleförderung in NRW ausläuft, muss geklärt sein, unter welchen Bedingungen diese Anlagen zur Energiespeicherung geeignet sind. Ohne Nachnutzung würden die Hohlräume verfallen und nach kurzer Zeit nicht mehr zu Verfügung stehen“, so Perau. Projektleiter Dr.-Ing. Peter Fischer vom Bergbaubetreiber RAG verdeutlicht den Gesamtzusammenhang: „Die RAG prüft systematisch die Nachnutzung der Bergbauinfrastruktur über- und untertage. Die Möglichkeiten einer Realisierung von Pumpspeicherkraftwerken sind attraktiv. Aber wir prüfen auch Geothermie und Grubenwasserwärmenutzung als Optionen in weiteren Projekten. Mit diesen Aktivitäten und Themen ist die Region international Vorreiter.“
Mehr Fallhöhe als in den Alpen
Unterflurpumpspeicherkraftwerke (UPW) nutzen die Höhendifferenz als Fallhöhe aus, deshalb ist das Schacht- und Streckensystem des Reviers mit Höhenunterschieden von z.T. mehr als 1.000 Metern besonders dafür geeignet: Bei hohem Strombedarf wird Wasser aus hochgelegenen Speicherbecken abgelassen und zur Stromerzeugung über eine Turbine in den unteren Speicher, den stillgelegten Strecken geführt. Wird mehr Wind- oder Solarenergie erzeugt als verbraucht werden kann, wird der überschüssige Strom verwendet, um das Wasser wieder zu heben. Prof. Dr. Ulrich Schreiber, UDE-Geologe und einer der Initiatoren des Projektes: „Vielleicht lässt sich noch zusätzlich Energie gewinnen durch die hohen Temperaturen, die in 1.000 Meter Tiefe herrschen. Dort unten ist prinzipiell so viel Wärme vorhanden, dass wir Teile des Ruhrgebiet damit beheizen können.“
„Es muss initial geklärt werden, ob und vor allem mit welchen Betriebsformen sich UPWs innerhalb der vorhandenen Energieinfrastruktur wirtschaftlich betreiben lassen“, führt Prof. Dr. Hermann-Josef Wagner aus. Ein Schwerpunkt, der von seiner Gruppe am Lehrstuhl für Energiewirtschaft und Energiesysteme an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) intensiv bearbeitet wird. Unterstützt wird dies durch die Beteiligung des Fachgebiets Elektrische Anlagen und Netze der UDE, Prof. Dr.-Ing. Istvan Erlich.
Im neuen Projekt werden die Potenziale erfasst, die Machbarkeit für verschiedene Ausführungen abgeschätzt sowie konkrete Standorte definiert. Berücksichtigt werden die geologischen und geographischen Randbedingungen, der technisch-ingenieurwissenschaftliche Aufwand und die Wirtschaftlichkeit, die Machbarkeit für Bau und Betrieb, energiewissenschaftliche Aspekte, rechtliche und sozio-ökologische Gesichtspunkte, die Akzeptanz in der Bevölkerung sowie die Arbeits- und Betriebssicherheit.
Technische Herausforderungen im Anlagenbau
Die Herausforderungen für den Betrieb eines Pumpspeicherwerkes unter Tage sind komplex. Dort, wo heute alle Anlagen explosionsgeschützt betrieben werden, soll zukünftig ein Generatorenbetrieb möglich sein. „Technisch anspruchsvoll, aber mit entsprechenden Maßnahmen möglich. Der Bergbau und die beteiligten Firmen in der Region verfügen über ein umfassendes Knowhow zur Lösung derartiger Fragestellungen“, so Dipl.-Ing. Jens-Peter Lux vom Projektpartner DMT.
So befasst sich ein Arbeitsbereich auch mit dem bau- und maschinentechnischen Konzept von UPWs. Untersucht werden u.a. die aktuellen Turbinen- und Antriebstechniken sowie die erforderlichen Speichervolumina. Niemann: „Eine Herausforderung besteht darin, die technische Anordnung und Organisation der Wasserverarbeitung und -verteilung unter Tage aus hydraulischer Sicht zu optimieren.“ Geplant ist auch die Machbarkeit für die ausgewählten Standorte im Modell zu demonstrieren.
Mit Umfragen und Medienanalysen soll darüber hinaus die gesellschaftliche und politische Akzeptanz von UPWs in der Bevölkerung erfasst werden. Eine repräsentative Vorab-Befragung durch den Projektpartner RISP zeigte bereits, dass ein solches Projekt im Ruhrgebiet in hohem Maße akzeptiert wird.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der Einfluss von UPWs auf aquatische Ökosysteme, wird von den UDE-Hydrobiologen untersucht. Die maßgeblichen rechtlichen Betrachtungen werden durch das Institut für Berg- und Energierecht der Ruhr-Universität Bochum erarbeitet. Weiterhin beteiligt ist das Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik ebenfalls von der Ruhr-Universität Bochum.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. André Niemann, T. 0201/183.2225, andre.niemann@uni-due.de
Redaktion: Beate H. Kostka, Tel. 0203/379-2430
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