Tagungsrückblick: Praxis
Vortrag von Friederike Reher Intersektionalität und Hypertext
Intersektionalität ist ein zentrales Paradigma der Frauen- und Geschlechterforschung, in dem das Zusammenwirken unterschiedlicher sozialer Kategorien wie etwa Geschlecht, "Rasse" oder Klasse in den Mittelpunkt der Analyse gesellschaftlicher Macht-, Herrschafts- und Normierungsverhältnisse rückt. Wie können diese analytischen und forschungspraktischen Herausforderungen Studierenden in Lehrveranstaltungen vermittelt werden? In dem Projekt "Interdependenzen und Hypertext" konzipierten Prof. Dr. Katharina Walgenbach und Friederike Reher von der Bergischen Universität Wuppertal eine Lehr-Lern-Methode, welche die Komplexität intersektionaler Theorie und Forschung vermitteln helfen soll. Sie basiert auf Hypertext, einem Format, das verschiedene Texte vernetzt - sie also nicht linear - abbildet. Informationen werden durch Querverweise ("Hyperlinks") zwischen Hypertext-Knoten verknüpft. Die Struktur der Texte ist assoziativ und nicht hierarchisch aufgebaut, was eher der Funktionsweise des menschlichen Denkens entspricht. Ziel des Projektes ist es herauszufinden, inwiefern Hypertextformate neue Impulse für interdependente/intersektionale Studien bieten können.
In einem Lehrforschungsprojekt wurde gemeinsam mit Studierenden erprobt, wie ein linearer Text mit intersektionalen Inhalten ("Weiße Identität und Geschlecht" von Katharina Walgenbach) in Hypertextstrukturen (Wikis) umgewandelt werden kann. Die Studierenden hielten den Arrbeitsprozess in einem Lerntagebuch fest. Im zweiten Teil des Projektes wurde ein interaktiver 3-D-Graph erstellt, der die komplexen Wechselverhältnisse in Bezug auf gesellschaftliche Macht-, Herrschafts- und Normierungsprozesse in Hypertextformaten visualisiert.
Mehr Informationen zum Projekt: portal-intersektionalitaet.de/experimentierraeume/interdependenzen-hypertext/
Vortrag von Sabrina Schramme Gendering Disability - Gender in den Rehabilitationswissenschaften
Was impliziert die Bezeichnung "Behinderung"? Wann wird diese Bezeichnung bei wem verwendet? Mit welchen Folgen? Wie wirkt Geschlecht in diese sozialen Zuschreibungsprozesse hinein? Wird etwa „sonderpädagogischer Förderbedarf" bei Jungen und Mädchen unterschiedlich gefasst, da bei Jungen eher ein 'klassisches Normalarbeitnehmerverhältnis' vorausgesetzt wird?
Die Verhältnisse zwischen Behinderung und Geschlecht sind Gegenstand des Lehrgebiets "Frauenforschung in Rehabilitation und Pädagogik bei Behinderung" an der Technischen Universität Dortmund, das von Sabrina Schramme vorgestellt wurde. Sie skizzierte, was im Bereich der Hochschullehre der Rehabilitationswissenschaften in Bezug auf Gender-Aspekte zentral ist: Im Fokus steht dabei v.a. die Analyse der Geschlechterverhältnisse innerhalb und zwischen Personengruppen, d.h. die von Behinderung betroffenen Menschen, Eltern, Geschwister, ErzieherInnen, PädagogInnen und LehrerInnen. Im Fokus der Analyse stehen mögliche geschlechterbezogene Hierarchien, in denen sich die Personengruppen bewegen. Verschränkt werden dabei Theorie- als auch Praxis. Zentral ist dabei die Frage wie Erziehung, Rehabilitation, Integration/Inklusion, selbstbestimmtes Leben von hierarchischen Verhältnissen befreit werden können und wie eine geschlechterbewusste Pädagogik gestaltet werden kann.
Im zweiten Teil des Vortrags widmete sich Sabrina Schramme den Geschlechterverhältnissen im Fachgebiet Rehabilitationswissenschaften. Auffällig ist hier, dass die Anteile des weiblichen wissenschaftlichen Personals nicht dem Anteil der Studentinnen entsprechen. Nur etwa 10% der Studierenden sind männlich, hingegen jedoch 50% der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und ProfessorInnen.
Homepage des Fachgebiets (Forschungsprojekte): http://www.fk-reha.tu-dortmund.de/Frauenforschung/cms/de/Forschung/index.html
Vortrag von Kristin Probstmeyer Online-Kurs 'Gender und Diversity im Berufs- und Privatleben'
Fragen und Inhalte der Frauen- und Geschlechterforschung in die Lehrinhalte einer Technischen Hochschule einbinden - wie kann das gelingen? Eine Möglichkeit sind reine E-Learning-Veranstaltungen. E-Learning-Angebote werden verstärkt von Seiten der Studierenden nachgefragt. Sie erlauben eine flexiblere Einteilung der Lernzeiten was vor allem für berufstätige/jobbende Studierende oder Studierende mit Familienpflichten vorteilhaft ist.
An der TU Ilmenau haben Prof. Dr. Nicola Döring und Kristin Probstmeyer im Rahmen des Projektes GeniaL einen Online-Kurs entwickelt, der zentrale Aspekte der Frauen- und Geschlechterforschung aufgreift und an der Lebenswelt und den Interessen der Studierenden ausgerichtet ist: "Gender und Diversity im Berufs- und Privatleben". Der Kurs befasst sich „anschaulich und zur Selbstreflexion anregend mit der Unterschiedlichkeit von Menschen hinsichtlich diverser Merkmale (Diversity) wie z.B. Alter, kultureller Hintergrund, Religion, Behinderung, sozialer Status, sexuelle Orientierung und nicht zuletzt auch Geschlecht (Gender)." Darüber hinaus werden Grundlagen zur Entwicklung von Gender- und Diversity-Kompetenz gelegt. Der Kurs wird seit dem Winteresemester 2011/2012 im Studium generale über die Lernplattform Moodle angeboten und richtet sich an alle interessierten Studierenden der TU Ilmenau. Er beinhaltet 14 Lerneinheiten, jeweils aufgeteilt in eine thematisch einführende Präsentation, einen Grundlagentext sowie ein Lernquiz. Der Einstieg erfolgt über das Thema Menschenrechte und geht über in verschiedene Anwendungsfelder wie z.B. Identität und Sexualität, Paarbeziehung und Familie, Gesundheit, Sport, Medien, Technik u.v.m. Abgeschlossen wird der Kurs mit einer Hausarbeit zu einem Thema nach Wahl. Insgesamt findet das Angebot großen Anklang bei den Studierenden der TU.
Mehr Informationen zum Online-Kurs: www.tu-ilmenau.de/?id=22353