Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen

UB-Ausstellung löst Diskussion aus

Offen miteinander reden

[03.07.2013] Selten wurde über eine Ausstellung in der Uni-Bibliothek (UB) der Universität Duisburg-Essen (UDE) so kontrovers diskutiert. Seit dem 23. Mai waren im UB-Foyer studentische Poster aus der Anglistik ausgestellt, in denen die Erzähltechniken und Inhalte von zwölf Graphic Novels erläutert wurden. Die Plakate spiegeln einen gemeinsamen Reflexionsprozess zu einer mittlerweile weit verbreiteten Gattung in der Gegenwartsliteratur wider. Zu sehen waren studentische Texte zur jeweiligen Erzähltechnik, ergänzt durch kritische Bildanalysen.

Einige Tage vor dem regulären Ausstellungsende erregten zwei der ausgestellten Poster, u.a. eine Collage mit verschiedenen Szenen aus Craig Thompsons Orient-Comic „Habibi“, den Unmut bei einigen muslimischen Studierenden. Sie fühlten sich in ihren religiösen Empfindungen verletzt und beklagten dies vehement. Überlegungen seitens der Bibliotheksleitung, eine Diskussion zwischen den beteiligten Gruppen herzustellen, mussten zunächst zurück gestellt werden, weil sich die Ereignisse kurz darauf verselbständigten: Am 17. Juni hing eine Studentin ein Plakat auf eigene Faust ab; am 24. Juni ein zweites, das sich mit einem Roman zur Situation im gegenwärtigen Israel befasst. Mit einer in der Nähe liegenden Schere schnitt sie Bildinhalte heraus und übergab den Torso der Bibliotheksleitung.

Daraufhin wurde die Ausstellungsdauer aus Protest gegen die erfolgte Zensur verkürzt. „Eine teilzensierte Ausstellung hätte als Eingeständnis einer Schuld gewertet werden können, was auf jeden Fall vermieden werden sollte" - dies betonten sämtliche Professorinnen und Professoren des Instituts für Anglophone Studien in einer gemeinsamen Stellungnahme. Außerdem galt es, die Studierenden zu schützen und einen normalen Bibliotheksbetrieb zu gewährleisten.

Damit ist der Vorfall für die Universität jedoch keineswegs abgeschlossen. Rektor Radtke: „An einer Universität darf es keine Denkverbote geben. Schließlich ist die Universität ein Ort der Toleranz und Wissenschaftsfreiheit. Es entspricht dem Wesen des wissenschaftlichen Diskurses, auch gegensätzliche Standpunkte auszuhalten. Dennoch lassen wir gerade durch Islamwissenschaftler prüfen, inwieweit die Plakate gegebenenfalls religiöse Gefühle verletzt haben könnten. Aber unabhängig davon rechtfertigt dies in keiner Weise das eigenmächtige Verhalten der Studentin. Dies werden wir ihr gegenüber auch deutlich zum Ausdruck bringen. Weitergehende juristische Schritte behalten wir uns vor.“

Anglistikprof. Frank-Erik Pointner: „Wir stellen uns gern der Debatte, die wir mit der Ausstellung ausgelöst haben. Wissenschaft ist schließlich Dialog.“ Bibliotheksdirektor Albert Bilo ergänzt: „Eine Bibliothek ist ein zensur- und kontrollfreier Raum zur vorurteilsfreien Information.“ Geplant ist, die Ereignisse der vergangenen Tage in einem gemeinsamen Diskurs objektiv aufzuarbeiten. Die aufgeworfene Grundfrage („Hochschule und Meinungsfreiheit“) soll in einem wissenschaftlichen Kolloquium kritisch diskutiert und eingeordnet werden.

Zu den Vorgängen der vergangenen Tage äußerte sich am 3. Juli die im UDE-Studierendenparlament vertretene hochschulpolitische Liste „Studierende-Muslime Für Gerechtigkeit (S-MFG)“. Insbesondere in der medialen Berichterstattung werde keine Rücksicht darauf genommen, dass eine Studierende als Privatperson agierte und keinesfalls die Position der muslimischen Studierenden repräsentiere. Ahmed Abdulwahid: „Die Meinungsfreiheit ist selbstverständlich ein Wert, welcher außer Debatte steht. Zugleich gibt es in jeder Gesellschaft rechtliche und konventionelle Tabus oder Sensibilitäten. Dass diese von Zeit zu Zeit diskutiert werden, ist völlig normal und wichtig. Die aufmerksame Öffentlichkeit ist gebeten, sich während dieses Prozesses nicht von Scharfmachern jeglicher Couleur irritieren zu lassen. So manche Darstellung war deutlich dramatisiert und weniger lösungsorientiert. In einem vertrauten und weniger emotionsbeladenen Rahmen, wie wir ihn an der Universität gewohnt sind, möchten wir diese Problematik diskutiert wissen.“

In der Senatssitzung vom 5. Juli informierte der Rektor das Hochschulparlament über den gesamten Vorgang. In der anschließenden Debatte unterstützten die Senatoren einhellig die bisherige Linie der Hochschulleitung, die nach notwendiger Sachstandsklärung eine verantwortungsvolle Bewertung sicherstellt und das Umsetzen angemessener Maßnahmen. Prorektorin Ute Klammer kündigte an, eine Arbeitsgruppe einzurichten, um das geplante Kolloquium vorzubereiten.

(aktualisierte Fassung vom 5. Juli)

Redaktion: Beate H. Kostka, Tel. 0203/379-2430

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