Literaturwissenschaftliches & literaturdidaktisches Kolloquium

Das Literaturwissenschaftliche & literaturdidaktische Kolloquium ist eine langjährige etablierte Vortragsreihe, in der eine Vielzahl von renommierten Mitgliedern der Scientific Community und jüngere Nachwuchswissenschaftler*innen ihre Forschungen zur Diskussion stellen.

Aktuelles

Das literaturwissenschaftliche & literaturdidaktische Kolloquium am germanistischen Institut der Universität Duisburg-Essen findet im Wintersemester 2024/25 mittwochs, 18:00 c.t. in R11 T04 C45 statt. Externe Gäste sind herzlich eingeladen.

 

Programm Wintersemester 2024/25

 

30.10.2024: Prof. Dr. Imke Meyer (University of Illinois Chicago): „Ein Roman, der keiner mehr ist": Gattung und Geschlecht in Schnitzlers Therese (1928)

Arthur Schnitzlers Therese. Chronik eines Frauenlebens (1928) führt uns schonungslos vor Augen, dass der Stoff, aus dem Bildungsromane geschneidert werden, für eine weibliche Figur wie Therese nie ein Gewand wird abgeben können. Stattdessen wird Thereses marginale Existenz eingekleidet in die Form der Chronik, deren realistischer Erzähler unsentimental zur Sprache bringt, was der bürgerliche Roman über seine Frauen verschweigt. So meinte denn auch Thomas Mann, die von ihm sehr geschätzte Therese sei ein Roman, der, "wie alle guten und wichtigen heute, keiner mehr ist." Schnitzlers Text führt dem Lesepublikum der Zwischenkriegszeit die letzten Jahre des Habsburgerreiches vor als eine Welt, in der die zunehmend verdinglichten Verhältnisse der postimperialen Ära bereits angelegt sind. Schnitzlers Therese instantiiert ein Erzählen, das von den entfremdeten Verhältnissen der Welt, die es vor Augen führen wollte, immer wieder unterlaufen wird. Die Entfremdung wird so in Schnitzlers Text zur Signatur des Erzählens selbst - nicht allererst das Erzählte, sondern vielmehr dessen Form wird zum Kronzeugen einer unwiderruflichen Verdinglichung der Welt und eines Sinnhaftigkeitsversprechens, das nicht mehr eingelöst werden kann.

 

06.11.2024: Prof. Dr. Anne Fleig (Freie Universität Berlin): Polyphonie und Pluralität: So klingt Berlin!

Die Vorstellung meines Projekts zielt auf die Entwicklung der Berlin-Literatur im Horizont von Migration und Mobilität. Urbane Poetik wird oft als visuell, die Stadt als Text wahrgenommen. Ich möchte zeigen, dass es der Raum und mit ihm der Klang der Stadt ist - die Stimmen der Menschen und ihre Sprachen, der Straßenlärm oder die Musik -, die in besonderer Weise zur Wahrnehmung Berlins als Metropole beitragen. In frühen Texten wie E.T.A. Hoffmanns „Des Vetters Eckfenster“ (1822), aber auch in Alfred Döblins großem Roman „Berlin Alexanderplatz“ (1929) oder Tomer Gardis „broken german“ (2016) prägen Raum und Sound Berlin und seine Literatur. Aus affekttheoretischer Sicht soll diskutiert werden, inwiefern die Klänge Berlins an die Pluralität der Stadt und die polyphone Struktur ihrer Literatur gebunden sind.

 

20.11.2024: Dr. Christian Hißnauer (Humboldt-Universität zu Berlin): Bilder aus der Neuen Welt(-Ordnung): Die Politisierung des Westens im Fernsehen der 1950er Jahre

In den 1950er Jahren beginnt im geteilten Deutschland der regelmäßige Fernsehprogrammbetrieb – und das relativ zeitgleich in beiden deutschen Staaten. Das bundesweit empfangbare Deutsche Fernsehen der ARD sendet seit 1954, der Deutsche Fernsehfunk (DFF) geht offiziell 1956 auf Sendung.

In dem Vortrag geht es vor allem um die Politik des Programms, also die tatsächlich ausgestrahlten Sendungen, weniger die institutionelle oder ‚politische' Medienpolitik. Gleichwohl spielen diese immer auch mit hinein. So ist das Fernsehprogramm in der BRD bereits in den 1950er Jahren ein Politikum. Dies sieht man bspw. daran, dass ein Fernsehspiel wie Besuch aus der Zone, 1958 von Rainer Wolffhardt für den Süddeutschen Rundfunk (SDR) realisiert, zum Gegenstand einer Bundestagsdebatte über das privatwirtschaftliche Fernsehen wird; als Negativbeispiel für das ARD-Programmangebot – aber auch als Beispiel für deutsch-deutsche Medienpolitik.

Der Vorwurf der Linkslastigkeit begleitet die ARD seit dieser Zeit und hat sich als festes Narrativ etabliert. In den 1970er Jahren führte die sogenannte „Rotfunkkampagne" sogar zur Kündigung des NDR-Staatsvertrages. Aber auch in den vergangenen Jahren wird dieser Vorwurf wieder verstärkt bemüht. In unserem Zusammenhang bleibt dabei nicht uninteressant, dass Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff der Meinung ist, dass ARD und ZDF immer noch Westfernsehen sei. Bis heute begegnet uns also irgendwie ‚der Westen' als Bezugspunkt des deutschen Fernsehens.

 

Programm Sommersemester 2024

17.04.2024: Prof. Dr. Rochelle Tobias (Johns Hopkins University): Countenancing the Stars: Thinking and Being in Rilke’s Spanische Trilogie

The shepherd in Rilke’s Spanische Trilogie (1913) is often said to evince a new mode of being in which the self and nature no longer stand opposed to each other but exist in a relation of mutual dependency. In this paper I will argue that the shepherd is a more complex figure in his dual role as a visible finite body and an invisible celestial body whose sole activity lies in thinking itself continually and in so doing generating a world. Taking as its point of departure Aristotle’s notion of the Unmoved Mover as the divine intellect, this paper contends that being and intelligibility are inseparable terms not only in Aristotle's Metaphysics but also in Rilke’s later work. Nowhere is this more evident than in the shepherd, who, on the one hand, inhabits the landscape as a discrete figure and, on the other, encompasses it as the intellect that sustains it as something thought and as a poem in the making. I will conclude this discussion by drawing a link between the act of thinking and the objects thought in Aristotle and noesis and noema in classical phenomenology.


05.06.2024: Dr. Philipp Böttcher (Universität Duisburg-Essen): Mittelschichtsfiktionen und gebrochene Bildungsversprechen.
Zur Literatur der Abstiegsgesellschaft

Die Gegenwartsliteratur zeugt international von einem in den vergangenen Jahrzehnten gewachsenen kollektiven Bewusstsein sozialer Spaltungen. Dass zunehmend eine deutschsprachige ‚Literatur der ‚Abstiegsgesellschaft‘ mit soziologisch-seismographischem Gespür für die jüngeren gesellschaftlichen Wandlungsprozesse sichtbar werde, bemerkte Oliver Nachtwey schon 2016. Der Vortrag skizziert einige Perspektiven auf diese Literatur. U. a. soll diskutiert werden, wie sich gegenwärtige Abstiegserfahrungen im Erinnerungshorizont einer Zeit der ‚sozialen Moderne‘ spiegeln, auf welche Weise literarische Texte das wirkmächtige Selbstbild von der Mittelschichtsgesellschaft fortschreiben bzw. hinterfragen, und welche Verengungen sich aus der Fokussierung auf autosoziobiographische Bildungsaufstiegserzählungen ergeben.


19.06.2024: Dr. Sebastian Schirrmeister (Universität Hamburg): Sprachmigrant, Ruhestörer, Preisträger: Tomer Gardi im deutschsprachigen Literaturbetrieb

Der israelische Schriftsteller Tomer Gardi ist ein Phänomen im deutschsprachigen Literaturbetrieb. Seine einzigartig widerständigen, im besten Sinne unkonventionellen Texte, die teils auf Hebräisch, teils in gebrochenem Deutsch entstehen, sorgen für sprachliche Irritationen und kulturpolitische Diskussionen, sind Gegenstand literaturwissenschaftlicher Arbeiten und gelten spätestens seit der Leipziger Buchmesse 2022 als preiswürdig. Der Vortrag folgt Gardis literarischen Suchbewegungen zwischen Sprachen und Kulturen, fragt nach der Macht des Erzählens, nach bewusster Unübersetzbarkeit und versucht, das Phänomen Tomer Gardi in einer imaginären Literaturgeschichte „jüdischer Dichter deutscher Zunge" (Max Brod) sowie im Kontext deutsch-hebräischer Literaturbeziehungen in der Moderne zu verorten.

 

10.07.2024: Dr. Caroline Frank (Universität Tübingen): Digitale Formen der Literaturkritik – BookTok bis Bookstagram

Im Vortrag werden verschiedene Formen der Literaturkritik im World Wide Web exemplarisch vorgestellt und auf ihre Funktionen sowie die in ihnen transportierten Maßstäbe zur Wertung von Literatur hin untersucht. Besonders bei den neueren digitalen Formen von Literaturkritik werden dabei auch die Affordanzen, d.h. die Möglichkeiten und Grenzen der jeweiligen Plattform, auf der sie publiziert werden, berücksichtigt. An konkreten Beispielen soll zudem gezeigt werden, wie digitale Formen von Literaturkritik (BookTok, Bookstagram etc.) den Buchmarkt verändern und wie andererseits die Contenterzeuger:innen von anderen Akteur:innen im literarischen Feld (Verlage, Autor:innen) beeinflusst werden.

Das Programm-Archiv der vergangenen Jahre im Überblick

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