Charakteristika des Werks

Junge Talente

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Inhaltsangaben und Interpretationsansätze [ ↑ ]
In Kubiczeks Debütroman Junge Talente wird die Geschichte eines jungen Mannes in den letzten DDR-Jahren erzählt. Der Protagonist Less verlässt die heimatliche Provinz und geht nach Ostberlin, um Lyrikern, Punks und Dandys in der Ostberliner Bohème-Szene zu lauschen. Nicht nur dem Protagonisten, sondern auch dem politischen System und der DDR stehen Veränderungen bevor.
Less hatte schon früh eine Abneigung gegen die provinzielle Lebensart seiner Mitmenschen. Dies macht ihn zum Außenseiter der kleinstädtischen Gesellschaft, worunter er jedoch nicht leidet. So bringt der Held seine oppositionelle Haltung vor allem durch einen ausgefallenen Haarschnitt und Kleidungstil zum Ausdruck und beabsichtigt damit bewusst seine Abgrenzung von Gleichaltrigen. Mädchen spielen auf seinem persönlichen Entwicklungsweg immer wieder eine wichtige Rolle: Delia, seine Klassenkameradin, die liberale Eltern westlicher Herkunft hat und seine Cousine Radost aus Ostberlin, deren Weiblichkeit und Offenheit schließlich dazu führen, dass er sich auf die Reise nach Ostberlin macht. Dort verliebt er sich in Irenchen, mit der er erste Liebeserfahrungen macht, sie zieht jedoch mit ihren Eltern in den Westen nach München. Mit Dani, der selbstbewussten Punk-Bassistin, hat er zum ersten Mal Geschlechtsverkehr. Nach einer kurzen Beziehung wird er jedoch von ihr verlassen.
In einem düsteren, leicht pessimistischen Erzählton, aus personaler Perspektive, werden die Einflüsse der wechselnden Jahreszeiten auf die Stadt im Ostharz beschrieben. Mit detaillierten und kontrastierenden Beschreibungen der bergigen Landschaft und des tristen Industriegebiets wird parallel die trostlose Situation und gleichgültige Haltung des jungen Helden in der Provinz geschildert: „Der Januar also legte das Leben auf Eis und deckte es später mit einer Schneeschicht zu. Im Frühjahr schmolz das Zeug und sickerte in die Gullys der städtischen Kanalisation. Kurz darauf brach die Zeit des Ungeziefers an, die der lärmenden Kindergruppen und stockbewehrten Wanderer, die Zeit des unkontrollierbaren Niesens: Sommer. Hin und her gerissen zwischen touristischer Wurstbude und Schwerindustrie verharrte die Stadt.“ (61-62)*
In Ostberlin angekommen bleibt Less für einige Wochen bei seinem Onkel Wanja zu Besuch und lernt auf einer Party dessen Freundeskreis und die Ostberliner Bohemien-Szene kennen. Er kommt in Kontakt mit Anarchisten und der Ostberliner Punk-Szene, in der er sich jedoch nicht so wohl fühlt. Nachdem er in eine eigene Wohnung eingezogen ist, als Postbote einen großen Teil der Großstadt kennengelernt und mit unterschiedlichen Frauen und Männern sexuelle Erfahrungen gesammelt hat, beschließt er am Ende doch wieder in seine Heimat zurückzukehren. Sein Entschluss ist bedingt durch die Verhaftung seines Onkels, der zufällig bei einem jährlichen Umzug „zum Gedenken an die zwei Arbeiterführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht“ (217) dabei gewesen ist.
Obwohl viele Beschreibungen die ostdeutschen Verhältnisse der letzten DDR-Jahre wiedergeben, werden politische Themen nur beiläufig angesprochen oder nur als Ansichten von Romanfiguren dargestellt. Durch zahlreiche Beschreibungen und Beobachtungen sowie Eindrücke des Helden liefert Kubiczek in Junge Talente eine authentische Darstellung der DDR-Wirklichkeit.

Lesung und Gespräch (27.08.2002 – Literarisches Colloquium Berlin)

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Pressespiegel [ ↑ ]
Für seinen Debütroman Junge Talente, der als Heimatroman, Bildungsroman, Entwicklungsroman oder Pubertätsroman gelesen wird, bekommt Kubiczek in der Presse sehr viel Lob. Er wird der Programmatik des Romantitels folgend selbst als junges Talent von der Kritik wahrgenommen. Das Thema von Ost-West Spannungen nach der Wende, dem Kubiczek in all seinen Werken treu bleiben wird, ist auf den ersten Blick kein neues, „nicht viel mehr als die Ostvariante des üblichen pubertären Desillusionierungsreigens“, schreibt Andreas Nentwich in Die Zeit. Allerdings gelinge Kubiczek „die Erzeugung einer Gegenwelt zum falschen Leben“, die authentisch und wahrhaftig aus einer privat wirkenden Perspektive den Werdegang des Helden beschreibt und das „ohne jeden faden nostalgischen Beigeschmack“, wie Michael Grus anmerkt (Frankfurter Rundschau). Die Detailtreue Kubiczeks, die atmosphärische und lebendige Beschreibungen und ein Spektrum verschiedenster Lebensarten und plastische Romanfiguren mit unterschiedlichen Redensweisen und Jargons hervorbringe, mache ebenso die Qualität des Romans aus wie der belustigt kritische Blick, mit dem Kubiczek die Prenzlauer Berg-Szene aufs Korn nimmt. Sein scharfer Blick und der Zorn in seiner Sprache verpassen ihm den Titel „angry young man“ (Hannes Schwenger, Die Welt), der ihn weiter begleiten wird. Seinen eigenen Stil habe er aber noch nicht gefunden, er vergreife sich an abgegriffenen DDR-Symbolen und könne seinen Erzählton nicht durchgehend halten, was zu ungewollten Stilbrüchen führe. Dabei ist die Prägnanz seiner Sprache gerade das, was ihn auszeichnet, findet Nentwich: „Er kann aus wenigen Worten den Kulminationspunkt schlagen, an dem eine Stimmung umkippt […], kann aus wunderbaren Miniaturen die Liebe keimen lassen.“ (Die Zeit)

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Forschungsspiegel [ ↑ ]
In der Forschung wurde André Kubiczek bisher nur vereinzelt wahrgenommen. Nur seine beiden ersten Romane, Junge Talente und Die Guten und die Bösen, sind bislang in der Forschung diskutiert worden.

Nach-Wende-Literatur
Kubiczek gehört zu den Autoren der Nachwende-Literatur. Weitere Schriftsteller*innen der Nachwende-Literatur, d. h. SchriftstellerInnen, die „Neuschreiben“ (vgl. Helbig 2007, S. 6) nach der Wende, sind z. B. Jana Hensel (Zonenkinder), Claudia Rusch (Meine freie deutsche Jugend) oder Daniel Wiechmann (Immer bereit! Von einem jungen Pionier, der auszog, das Glück zu suchen). Kennzeichnend für die Nach-Wende-Narrationen ist, dass die historischen Ereignisse und Fakten, d. h. der Mauerfall und die Wiedervereinigung, lediglich den thematischen Hintergrund im Roman oder in der Erzählung bilden. Zudem stehen die durch die historischen Ereignisse ausgelösten gesellschaftlichen Prozesse im Zentrum (vgl. Lüdeker/Orth 2010, S. 8).

Kindheit und Jugend in der DDR
Hannes Krauss bezeichnet Kubiczeks Debütroman Junge Talente als „witzigen Adoleszenzroman“ (Krauss 2007, S. 97), in dem der Protagonist „nebenbei den Mythos von der ostdeutschen Bohème-Metropole demontiert.“ (ebd.) Nicht nur bei Kubiczek wird die Kindheit thematisiert, auch Autorinnen wie Julia Franck (Lagerfeuer) oder Katja Oskamp (Halbschwimmer) beschreiben die DDR-Kindheit in ihren Wendetexten und stellen somit unterschiedliche Erinnerungsliteratur dar (vgl. Krauss 2007, S. 99).
Geert Crauwels bespricht in seinem Aufsatz neben Junge Talente von Kubiczek auch Mein erstes T-Shirt von Jakob Hein und Claudia Ruschs Meine freie deutsche Jugend. Den drei Texten sei „die literarische Verabschiedung von Kinder- und Jugendjahren in einer untergehenden Staatsordnung und das literarische Ringen um Wahrheit und Identität in der ideologisierten Diskursgemeinschaft eines totalitären Staates“ (Crauwels 2007, S. 63) gemeinsam. Kubiczeks Protagonist empfindet sich als Außenseiter, er will kein Opfer der politischen Machenschaften sein und stellt dies nicht nur durch sein Äußeres zur Schau. Identität heiße für Less Anderssein und „konturiert sich ex negativo mittels einer Flucht aus dem Alltag.“ (Crauwels 2007, S. 66) So seien die letzten ,wirklichen‘ DDR-Autoren wie Kubiczek auf der Suche nach Identität und Authentizität, was sich durch die Zurückweisung der ideologisch-propagandistisch verfälschten Öffentlichkeit zeige (vgl. Crauwels 2007, S. 72). So müsse sich das jeweilige Individuum durch Abgrenzung zuerst dem ideologischen Diskurs entziehen, um anschließend zu seiner Identität gelangen zu können. Gerade in Kubiczeks Roman sind Kritikpunkte jedoch nur zwischen den Zeilen lesbar. Somit ist die kritische Auseinandersetzung mit der DDR auch eine Reflexion der Sprache. „Jakob Hein, André Kubiczek und Claudia Rusch, die ,kollektiven Kinder der letzten echten DDR-Generation‘, haben mittels ihrer lauschenden Erinnerungsarbeit versucht, der Wahrheit ihrer Kindheit ihre eigene Stimme zu geben“ (Crauwels 2007, S. 81).

Generationenroman
Julia Bertschik zählt Kubiczeks Roman zu denen der Gegenwartsliteratur, die im Bereich der Generation Praktikum angesiedelt sind und die ihre postadoleszenten Protagonisten sowie das aktuelle Protest- und Provokationspotenzial in unterschiedlichen Konzepten darstellen (vgl. Bertschik 2007, S. 71). Damit bringt sie Kubiczek in Verbindung mit Christian Kracht und Sven Regener, in deren jeweiligen Debütromanen Faserland bzw. Herr Lehmann ebenfalls postadoleszente Protagonisten im Zentrum stehen. In Junge Talente führe Kubiczek vor dem Hintergrund der letzten DDR-Jahre „am unkonventionellen Habitus seiner ostdeutschen Bohemiens, Dandies und Punks die dandyistische Maxime vor“ (Bertschik 2007, S. 76), wie das Talent verschleudert werde. Darüber hinaus konfrontiere Kubiczek die Vertreter der Generationen der westöstlichen Dekadenz miteinander, wobei seine Sympathien klar der jungen Ostgeneration angehören würden. Das Ende des Romans veranschauliche zudem noch einmal die „inneren Begrenzungen der DDR-Endzeit“ (Bertschik 2007, S. 77).

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Die Guten und die Bösen

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Inhaltsangaben und Interpretationsansätze [ ↑ ]
In Die Guten und die Bösen wird ein Gesellschaftspanorama der neuen deutschen Hauptstadt Berlin im ausgehenden 20. Jahrhundert präsentiert. Episodenhaft und mit großer Perspektivenvielfalt bringt Kubiczek nicht die guten, sondern vor allem die bösen Seiten dieser Gesellschaft zum Vorschein: Es geht um die unterschiedlichen Folgen der Wiedervereinigung für die Menschen in Ost und West, revolutionäre Zellen, anarchistische Hacker, Medienkritik, Sex und Perversion sowie die imperialistische Vergangenheit Deutschlands. Die insgesamt 14 zentralen Figuren, die jeder für sich eigene sich zum Teil überkreuzende Handlungsstränge bilden, sind karikaturartig überzeichnet. Die Namen der Protagonisten sprechen für sich: Dr. Roberto Schwarzhaupt ist ein ,weißer‘ Afrikawissenschaftler an der Humboldt-Universität, Bolèmia Hetschel arbeitet als Redakteurin eines anspruchslosen, aber erfolgreichen Fernsehmagazins und der zwanzigjährige, aus Vietnam stammende Zeus bringt als Hacker weltweit Websites großer Konzerne zum Absturz. Den Rahmen bildet jedoch der Ich-Erzähler (die anderen Handlungsstränge werden bis auf eine Ausnahme aus einer personalen Perspektive erzählt) mit dem klingenden Namen Raymond Schindler. Die an Phillip Marlowe, den berühmten Detektiv von Raymond Chandler, angelehnte Figur ist zum einen als Privatdetektiv mit vielen der Figuren verbunden. Vor allem aber entpuppt sie sich als Schöpfer des Romans. Der Text selbst liefert die Entschlüsselung des erzählerischen Gerüsts, aus dem Die Guten und die Bösen gemacht ist, wenn Raymond Schindler über den Roman sinniert, den er als Ghostwriter für seine Cousine Nadine Dunkel schreiben soll: „Ich notierte für Nadine, dass die vordergründige Handlung von einer zweiten durchkreuzt werden müsse – in Klammern setzte ich dritte, vierte, fünfte usf. –, eine Nebenhandlung, die ich […] subplot nannte. Ich lieferte auch gleich ein paar Themenbereiche für solche Nebenhandlungen mit: Mythologisches (blutrünstig bis gleichnishaft); Geschichtliches (blutrünstig bis gedankenfördernd), Kriminalistisches (sehr blutrünstig, neue Umbringmethoden ersinnen!), und vor allem Sexuelles und dabei vor allem: abnorm Sexuelles (Praktiken am Rande des Nervenzusammenbruchs, aber ohne allzu viel Blut). Der Effekt, den ich mir davon erhoffte, war nicht mehr und nicht weniger als eine Verwirrung des Lesers, […] ein Camouflagebezug, den ich über den Text ziehen wollte, ein Tarnnetz für die Banalität […]. Mir schwebte ein Heer von Figuren vor, circa vierzig bis fünfzig, das über die Seiten wimmelte wie Fliegen und so nicht nur den Eindruck von Leben erzeugte, sondern auch von Vielfalt […].“ (227 f.)
Vulgarität und Geschmacklosigkeit ziehen sich durch alle Episoden und früher oder später offenbart jede Person ein mehr oder weniger unschönes Geheimnis. Dennoch scheint der Roman nicht darauf abzuzielen, den Leser schlichtweg zu schockieren, denn Ernst und Betroffenheit kommen durch den dynamischen Ton, in dem erzählt wird, nicht auf. Die Sprache ist temperamentvoll, geradezu impulsiv und die Erzählung nimmt dadurch ein gewisses Tempo auf. Sprachwitz bis zum Kalauer, Ironie und Zynismus machen den ständig mitschwingenden süffisanten Unterton aus.
Die bruchstückhafte Handlung, aus der sich der Roman zusammensetzt, weist bei genauem Hinschauen Linien und Beziehungen auf, die scheinbar getrennte Handlungsebenen und Figuren miteinander verknüpfen. Die einzelnen Geschichten spielen sich allesamt zwischen Charlottenburg, Berlin Mitte und dem Prenzlauer Berg ab. So kommt es, dass die Figuren sich unwissentlich begegnen, in Kontakt treten oder ihre Schicksale ineinanderlaufen: Dr. Schwarzhaupt pinkelt versehentlich den Detektiv Schindler, der in einem Busch lauert, an (vgl. 209/233) und Lord Nelson, ein Wellensittich, der zu sodomitischen Handlungen missbraucht wird, heckt einen Brand aus, bei der der Abgeordnete Kuno Neppes zu Tode kommt. Die Brandursache erfahren nur die LeserInnen, während die Figuren wie z.B. Bolèmia Hetschel sich die Brandursache nicht erklären können (vgl. 177ff./218ff.).

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Thematische Aspekte [ ↑ ]

Erzählweise
Kubiczek verwendet in seinen Texten verschiedene Erzählperspektiven und Erzähler, z.B. den Ich-Erzähler (vgl. Die Guten und die Bösen, Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn) oder den auktorialen Erzähler (vgl. Oben leuchten die Sterne). Die Perspektiven können auch je nach Figur bzw. Kapitel wechseln (vgl. Die Guten und die Bösen).
Kubiczek variiert das Tempo durch Wechsel von Zeitdehnungen und Zeitraffungen sowie durch Brüche in der Zeit durch Pro- und Analepsen. Seine Texte haben auch durch die Anachronie mitunter etwas Episodenhaftes (vgl. Die Guten und die Böse, Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn). Gerade auch durch Erinnerungen der Figuren werden Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft (vgl. Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn).
Nicht nur Landschaften werden ausdrücklich beschrieben und den LeserInnen damit vor Augen gestellt, sondern auch die Figuren werden mit vielen Details ausgeschmückt dargestellt, sodass plastische Charaktere entstehen. Ferner ist der Bezug zur Wirklichkeit in seinen fiktionalen Texten immer gegeben, indem durch Gesellschafts- und Sozialkritik deutlich Bezüge zur Gegenwart zu finden sind (vgl. Die Guten und die Bösen, Oben leuchten die Sterne).

Figuren
Kubiczeks Figuren sind oft erfolglose, lasterhafte und verzweifelte Helden (vgl. v.a. Kopf unter Wasser, Die guten und die Bösen). Die Charaktere sind teils ein bisschen skurril und zuweilen sehr besonders. Gerade die ,Anti-Helden‘ werden so von ihm in den Blick genommen und porträtiert. Dennoch sind die Figuren, die unterschiedlichen sozialen Milieus entstammen, nicht nur passiv, sondern auch politisch aktiv und vertreten teils extreme Meinungen (vgl. z.B. Sergej Eisenfaust in Die Guten und die Bösen).

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Formale Aspekte [ ↑ ]

Kubiczek als autobiografischer Autor und als Reiseautor
Viele seiner Texte weisen autobiographische Bezüge auf. So wird thematisch bspw. der Schriftsteller-Beruf bzw. die Journalismus-Karriere aufgegriffen (vgl. Die Guten und die Bösen: Stammler als Kolumnist und Schindler als Buchautor). Zudem haben die Figuren oft Bezüge zu Vietnam oder Afrika, d. h. sie verweisen auf die laotische Herkunft der Mutter des Autors. Vor allem in seinem letzten Roman Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn sind die autobiografischen Bezüge sehr stark: Kubiczek erzählt die Liebes- und Lebensgeschichte seiner Eltern.
Ferner ist Kubiczek auch als Reiseautor zu verstehen. So finden sich viele Landschaftsbeschreibungen in seinen Texten, Orte und Länder werden genau beschrieben und dargestellt: z. B. Afrika (vgl. Die Guten und die Bösen), der Harz (vgl. Oben leuchten die Sterne, Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn), Laos (vgl. Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn) oder die Uckermark (Kopf unter Wasser).

Berlin
Wie viele andere Gegenwartsautoren taucht auch bei Kubiczek die Stadt Berlin als Ort der Handlung, als Hintergrund oder als historisch bedeutend auf (Die Guten und die Bösen, Oben leuchten die Sterne). Der Roman Die Guten und die Bösen ist bspw. jedoch eher eine Parodie auf die sogenannten Berlin-Romane und eine generelle Satire auf die Bewohner Berlins. Die Figuren werden als stark ausgeprägte Charaktere gezeichnet und besitzen alle extreme Ansichten oder Vorlieben. Dadurch werden die Figuren überspitzt dargestellt und Kubiczek scheint mit diesem Panorama die Berliner Gesellschaft zu verspotten.

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Pressespiegel [ ↑ ]
Bei Die Guten und die Bösen habe der Leser es mit dem „angry young man“ in bester Tradition zu tun. In dieser zornigen Satire auf Berlin halte Kubiczek den parodistischen Ton besser durch. Er wird für seine sprachliche Eloquenz und seine Treffsicherheit gelobt, befindet die Kritik. Uta Beiküfner schreibt in der Berliner Zeitung: „sein Stil hämmert und klopft die Bilder platt, bis auch dem Leser der Schweiß von der Stirn tropft“. Hier schreibe kein junges Talent mehr, sondern jemand, „der sein Handwerk beherrscht“. Gerrit Bartels schreibt Kubiczek ein gutes Gespür für Settings zu und findet die zahlreichen Schnitte und neuen Figuren geschickt eingesetzt (taz). Auch Kerstin Schneider schreibt für Spiegel Online, dass man als Leser*in selbst dann dabei bleibe, „wenn man jeden Kapitelschluss wie ein abgerissenes Kabelende in der Hand hält und sich den Weg etwas mühsam […] suchen muss“. Ein Punkt der Kritik: Während in Junge Talente die „terra incognita“ (Gerrit Bartels, taz), nämlich der ostdeutsche Boden als Schauplatz dient, werde hier die „altbekannte Berlin-Leier“ gespielt, lediglich etwas plakativer und grotesker.

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Forschungsspiegel [ ↑ ]

Berlin-Roman
In Die Guten und die Bösen findet ein literarischer Ost-West-Vergleich statt. Shanli Anwar Haghighi untersucht Kubiczeks zweiten Roman Die Guten und die Bösen als einen urbanen Lebensentwurf, in dessen Fokus „die Konfrontationen unterschiedlicher, karikaturesker Ost- und West-Gestalten“ (Anwar Haghighi 2005, S. 58) stehen. Sowohl die Figuren als auch das Stadtleben werden ganzheitlich literarisch konstruiert. Zudem verwende Kubiczek das Gestaltungsmittel der Montage für den Romanaufbau, angelehnt an den wohl bedeutendsten deutschen Großstadtroman Berlin. Alexanderplatz von Alfred Döblin. Anwar Haghighi hält fest, dass es dem Autor nicht um die „authentische Darstellung der Lebenssituation in Berlin“ (Anwar Haghighi 2005, S. 60) gehe, sondern um eine ironische „Anspielung auf Klischees, [und] reale Nachwende-Themen“ (vgl. ebd.). So finden sich zahlreiche Verweise und Zitate, bspw. auf Fernsehserien oder philosophische Ansätze, im Roman. Dadurch, dass der Ich-Erzähler Raymond Schindler ebenfalls einen Roman schreibt und sein Konzept ausführlich darlegt, thematisiere sich der Roman in gewisser Weise selbst. (Vgl. Anwar Haghighi 2005, S. 61f.)
Anwar Haghighi stellt heraus, dass Kubiczek vor allem die Veränderung der Ostdeutschen in den Blick nimmt. Mit dem (historischen) Thema des Kolonialismus, das innerhalb des Romans aufgegriffen wird, werde eine Parallele zu den „Westlern“ gezogen, die „die Rolle kolonialistischer Eroberer zugewiesen bekommen“ (Anwar Haghighi 2005, S. 64). Ferner nimmt Kubiczek an dieser Stelle auch eine Anspielung auf die Novelle Heart of Darkness von Joseph Conrad vor, in der es ebenfalls um die Kolonialismus-Thematik geht. Kubiczek nimmt eine kritische Haltung sowohl gegenüber der West- als auch der Ost-Berliner Bevölkerung ein, wobei er die Ostdeutschen als die Wendeverlierer darstelle (vgl. Anwar Haghighi 2005, S. 66). So sind beide Seiten von „der Dekonstruktion des Berlin-Entwurfs und somit der finalen Kritik beziehungsweise Zerstörungswut Kubiczeks“ (Anwar Haghighi 2005, S. 69) betroffen. Der Autor stelle damit zynisch die aktuelle Gesellschaftssituation dar und lasse sich dabei bewusst nicht auf eine Idealisierung oder eine einseitige Schuldzuweisung ein, was im Kontrast zum Romantitel stehe (vgl. Anwar Haghighi 2005, S. 70).
Auch Andrea Gnahm betrachtet Die Guten und die Bösen vor allem als Berlin-Roman, der das Bild der Stadt in den Blick nehme und in dem vor allem das sich rasant verändernde Lebensumfeld der Figuren auffällig sei. So trete bei Kubiczek an die Stelle des Berliner Kiez „ein ,schleichender Verfall zum Noblen‘, der ,Imperialismus‘ der Neuen Ökonomie und der Medienleute. Mit ,optimistischem Geschwätz‘ und ,guter Laune‘ haben sie Berlin-Mitte für sich vereinnahmt.“ (Gnahm 2005, S. 1197) So gehe es um den neuen „Großstadtdschungel in der vernetzten Welt“ (Gnahm, 2005, S. 1198) und anfängliche scheinbar voneinander unabhängige Figuren entpuppen sich zum Ende des Romans hin als ein großes Netzwerk. Dies mache letztendlich die geschickte Konstruktion des Romans aus. Die Stadt Berlin als Thema, als Ort der Handlung etc. ist ein gängiges Sujet der Gegenwartsliteratur. Auch bei AutorInnen wie Judith Hermann, Katharina Hacker, Sven Regener oder Tanja Dückers findet es sich.

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Oben leuchten die Sterne

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Inhaltsangaben und Interpretationsansätze [ ↑ ]
Kubiczeks dritter Roman ist ein moderner Abenteuerroman. Er handelt von Bender und Rock, zwei Mittdreißigern, die sich im Studium kennenlernten und irgendwie auf der Strecke geblieben sind. Sie gehören zur sogenannten Generation Praktikum, sind immer noch von der finanziellen Unterstützung der Eltern und Gelegenheitsjobs abhängig. „War ja anfangs eine Prima Ausrede gewesen, noch langsamer zu studieren, schildkrötenschnell, sozusagen […] Kurz gesagt: Es ging bei unseren beiden Freuden nicht besonders geradlinig voran.“ (18)
Die beiden Protagonisten wollen eine Auszeit vom Alltag nehmen und begeben sich deshalb auf einen Roadtrip. In einem alten VW-Bus machen sie sich auf den Weg Richtung Süden, zunächst zur Beerdigung von Benders Großvater und anschließend weiter zu Rocks Eltern in den Schwarzwald. Bei der Testamentseröffnung erfährt Bender, dass er einen Reiseführer und einen Brief geerbt hat, in dem er aufgefordert wird, einen gewissen Dr. Winter zu suchen, der Benders Erbe besitzen soll. Auf der Suche nach Dr. Winter treffen die beiden Protagonisten auf verschiedene, recht skurrile Gestalten. Zum einen auf Rocks Exfreundin, mit der er eine gemeinsame Tochter hat und deren Freundinnen, die bei dem Versuch ihres Comebacks mit ihrer alten Band vor einer Horde Neonazis fliehen müssen. An einer wie ausgestorben wirkenden Tankstelle treffen sie auf einen mysteriösen Unbekannten, der, wie sich später herausstellen wird, der flüchtige Dr. Winter ist.
Der zweite Teil des Romans ist eine Rückschau, in der sich ein Agenten-Drama um die Gruppe „Geheimes Deutschland“ zur Zeit der Teilung Deutschlands entspinnt, in dem Dr. Winter sowie Benders Großvater eine entscheidende Rolle spielen. Weitere Figuren und Erzählstränge sorgen für Verwirrung und erst am Ende fügen sich die beiden, zunächst scheinbar unabhängigen Teile des Romans zusammen. Dadurch bleibt die Geschichte – wie es sich für das Agentensujet gehört – etwas rätselhaft und undurchsichtig. Das rasante Erzähltempo, die merkwürdigen Verstrickungen sowie die vielen Beinahe-Katastrophen sorgen jedoch für Spannung.

Leseprobe 

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Thematische Aspekte [ ↑ ]

Erzählweise
Kubiczek verwendet in seinen Texten verschiedene Erzählperspektiven und Erzähler, z.B. den Ich-Erzähler (vgl. Die Guten und die Bösen, Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn) oder den auktorialen Erzähler (vgl. Oben leuchten die Sterne). Die Perspektiven können auch je nach Figur bzw. Kapitel wechseln (vgl. Die Guten und die Bösen).
Kubiczek variiert das Tempo durch Wechsel von Zeitdehnungen und Zeitraffungen sowie durch Brüche in der Zeit durch Pro- und Analepsen. Seine Texte haben auch durch die Anachronie mitunter etwas Episodenhaftes (vgl. Die Guten und die Böse, Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn). Gerade auch durch Erinnerungen der Figuren werden Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft (vgl. Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn).
Nicht nur Landschaften werden ausdrücklich beschrieben und den LeserInnen damit vor Augen gestellt, sondern auch die Figuren werden mit vielen Details ausgeschmückt dargestellt, sodass plastische Charaktere entstehen. Ferner ist der Bezug zur Wirklichkeit in seinen fiktionalen Texten immer gegeben, indem durch Gesellschafts- und Sozialkritik deutlich Bezüge zur Gegenwart zu finden sind (vgl. Die Guten und die Bösen, Oben leuchten die Sterne).

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Formale Aspekte [ ↑ ]

Berlin
Wie viele andere Gegenwartsautoren taucht auch bei Kubiczek die Stadt Berlin als Ort der Handlung, als Hintergrund oder als historisch bedeutend auf (Die Guten und die Bösen, Oben leuchten die Sterne). Der Roman Die Guten und die Bösen ist bspw. jedoch eher eine Parodie auf die sogenannten Berlin-Romane und eine generelle Satire auf die Bewohner Berlins. Die Figuren werden als stark ausgeprägte Charaktere gezeichnet und besitzen alle extreme Ansichten oder Vorlieben. Dadurch werden die Figuren überspitzt dargestellt und Kubiczek scheint mit diesem Panorama die Berliner Gesellschaft zu verspotten.
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Pressespiegel [ ↑ ]
Kubiczeks dritter Roman wird von der Presse weitaus kritischer aufgenommen. Oben leuchten die Sterne schaffe es nicht, die beiden Vorgänger in Qualität und Originalität zu übertreffen, Kubiczek „versäumt […] es diesmal, das inhaltliche und formale Potential auszuschöpfen“, so Jan Brandt für Spiegel Online. Wie schon bei Die Guten und die Bösen treffe der Leser auch hier auf eine bitterböse Satire mit überspitzter Sozialkritik und skurril überzeichneten Figuren, in diesem Fall aber ist das Auffächern immer neuer Handlungsstränge und Figuren verwirrender und umfangreicher als nötig, meint Gisa Funk (FAZ). Spannend sei das Leseerlebnis dennoch, aber die einzelnen Episoden bleiben zusammenhangslos und insgesamt wirke Oben leuchten die Sterne wie ein atemloser und unbefriedigender Patchwork-Roman. Die Beschreibungen der Figuren sind häufig klischeehaft, schreibt Katrin Schings (Berliner Zeitung), und obgleich sie aus verschiedenen Klassen und Generationen kommen, trifft man nicht wie im Debütroman auf unterschiedliche Redeweisen. Jede Figur, die auftauche, werde durch eine Kurzbiografie eingeführt, die sich wie ein Lexikoneintrag lese (Jan Brandt, Spiegel Online). Die sperrige Erzählperspektive werde noch durch uneindeutige Sprache ergänzt; altbackene und ungenaue umgangssprachliche Formulierungen stoßen auf Kritik. Obwohl eindrückliche und originelle Beschreibungen eigentlich zu Kubiczeks besonderen Fähigkeiten gehören, ist die Sprache in seinem dritten Roman alles in allem nicht mehr so treffsicher, fasst Uta Beiküfner zusammen (Frankfurter Rundschau).

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Kopf unter Wasser

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Inhaltsangaben und Interpretationsansätze [ ↑ ]
Die Geschichte von Henry, einem erfolgreichen Kulturjournalisten, die in Berlin im Sommer 1999 spielt, beginnt mit einem Mord, der den Absturz des Kolumnisten und Familienvaters markiert. Peter, ein Bekannter von Henry, wurde tot im Volkspark aufgefunden. Den Abend zuvor hatte Henry ihn in einer Kneipe niedergeschlagen und zurückgelassen. Im Laufe der Geschichte gerät dieser Vorfall in Vergessenheit, doch die letzte Seite des Romans klärt die Umstände auf.
Henrys Werdegang beginnt damit, dass er mit 27 Jahren kurz nach Abschluss seines Studiums die angehende Künstlerin Bettina kennenlernt, mit der er recht schnell zusammenzieht. Das Angebot zur Promotion lehnt er ab und arbeitet zunächst als Volontär, später als freier Mitarbeiter bei einer großen Berliner Tageszeitung. Bettina reist viel, wohnt an vielen verschiedenen Orten und selbst dann, wenn sie bei Henry in Berlin ist, spürt er deutlich, dass ihr ihre Karriere wichtiger ist, als eine Beziehung. Während sich Henry für eine Lesung aus seinem ersten Buch, das ein Bestseller geworden ist, in Seoul aufhält, lernt er die Studentin Birte kennen und schläft mit ihr. Als Birte schließlich nach Berlin zieht und Henry und Bettina sich trennen, steht der Beziehung nichts mehr im Wege. Bald wird Birte schwanger, was Henry überrascht, dennoch gewöhnt er sich schnell an die Vorstellung Vater zu werden. Die Familien, aus denen Birte und Henry stammen sind allerdings sehr unterschiedlich: Während Henry aus einfachen Verhältnissen kommt, wird Birte durch ihre Eltern unterstützt und kennt keine finanziellen Sorgen. Auch die unterschiedlichen Mentalitäten machen dem Paar zu schaffen und als sie Henrys Eltern für einige Tage besuchen, fühlt Birte sich so unwohl, dass sie mit der Tochter Johanna eher abreist. Finanziell geht es Henry immer schlechter: Die Stelle bei der Zeitung hat er nicht mehr, all sein Geld hat er angelegt und als es mit dem Unternehmen bergab geht, verpasst er den Absprung. Hin und wieder veröffentlicht er einen Artikel, aber sein Einkommen reicht nicht für drei. Schließlich verlässt Birte ihn, um sich eine eigene Wohnung zu suchen, sodass sie Hartz IV beantragen kann und nicht mehr von ihren Eltern abhängig ist. Zu Beginn räumt sie ihm eine Aufteilung der Betreuung von Johanna ein, grenzt Henry aber mehr und mehr aus ihrer beider Leben aus. Als Henry der Strom abgeschaltet wird, hat er seit einiger Zeit keinen Unterhalt mehr gezahlt und ist mehrere Monatsmieten im Rückstand, sodass der Vermieter ihm schließlich fristlos kündigt. Er kann Johanna nicht vom Kindergarten abholen, da Birte ein Hausverbot erwirkt hat und als er sie zu ihrem Geburtstag besuchen will, erfährt er, dass Birte weggezogen ist.
Schließlich trifft er sich mit seinem Freund Peter, um ihn um juristischen Rat zu bitten. Als dieser betrunken prahlt, eine Affäre mit einer alleinerziehenden Mutter zu haben, schlägt Henry zu. Das Ende des Romans kommt hektisch daher: Nachdem Henry seine Eltern für zwei Tage besucht hat, passt in Berlin sein Wohnungsschlüssel nicht mehr. Also fährt er wieder zurück in die Uckermark, wo er sich in einem Gasthaus mit einer Gasflasche umzubringen versucht. Die Eindrücke, die er hat, sind nicht deutlich zuzuordnen, aber es scheint, als würde es um ihn herum brennen, bevor er die Gaststätte verlässt und in den Wald läuft, wo er schließlich zu Boden geht. „Ende“ heißt es (vgl. 223), aber nach zwei leeren Seiten beginnt ein neues Kapitel mit dem Titel „Toter Mann“ (227). Dabei handelt es sich wahrscheinlich um einen Traum von Henry, in dem drei Frauen ihn zu dem Haus von Birte und Johanna führen, wo er seine Tochter beim Schlafen beobachtet. Er entdeckt ein Foto von sich und ein Geschenk, was er ihr nicht mehr hat machen können. Außerdem liegt auf dem Tisch ein Brief an ihn adressiert. Die Frauen wollen ihn zurücklassen mit der Aufgabe, dass er auf sein Kind achten soll (vgl. 233): „Wir verhelfen der Geschichte zu einem glücklichen Ende. […] Du wirst sehen: Alles fügt sich“ (235) verheißen sie ihm, doch dann endet die Geschichte mit einem Zeitungsartikel, in dem vom Tod Henrys berichtet wird.

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Thematische Aspekte [ ↑ ]

Figuren
Kubiczeks Figuren sind oft erfolglose, lasterhafte und verzweifelte Helden (vgl. v.a. Kopf unter Wasser, Die guten und die Bösen). Die Charaktere sind teils ein bisschen skurril und zuweilen sehr besonders. Gerade die ,Anti-Helden‘ werden so von ihm in den Blick genommen und porträtiert. Dennoch sind die Figuren, die unterschiedlichen sozialen Milieus entstammen, nicht nur passiv, sondern auch politisch aktiv und vertreten teils extreme Meinungen (vgl. z.B. Sergej Eisenfaust in Die Guten und die Bösen).

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Formale Aspekte [ ↑ ]

Kubiczek als autobiografischer Autor und als Reiseautor
Viele seiner Texte weisen autobiographische Bezüge auf. So wird thematisch bspw. der Schriftsteller-Beruf bzw. die Journalismus-Karriere aufgegriffen (vgl. Die Guten und die Bösen: Stammler als Kolumnist und Schindler als Buchautor). Zudem haben die Figuren oft Bezüge zu Vietnam oder Afrika, d. h. sie verweisen auf die laotische Herkunft der Mutter des Autors. Vor allem in seinem letzten Roman Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn sind die autobiografischen Bezüge sehr stark: Kubiczek erzählt die Liebes- und Lebensgeschichte seiner Eltern.
Ferner ist Kubiczek auch als Reiseautor zu verstehen. So finden sich viele Landschaftsbeschreibungen in seinen Texten, Orte und Länder werden genau beschrieben und dargestellt: z. B. Afrika (vgl. Die Guten und die Bösen), der Harz (vgl. Oben leuchten die Sterne, Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn), Laos (vgl. Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn) oder die Uckermark (Kopf unter Wasser).

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Pressespiegel [ ↑ ]
Nach der Veröffentlichung des vierten Romans, Kopf unter Wasser, heißt es, dass Kubiczek sich in einer Sackgasse befinde. Die taz nennt Kubiczek einen gnadenlos genauen Beobachter und Edo Reents schreibt in der FAZ, dass der Roman durchaus raffiniert gebaut sei, allerdings einige Konstruktionsschwächen aufweise. Insgesamt überwiegt die scharfe Kritik in der Presse. Stofflich gebe die Geschichte generell nicht besonders viel her und die Sprache weise deutliche Schwächen auf. Wie bereits im Vorgängerroman stören auch hier die Ungenauigkeit, Stilbrüche und eine gewisse Gestelztheit in den Formulierungen. Die Sprache erscheine blass, Kubiczek mangele es stilistisch an einem Konzept und die Erzählweise wirke geradezu unambitioniert. Reents fehlt es generell an Experimentierfreude in der Sprache und Form. Ein Hoffnungsschimmer für Kopf unter Wasser sind für ihn die Passagen, in denen die Konfrontation unterschiedlicher deutscher Milieus reflektiert wird, Gerrit Bartels empfindet hingegen die Leidensgeschichte des jungen Vaters passagenweise durchaus fesselnd (Der Tagesspiegel). Dennoch bleibe der Roman hinter Kubiczeks vorherigen Werken weit zurück.

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Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn

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Inhaltsangaben und Interpretationsansätze [ ↑ ]
In seinem fünften Roman erzählt Kubiczek die autobiographische Geschichte seiner Jugend in der DDR und die spannende und außergewöhnliche Liebesgeschichte seiner Eltern, der Vater ein einfacher Genosse, die Mutter eine laotische Prinzessin. Die Erzählung ist nicht nur ein Rückblick des mittlerweile fast 40-jährigen Ich-Erzählers auf vergangene DDR-Zeiten, sondern auch eine Aufarbeitung all jener Abschiede von zentralen Personen in dessen Leben. Dabei werden in sechs Kapiteln, die jeweils mit Bezug zu verschiedenen Orten diese Personen eingehend und besonders lebendig beschreiben, verschiedene Bausteine zusammengefügt: die Aufzeichnungen seiner Mutter, der kurze Bericht über die Liebe von seinem Vater und seine eigenen Kindheitserinnerungen. Der Erzähler macht große Zeitsprünge vor und zurück und wechselt zwischen Zeitdehnung und Zeitraffung, sodass die Beschreibung des Kleiderschrankinhaltes der Großmutter sich über mehrere Seiten erstrecken kann, während die Flucht seiner Mutter und ihrer Familie nach Vietnam in rasantem Tempo erzählt wird.      
Die Geschichte beginnt mit dem Manuskript der Mutter, in dem sie vor ihrem frühen Tod versucht, ihre eignen Kindheitserinnerungen festzuhalten. 20 Jahre lang hat der Erzähler nicht gewagt, das Manuskript zu lesen. Erst als er einer geheimnisvollen Geburtstagseinladung seiner Großmutter nach Laos folgt, findet er es angemessen, die Aufzeichnungen zu lesen. Mittlerweile ist von seiner Familie bloß noch sein Vater übrig, zu dem er kein besonders enges Verhältnis hat. So gibt er seine Arbeit auf und begibt sich nach Laos, um seine Familiengeschichte zu rekonstruieren, um sich auf die Suche nach seiner Großmutter zu machen und vielleicht auch auf die Suche nach sich selbst. In jedem Fall markiert dieser Punkt nicht nur einen Rückblick, sondern auch einen möglichen Neuanfang. Fern der Heimat nimmt der Erzähler Kontakt zu einer Freundin aus Kindheitstagen auf, Antje, mit der er im selben Wohngebiet gelebt hatte. Während er sich in Deutschland fühlte, als wäre er der Letzte, der von seiner Familie übrig ist, trifft er in Laos die Familie seiner Mutter, die er seit über 20 Jahren nicht gesehen hat und die ihn dennoch warmherzig und selbstverständlich in ihren Kreis aufnimmt. „Willkommen in der Heimat“ (475), begrüßt ihn die Schwester seiner Mutter. Zu guter Letzt trifft er seine Großmutter, das Oberhaupt der Familie. In ihrem hohen Alter habe sie das Interesse an dem Fortkommen der Familie verloren, heißt es. Als aber ihr Enkel aus Deutschland sie mit den laotischen Worten „Sabai dii“ begrüßt, was „Guten Tag“ bedeutet, hebt sie den Kopf, sieht ihn an und lächelt (vgl. 479). Dieses Ende der Geschichte, das verheißungsvoll einen Neuanfang für den Erzähler signalisiert, wirkt geradezu feierlich.
Leseprobe
Lesung und Gespräch (02.03.2012 – Literarisches Colloquium Berlin)
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Thematische Aspekte [ ↑ ]

Erzählweise
Kubiczek verwendet in seinen Texten verschiedene Erzählperspektiven und Erzähler, z.B. den Ich-Erzähler (vgl. Die Guten und die Bösen, Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn) oder den auktorialen Erzähler (vgl. Oben leuchten die Sterne). Die Perspektiven können auch je nach Figur bzw. Kapitel wechseln (vgl. Die Guten und die Bösen).
Kubiczek variiert das Tempo durch Wechsel von Zeitdehnungen und Zeitraffungen sowie durch Brüche in der Zeit durch Pro- und Analepsen. Seine Texte haben auch durch die Anachronie mitunter etwas Episodenhaftes (vgl. Die Guten und die Böse, Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn). Gerade auch durch Erinnerungen der Figuren werden Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft (vgl. Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn).
Nicht nur Landschaften werden ausdrücklich beschrieben und den LeserInnen damit vor Augen gestellt, sondern auch die Figuren werden mit vielen Details ausgeschmückt dargestellt, sodass plastische Charaktere entstehen. Ferner ist der Bezug zur Wirklichkeit in seinen fiktionalen Texten immer gegeben, indem durch Gesellschafts- und Sozialkritik deutlich Bezüge zur Gegenwart zu finden sind (vgl. Die Guten und die Bösen, Oben leuchten die Sterne).

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Formale Aspekte [ ↑ ]

Kubiczek als autobiografischer Autor und als Reiseautor
Viele seiner Texte weisen autobiographische Bezüge auf. So wird thematisch bspw. der Schriftsteller-Beruf bzw. die Journalismus-Karriere aufgegriffen (vgl. Die Guten und die Bösen: Stammler als Kolumnist und Schindler als Buchautor). Zudem haben die Figuren oft Bezüge zu Vietnam oder Afrika, d. h. sie verweisen auf die laotische Herkunft der Mutter des Autors. Vor allem in seinem letzten Roman Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn sind die autobiografischen Bezüge sehr stark: Kubiczek erzählt die Liebes- und Lebensgeschichte seiner Eltern.
Ferner ist Kubiczek auch als Reiseautor zu verstehen. So finden sich viele Landschaftsbeschreibungen in seinen Texten, Orte und Länder werden genau beschrieben und dargestellt: z. B. Afrika (vgl. Die Guten und die Bösen), der Harz (vgl. Oben leuchten die Sterne, Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn), Laos (vgl. Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn) oder die Uckermark (Kopf unter Wasser).

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Pressespiegel [ ↑ ]
Der jüngste Roman Kubiczeks – Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohnwird hingegen in der Presse stark gelobt und als sein Befreiungsschlag aus der Krise bezeichnet. Er habe damit zu seiner alten Stärke zurückgefunden, ohne dabei „den Topoi, um die er kreist, untreu zu werden“ (Christoph Schröder, Frankfurter Rundschau). Erstmals habe er abgelassen von seiner Wut- und Zorn-Manier und habe stattdessen zu einer nichtpropagandistischen Erinnerungs- und Beschreibungssprache gefunden. Dieser Stil hebe sich merklich von dem ab, was man gewöhnt sei über das Aufwachsen in der ehemaligen DDR zu lesen. Das Ergebnis, so Schröder, ist „ein wunderbarer, komischer, ernsthafter Deutschland-Bildungsroman und eine fernöstliche Abenteuergeschichte noch dazu“. Die ungewöhnliche Familiengeschichte Kubiczeks decke eine völlig unbekannte Facette der DDR-Realität auf und erstaune damit den Leser als Lebenswirklichkeit jenseits ideologischer Perspektiven (Gabriela Seidel-Jollaender, Der Spiegel). Dennoch handle es sich nicht um ein unpolitisches Buch. Die entsprechenden Kapitel aber, die Demütigungen, berufliche Degradierungen und andere Umstrukturierungen zum Thema haben, seien die schwächsten weil abgegriffensten Passagen im Roman. So komme es, dass Abschnitte von großer erzählerischer Kraft sich mit etwas langatmigen Kapiteln abwechseln (Jörg Magenau, Deutschlandradio Kultur), starken sinnlichen Passagen ständen außerdem blassen Beschreibungen der Mutter gegenüber. Man spürt einen gewissen Abstand, heißt es in Focus, der scheinbar nötig für Kubiczek war, um die Geschichte überhaupt schreiben zu können. Er ist sich der Privatheit bewusst, urteilt Gerrit Bartels ( Der Tagesspiegel). „[V]orsichtiger, unbeweglicher und auch etwas hölzern ist seine Sprache […] dort, wo er die Geschichte seiner Eltern erzählt“, stellt Katrin Bettina Müller (taz) fest. Der Sohn stehe hier dem Schriftsteller im Weg, meint die Rezensentin. Es ist aber auch die Trauerarbeit eines Sohnes, die eine Grundtraurigkeit in der Sprache hervorruft, ebenso wie Wut, Kritik aber auch Sympathie. Gerade deshalb überzeugt Kubiczeks neuester Roman durch seine wilde, verschlungene und stilistisch abwechslungsreiche Erzählweise, dessen Rhythmus, so Müller, geradezu einen Sog entwickelt.

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Skizze eines Sommers

Ein Beitrag von Marisa Linß

Inhaltsangabe [ ↑ ]
„Das Leben war monoton und schön.“ (S. 211) Mit diesem Satz reflektiert André Kubiczeks Protagonist aus dem Roman Skizze eines Sommers (2016) sein Erleben im Sommer 1985. René ist 16 Jahre alt, wohnt mit seinem Vater in Potsdam und steht zu Beginn der Handlung am Anfang seiner sechswöchigen Sommerferien. Seine Mutter ist aufgrund einer Krankheit etwa zwei Jahr zuvor gestorben und sein Vater fährt aus beruflichen Gründen für die gesamte schulfreie Zeit in die Schweiz. Vor René liegen also sechs Wochen, die mit Partys, den ersten amourösen Erfahrungen, Gedichten des französischen Lyrikers Charles Baudelaire, Liebeskummer, melancholischer Musik und einer Menge schwarzem Reparaturlack gefüllt werden wollen. Außerdem sind es die vielleicht letzten gemeinsamen Sommerferien mit seinen Freunden Michael, Dirk und Mario. „Ich würde sie alle verlieren: Mario, Dirk, Michael. Und ganz besonders […] das Mädchen, dessen Namen ich noch nicht mal kannte.“ (S. 52) Die Erwartungen an die kommende Zeit sind groß und der Protagonist spürt, dass diese Ferien anders werden als die vorherigen, denn nach der Sommerpause muss René für zwei Jahre in ein Internat nach Halle an der Saale, wo er sein Abitur machen und sich für ein Auslandsstudium nach Moskau qualifizieren soll.
In der ortsansässigen Diskothek – dem Orion – lernt er Bianca kennen, die nach den Ferien eine Ausbildung zur Friseuse machen will. Sie küsst ihn überraschend und sie sind für zwei Wochen ein Liebespaar. Mario geht mit Biancas Freundin Connie und zu viert verbringen sie viel Zeit. Außerdem lernt René Rebecca kennen, die Tochter eines Künstlerehepaars, welche durch ihre außergewöhnliche Kleidung und ihren Musikgeschmack einen nachhaltigen Eindruck in ihm hinterlässt. Außerdem ist da noch das oben zitierte „Mädchen ohne Namen“ (S. 97), das einen großen Raum in seinen Gedanken einnimmt. Nicht nur Bianca, die für zwei Wochen mit ihren Eltern an den Balaton fährt, sondern auch Rebecca, Dirk, Michael und Connie verreisen in den Ferien, sodass René und Mario in Potsdam zurückbleiben. Sie überlegen, gemeinsam nach Kaltennordheim zu fahren, um Connie zu besuchen, die dort das Haus ihres Onkels hütet, um nicht „als die letzten der Eingeborenen in sengender Hitze [zu] verdorren“ (S. 265). Dort verbringen sie ihre Zeit mit Ausflügen in die malerische Natur, einem Flohmarkt und einem Besuch in einer Disco im Freibad, wo Mario ein anderes Mädchen küsst und Connie damit zutiefst verletzt. René und Mario fahren daraufhin getrennt von Connie wieder zurück nach Potsdam, wo auch auf René der erste Liebeskummer wartet: Bianca hat im Urlaub Frank aus der BRD kennengelernt und sich in ihn verliebt, weshalb sie sich von René trennt. Connies tröstende Worte, die Kassette, die Rebecca ihm zuschickt und das Wiedersehen mit Victoria, dem Mädchen, das erst im letzten Kapitel nicht mehr „ohne Namen“ ist, verhelfen René jedoch schnell, seinen Kummer zu vergessen. Der Sommer scheint auf seinem Höhepunkt angekommen zu sein, denn René und Victoria werden ein Paar und auch mit Bianca söhnt er sich kurz darauf wieder aus. Doch der Sommer geht zu Ende und vor allen steht nun ein neuer und ungewisser Abschnitt. Niemand weiß, wie sich die Dinge weiter entwickeln werden. René fragt sich, ob die Freundschaften erhalten bleiben, wobei er ahnt, dass die unbeschwerte Zeit des vergangenen Sommers wohl unwiederbringlich sein wird. René ist sich allerdings einer Sache gewiss, dass er mit Rebecca als selbst gewählter Schwester (S. 249) und Victoria als Freundin an seiner Seite gegen alle Widrigkeiten gewappnet ist.
André Kubiczeks Roman behandelt die Adoleszens und die damit einhergehenden emotionalen Ambivalenzen, die einem/einer Heranwachsenden dabei begegnen. Die inneren Prozesse und Reflexionen sind dabei für die Genese einer eigenen Identität von größerer Bedeutung als die bestehenden politisch-systemischen Realitäten. Sie bilden zwar einen Rahmen, sind jedoch nicht konstituierendes Merkmal der eigenen Individualität.

Inhaltliche Aspekte [ ↑ ]
Skizze eines Sommers ist ein Coming-of-age-Roman. Kubiczek beschreibt den Sommer Renés, der sich in einer Transitionsphase zwischen Kindheit und Jugend befindet. Der Sechzehnjährige reflektiert sich selbst, sein Verhalten, das seiner Freund*innen, sein Verhältnis zu seiner Familie und auch sein Leben in der DDR – in seinem Inneren laufen vielfältige Prozesse der Identitätsbildung an, im Äußeren hingegen passiert nicht sonderlich viel. Dabei steht vor allem ein Thema im Fokus, welches das Genre des Coming-of-age-Romans mit sich bringt: das Herausbilden einer eigenen Identität, welche mit der Peergroup in wechselseitiger Beziehung steht, im Kontext einer bestimmten gesellschaftspolitischen Lage.

 Alltag in der DDR

Renés Alltag spielt sich vor der Kulisse der Deutschen Demokratischen Republik ab. Doch gleich zu Beginn der Handlung wird klar, dass die Erzählung weitgehend unpolitisch bleiben wird: „Aber wir ließen sie einfach quatschen, die Klassenlehrerin, den Direktor, den bekloppten FDJ-Heini“ (S. 14), so erinnert sich René, dem die Beschwerden der Schule über seine hochtoupierten Haare und seine auffälligen Klamotten aufgrund seiner guten Noten egal sein können. Dass sein Vater für sieben Wochen zu den (Ab-)Rüstungsverhandlungen nach Genf fährt, die die kommenden politischen Veränderungen im geteilten Deutschland zaghaft ankündigen, kommentiert René mit der Leseranrede: „Fragt mich bloß nicht, worum es genau ging bei dieser Konferenz. Natürlich hatte mein Vater es mir erzählt, aber wahrscheinlich hatte ich nicht richtig zugehört.“ (S. 22) Die Nebenerscheinungen der Geschäftsreise seines Vaters sind viel wichtiger als die politischen Implikationen, nämlich eine sturmfreie Bude für die ganzen Sommerferien. Entgegen anderer literarischer Beispiele geht es in Kubiczeks Roman nicht darum, einen ostalgischen Blick auf die DDR-Zeit zu werfen oder im Gegensatz dazu das strenge Parteiregime zu kritisieren. Es geht um das normale Alltagsleben eines Sechzehnjährigen mit den oder gerade trotz der gegebenen Umstände. Marko Martin spricht in Die verdrängte Zeit: Vom Verschwinden und Entdecken der Kultur des Ostens (2020) von diesem „Ambivalenzbewusstsein“ (S. 12) gegenüber der bestehenden politischen Lage der Kontrolle und der Zensur. Im Bewusstsein darüber, dass es bestimmte Marken eben nur im Westen zu kaufen gibt wie z. B. C&A (S. 120) oder Malboro (S. 212) und dass Bücher westlicher Schriftsteller rar gesät sind, versucht man eben an das zu kommen, was man kriegen kann. Das Bewusstsein gegenüber des ständigen „Überschuss[es] an irgendwelchem Mangel“ (S. 13) ist bei René durchaus da, doch gibt es bedeutendere Dinge für den Protagonisten, die ihm ermöglichen, seine Identität nicht über den Mangel, sondern über selbst Gewähltes zu definieren.        

Literatur

Eine wichtige Rolle in Renés Leben spielt die Literatur. Er interessiert sich für die Werke französischer Lyriker wie Joris-Karl Huysmans, Charles Baudelaire, Stéphane Mallarmé oder Arthur Rimbaud, deren melancholische Dichtungen ihn nachhaltig beeindrucken, und diskutiert mit seinen Freunden über die Bedeutung von Dekadenz in einem Staat, der seine Bürger:innen danach beurteilt, ob sie ihre Arbeitskraft dem Wohle der Gesellschaft widmen. L’art pour l’lart scheint in dem sozialistischen Gesellschaftsbild der DDR keinen Platz zu haben. Schon allein damit fallen René und seine Freunde auf, die sich immer wieder Wettbewerbe liefern, wer sein Notizbuch am schnellsten mit melancholisch-tiefgründigen Gedanken vollgeschrieben hat und wessen Bleistift als Zeichen einer hohen Schreibfrequenz der Kürzeste ist. Nur Mario kann mit all dem nichts anfangen, weshalb ihn die anderen immer wieder aufziehen und sich ihm gegenüber, dessen Schulnoten nicht so gut wie die der anderen Jungs ausfallen, als Intellektuelle abgrenzen. Als René dann von Rebecca erfährt, dass sie Heiner Müller und Bertolt Brecht liest, beeindruckt ihn das. Sie finden darin ein gemeinsames Gesprächsthema und Anknüpfungspunkte, die ihre Beziehung, welche René als eine beschreibt, die „[w]ie Bruder und Schwester“ (S. 250) sei, ausmachen.

Musik

Die Musik der 80er-Jahre nimmt im Roman eine wichtige Rolle ein. Sie bildet einen Rahmen und fungiert als eine Art Soundtrack zur Handlung. Das ermöglicht es, sich in Renés Alltag einfühlen zu können, und es erschafft die Atmosphäre, in der sich die Handelnden bewegen. Songzeilen aus New Wave (Boy George), Synthpop (Fad Gadget), Pop-Rock (Prefab Sprout), Industrial (Cabaret Voltaire oder Calamity Crush) bilden jeweils den Anfang eines der vier Teile des Romans. Im Jahr, in dem Live Aid eine ganze Generation prägt, entwickeln die Jugendlichen ihre eigenen Vorstellungen von ‚guter Musik‘. Status Quo oder Queen gehören nicht dazu, wohingegen der Text von The Triffids’ aus dem Lied Hell of a summer als Ohrwurm immer wieder in Renés Gedanken auftaucht. Die Verse „What you cannot have sir / You must kill / You must kill / And I say to you / It’s been hell” (S. 199), deren Bedeutung sich René zu Beginn der Romanhandlung noch nicht ganz erschließt, bekommen, als Bianca sich von ihm trennt, eine neue Relevanz. Durch die Musik setzt er sich mit seinem Liebeskummer auseinander und verarbeitet den Schmerz, indem er den Song für sich neu interpretiert: „dann musste man eben das töten, was man nicht bekam. Man musste es aus seiner Erinnerung reißen und nicht erst warten, bis es nach Jahren von selbst verblasst war“ (S. 307). Das rein instrumentale Stück Sketch for Summer von Durutti Column fungiert zudem als Namensgeber für den Roman – mit seinem unaufgeregten und eher synthetisch-elektronischen Klang, der als durchaus typisch für die 80er-Jahre bezeichnet werden kann, schlägt das Lied damit den Bogen zur eingangs erwähnten Reflexion des Protagonisten: „Das Leben war monoton und schön“ (S.211).

Beziehungen

Auch die drei Mädchen, denen René im Verlauf der Sommerferien begegnet, lösen in seinem Inneren verschiedenste Reflexionsprozesse aus. Zu Beginn der Handlung erzählt der Protagonist bereits vom mysteriösen „Mädchen ohne Namen“, das er später als das „allerschönste auf der ganzen, weiten Welt“ (S. 97) bezeichnet. Erst im vierten und letzten Romanteil erfährt René ihren Namen: Victoria. Zu dem Zeitpunkt sind die Sommerferien fast vorbei und René kommt mit ihr zusammen. Zuvor hat er Bianca kennengelernt, die ihm optisch zusagt. Sie küsst ihn im Orion überraschend und schiebt sich somit unwissentlich zwischen René und seinem Wunsch, der noch unbekannten Victoria näherzukommen. Bianca will nach den Sommerferien eine Lehre als Friseurin beginnen, weshalb sie für René und seine Freunde metonymisch zur „Arbeiterklasse in Gestalt des Handwerks“ (S. 203) ernannt wird. Im Gegensatz zu Bianca tritt mit Rebecca eine für die vier Freunde prototypische Vertreterin der Intellektuellen ins Bild. Sie ist die Tochter eines Künstler-Ehepaares und beeindruckt René mit ihrem ausgefallenen Kleidungsstil, dem ihm unbekannten Musikgeschmack (Throbbing Gristle) und ihrem Sinn für Literatur. René erklärt sich seine Zuneigung, die er sowohl für Bianca als auch für Rebecca empfindet, damit, dass Rebecca seine Wahlschwester sei und dass sich seine Liebe zu ihr insofern von seiner Liebe zu Bianca unterscheide. Die beiden Mädchen können als Personifikation der durch die politisch-gesellschaftliche Lage vordefinierten Gegensätze Arbeiterklasse und Intellektuelle gesehen werden. René steht gewissermaßen zwischen diesen beiden Polen und schwankt immer wieder, zu welchem er sich mehr zugehörig fühlt. Nachdem seine Beziehung mit Bianca dann in die Brüche gegangen ist, taucht die mysteriöse Victoria wieder auf, die ihm die Entscheidung zwischen seinen Gefühlen für Bianca und Rebecca vorerst abnimmt.

Verhältnis zur Familie

Renés Verhältnis zu seiner eigenen Familie zeigt sich auf unterschiedliche Arten. Er wohnt zusammen mit seinem Vater in Potsdam. Seine Mutter ist vor etwa zwei Jahren an einer Krankheit gestorben, was in ihre familiäre Beziehung zueinander eine Lücke gerissen hat. Erst vor Rebecca, von der sich René verstanden und gehört fühlt, beginnt er zu weinen und die Trauer über den Verlust der Mutter wird damit in Kapitel drei das erste Mal ernsthaft thematisiert. Zuvor versucht René die damit einhergehenden Gefühle eher beiseitezuschieben. Auch sein emotional distanzierter Vater, der zu Beginn der Ferien für sechs Wochen verschwindet und seinen sechzehnjährigen Sohn mit eintausend Ost-Mark zurücklässt, fördert keine tieferen Bindungen. Ihre Beziehung ist eher pragmatisch als emotional. René nennt ihn, seit er elf Jahre alt ist, nicht mehr ‚Papa‘ oder ‚Vater‘ und seitdem seine Mutter gestorben ist, leben die beiden eher neben- als miteinander. Die vernachlässigte und aufgrund fehlenden Interesses ausgebliebene Vater-Sohn-Beziehung spiegelt sich auch in der Wohnung der beiden wider. Bilder an den Wänden gibt es nicht mehr und alles, was kaputt geht, bleibt kaputt (vgl. S. 25). Die Zustände der räumlichen Umgebung der beiden steht sinnbildlich für die fehlende Bindung zueinander. Auch zu seinen Großeltern, zu denen René in den letzten drei Wochen der Sommerferien fahren soll, fehlt dem Protagonisten eine engere Beziehung. Außer ein paar kurzen Nachrichten, dass sich seine Anreise verspätet (so lange, bis er gar nicht mehr zu ihnen fahren kann, da die Ferien vorüber sind) und Sprichwörtern, die er von seiner Oma zitiert, haben sie wie der Rest seiner Familie keinen großen Einfluss auf ihn und die Handlung des Romans.

Formale Aspekte [ ↑ ]

Ironie

Die ganze Erzählung Renés und die Dialoge mit seinen Freunden sind von Ironie geprägt, ob es um die ironische Wiedergabe sozialistischer Selbstbeschreibungen der DDR („Sowjetmacht plus Elektrifizierung gleich Kommunismus“ S. 23) zur Zufriedenstellung ihrer Lehrer*innen geht oder nur darum, dass Mario als „Intelligenzbolzen“ (S. 73) mal wieder ein Sprichwort falsch verwendet hat. Doch vor allem, wenn es um DDR-spezifische Sachverhalte, die sich überwiegend in institutionalisierten Kontexten ausdrücken (Schule, Beruf des Vaters, Ausbildung), schlägt der Protagonist einen scherzhaft-zynischen Ton an. Hierin äußert sich Renés „Ambivalenzbewusstsein“ (Martin 2020: 12) und sein Umgang mit den Gegebenheiten des DDR-Regimes. Durch seine Ironie kann der Sechzehnjährige Distanz zu den Restriktionen gewinnen, die es ihm ermöglicht, die eigene Deutungshoheit über sein Leben zurückzugewinnen. Das ermöglicht ihm trotz der Einschränkungen und Zensuren der diktatorischen Umstände den normalen Alltag eines pubertierenden Jungen zu erleben (vgl. Marko 2020).

Konzeptionelle Mündlichkeit und Erzählsituation

Kubiczek lässt seinen Protagonisten als autodiegetischen Erzähler fungieren, der sich an den Sommer des Jahres 1985 zurückerinnert und von seinen Erlebnissen reflexiv berichtet. Dabei bedient er sich außerdem der konzeptionellen Mündlichkeit, um die spezifische Atmosphäre des Romans zu generieren. Verschiedene Aspekte weisen auf diese besondere Erzählsituation hin, die es ermöglicht, die Distanz zwischen Rezipient*in und Erzähler zu verkleinern:
Zum einen bedient sich Kubiczek der Alltagssprachlichkeit, die den Eindruck vermittelt, als würde man der Erzählung eines Freundes lauschen („Wenn ihr also mal ins Orion kommt, als Frischlinge“, S. 122; „Das war ein Anblick, der einen ganz kirre machte“, S. 182; „Ich schrieb eben nicht nur mehr jeden Mist dort hinein, der mir zwischen Tür und Angel in den Schädel geriet“, S. 234). Ein weiterer Marker der konzeptionellen Mündlichkeit sind die oben erwähnten ironischen Wendungen, die ebenfalls die Atmosphäre eines lockeren Gespräches vermitteln. Zuletzt fällt die über den gesamten Roman verwendete Leser*innenadressierung auf, die zur Verdeutlichung und Reflexion besonders wichtiger Eindrücke Renés benutzt werden („Das Orion müsst ihr euch ungefähr so vorstellen“, S. 121; „Ideale Kombination, wenn ihr mich fragt“, S. 121;, „Und soll ich euch sagen, warum?“, S. 355). Die Erzählsituation trägt dazu bei, dass man die Erfahrungen und Emotionen des Protagonisten authentisch nachempfinden und Nähe zur Handlung aufbauen kann.

Verhältnis zwischen innerer und äußerer Wirklichkeit

Die Handlung des 376 Seiten langen und vierteiligen Romans erstreckt sich über die erzählte Zeit von ca. sechs Wochen. Die äußere Rahmenhandlung enthält keine umfangreiche Geschichte, beschreibt sie doch nur die Ferien eines Sechzehnjährigen, in dessen Erfahrungen man sich beim Lesen durchaus wiederfinden kann. Doch im Vergleich zur äußeren Handlung spielt sich im Inneren des Protagonisten deutlich mehr ab. Renés Reflexionen der Geschehnisse und der damit verbundene Gegensatz zwischen innerer und äußerer Welt spiegeln den nicht immer einfachen Übergang in seine Adoleszenz wider. Der Liebeskummer ist unerträglich und der Kleidungsstil seiner Peergroup ist deutlich wichtiger als die aktuellen politischen Umstände, aufgrund derer sein Vater das Land verlässt. Viel bedeutender sind die Entwicklungen im eigenen individuellen Umfeld und das Bestreben, die Sommerpause bestmöglich zu füllen, damit sich die Zeit vor dem Unbekannten des Erwachsenseins auch lohnt. 

Pressespiegel [ ↑ ]
Die Pressestimmen zu André Kubiczeks Roman fallen durchweg positiv aus. Meike Fessmann schreibt in der Süddeutschen Zeitung, Kubiczek habe mit „Skizze eines Sommers“ endgültig seinen Ton gefunden, der „ebenso lässig wie existenziell“ sei. Ein Vergleich zu seinem viel besprochenen Roman Junge Talente zeige, dass dieser zwar historisch genauer sei, jedoch weniger lebhaft. In der FAZ schreibt Rose-Maria Gropp über den „halsbrecherisch und ironisch grinsend[en]“ Roman, Kubiczek erwecke das „sattsam strapazierte“ Genre des Coming-of-age-Romans zu neuem Leben. „[O]hne je sarkastisch zu sein, voller Einfühlung, ohne Anbiederung“ gelinge es dem Autoren, den Alltag in den Sommerferien eines Jugendlichen in der DDR zu entwerfen, ohne einen „Bald-ist-die-DDR-kaputt-und-das-liegt-schon-in-der-Luft-Roman“ zu schreiben. Auf literaturkritik.de bemerkt Dietmar Jacobsen ebenfalls den nebensächlichen Charakter der Kulisse DDR, in dem sich die Figuren bewegen. „Widerstands- oder Fluchtgedanken entwickelt er [René] […] nicht“, heißt es über das Zitat des Protagonisten, dass ja ständig ein Überschuss an irgendwelchem Mangel herrsche (vgl. S. 13). Die Probleme eines jeden Teenagers gebe es „wie überall in der Welt auch in dem sozialistisch sich nennenden kleineren Teil Deutschlands“.
Kubiczeks atmosphärischer Schreibstil, der die Geschichten aus Renés Alltag in den Kontext der DDR integriert, wird in allen Rezensionen gelobt. Sein Einfühlungsvermögen in die Probleme des Erwachsenwerdens und seine Fähigkeiten, diese in Worte zu fassen, tragen zur Entwicklung seines ganz eigenen Stils bei, der sich über seine bisherigen Veröffentlichungen hin stets weiterentwickelt habe. Christoph Schröder bewertet den Roman im Tagesspiegel als „das Buch eines jugendlichen Schwärmers, das zum Schwärmen einlädt.“

Literatur

Primärliteratur
Kubiczek, André: Skizze eines Sommers. 4. Aufl. Berlin: Rowohlt 2016.

Sekundärliteratur
Martin, Marko: Die verdrängte Zeit. Vom Verschwinden und Entdecken der Kultur des Ostens. Stuttgart: Tropen 2020.

Rezensionen
Fessmann, Meike: Küssen ist fast so schwer wie Rauchen. Süddeutsche Zeitung vom 21.09.2016. 

Gropp, Rose-Maria: Das Herz ist ein pochender Knorpel. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.90.2016. 

Jacobsen, Dietmar: Summer of 85. André Kubiczeks neues Buch “Skizze eines Sommers“ ist ein witzig-nachdenklicher Roman über das Erwachsenwerden. Rezension auf Literaturkritik.de vom 06.07.2016. 

Schröder, Christoph: Zeit der Mixtapes. Der Tagesspiegel vom 28.06.2016. 

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Straße der Jugend

Ein Beitrag von Marisa Linß

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Inhaltsangabe [ ↑ ]
So, wie die ‚Straße der Jugend‘ in Potsdam im Jahr 1993 in die ‚Kurfürstenstraße‘ umbenannt wurde, endet auch die Jugend des Protagonisten von André Kubiczeks Roman Straße der Jugend langsam, aber sicher. Der Folgeroman von Skizze eines Sommers (2016) wurde 2020 veröffentlicht und beschreibt Renés erstes Schuljahr in der Arbeiter- und Bauernfakultät (kurz: ABF) in Halle, an der er in zwei Jahren sein Abitur absolvieren soll. Nach dem Abitur soll er nach Moskau gehen, um dort das Studienfach ‚Organisation der materiellen-technischen Basis‘ zu studieren.
Der Roman schließt zeitlich dort an, wo Skizze eines Sommers endet: René kommt am ersten Tag des neuen Schuljahres 1985 im Ferienlager im Harz an. Dort soll er fünf Tage lang seine künftigen Mitschüler*innen kennenlernen sowie mit Frühsport, dem Lesen von Wladimir Iljitsch Lenins Staat und Revolution und appellativischen Reden von Parteimitgliedern (z. B. S. 41f.) auf den Schulstart vorbereitet werden. Doch viel wichtiger als die Geschichte der ABF ist für den Protagonisten die baldige Heimkehr zu seiner Freundin Victoria. Zu Hause erwarten ihn einige Überraschungen: Victoria hat ihre schwarzen, hochtoupierten Haare abgeschnitten und blondiert. Ihre schwarzen Klamotten hat sie durch einen „rot karierten Minirock und eine Levi’s-Jeansjacke“ (S. 53) ausgetauscht. Außerdem erleben sie gemeinsam an „Tag X“ (S. 62) ihren ersten Geschlechtsverkehr.
In den sechs Wochen danach, bis zu den Herbstferien, lernt er weitere Mitschüler*innen kennen und freundet sich mit Robert und Günter an. Sie besuchen Partys in der Bierstube und gehen ins Café Surprise, um dem sonst monotonen Schulalltag für ein paar Stunden zu entfliehen. René gewöhnt sich zwar an die Umstände, erlebt die Zeit jedoch einigermaßen indifferent, „ohne irgendetwas zu mögen, aber auch, ohne etwas von Herzen zu hassen“ (S. 137).
Die Herbstferien beginnen für den Sechzehnjährigen ebenso ernüchternd: Victoria muss mit ihrer Familie zu ihrer Großmutter fahren. Diese hat sich das Schlüsselbein gebrochen und benötigt deshalb deren Unterstützung. Also verabredet er sich mit Rebecca, seiner Wahlschwester (vgl. Skizze eines Sommers, S. 249) und geht mit ihr ins Café Stadttor. Unter dem Einfluss von Alkohol kommen sie sich näher und am Ende des Abends schlafen sie nahezu unbekleidet, kuschelnd in Rebeccas Bett ein. Außerdem trifft René sich mit seinen alten Freunden Mario, Dirk und Michael. Sie hören gemeinsam Musik und gehen wie schon in den Sommerferien ins Café Heider oder in die Diskothek Spartakus. Michael und Dirk erzählen von ihrer Idee, eine eigene Zeitschrift zu veröffentlichen. Sie soll Lef 2 heißen, was übersetzt „Linke Kunstfront“ (S. 149f.) heißt und an das futuristische Zeitschriftenprojekt Lef des russischen Dichters Wladimir Majakowski  angelehnt ist. Außerdem erklären sie ihm ihre Bedenken bezüglich Victoria, die sie zu „[e]indimensional“ (S. 198) für René halten.
Wieder zurück in Leipzig wird der Ton seiner Lehrer*innen zunehmend strenger. Besonders sein Chemielehrer hat ihn „auf dem Zettel“ (S. 217) und droht mit Konsequenzen, wenn René seine Einstellung nicht überdenke. Neben schlechteren Noten und der zunehmenden Anspannung in der Beziehung zu seinen Lehrkräften erhält René außerdem einen Brief von Victoria, in dem sie mit ihm Schluss macht, weil eine Freundin von ihr ihn mit Rebecca am Abend im Café Stadttor gesehen und ihr von den Geschehnissen berichtet hat. Renés Gefühlschaos wird außerdem durch einen Brief Rebeccas verstärkt. In diesem stellt sie ihm die auf ihren Beziehungsstand bezogene Frage: „Was machen wir denn jetzt bloß?“ (S. 236).
Weihnachten und Silvester rücken an und damit auch eine weitere Überraschung, die die familiäre Situation des Protagonisten nachhaltig beeinflusst: Da sein Vater eine Liebesbeziehung mit Victorias Mutter eingegangen ist, ist René gezwungen, die Festtage mit seiner Ex-Freundin und deren Familie zu verbringen. Von dieser neuen familiären Situation erfährt er überraschend und ohne ein Gesprächsangebot seitens des Vaters. Doch entgegen seiner Befürchtungen führt der erneute Kontakt mit Victoria auf einer familiären Ebene zu einer vorsichtigen Wiederannäherung. An Silvester ergibt sich noch eine letzte Chance, sich mit ihr zu versöhnen und die Beziehung wieder aufzunehmen, doch René nimmt sie nicht wahr und so ist ihre Trennung „amtlich und unumkehrbar“ (S. 291). Auch seine Beziehung zu Rebecca ist weiterhin undefiniert, da sie ihre grundlegend unterschiedlichen Einstellungen als Hindernis für eine ernsthafte Beziehung ansieht.
Das fünfte und letzte Kapitel des Romans beginnt mit dem neuen Jahr. Nach dem Motto „Neues Jahr, altes Glück“ (S. 301) verbringt René seine Schulzeit mit Robert und Günter in Clubs, Cafés oder Kneipen. Er geht zum Unterricht, liest Werke wie Materialismus und Empiriokritizismus und fragt sich nach dem eigentlichen Sinn seiner Zeit in Halle . Per Brief unterrichtet ihn sein Vater von der Erkrankung seines Großvaters und erwähnt beiläufig die Hochzeit von ihm und Victorias Mutter. Außerdem gründet er zusammen mit Robert und Günter eine Band, die den Namen Dead Deer Rampage (kurz: D.D.R.) trägt, vom Surrealismus inspiriert ist und sich in der selbst erdachten Stilrichtung „Dark Psychedelic Slow-Rock“ (S. 368) verortet. Zum zunehmend strengeren Ton seiner Lehrer*innen kommt ein ernstes Gespräch mit seinem Vater über Lef 2 in den Frühjahrsferien hinzu. Da René, Michael und Dirk niemandem von ihrem Projekt erzählt haben, führen sie die Information, die Renés Vater besitzt, auf Bespitzelungen durch das Ministerium für Staatssicherheit (kurz: MfS) zurück. Sein Vater spricht außerdem die aktuellen politischen Vorgänge in der Sowjetunion um Michail Gorbatschow und die durch ihn geprägten Begriffe Glasnost und Perestroika an und erkundigt sich danach, welche Rolle die derzeitigen Entwicklungen und Tendenzen der KPdSU in der Schule spielen. Kurz vor den Sommerferien stirbt Renés Großvater. Die Beerdigung und die damit verbundenen Emotionen bringen Victoria und René in ihrer neuen Rolle als Stiefgeschwister wieder näher zusammen (vgl. 362f.).
Der Roman endet mit einem freudigen Ausblick auf das kommende Schuljahr, denn Rebecca stattet René – der inzwischen wieder zurück im Wohnheim in Halle angekommen ist – einen Besuch ab. Sie verkündet ihm, dass sie für die Kunsthochschule in Halle angenommen wurde, was bedeutet, dass sie sich in Zukunft öfter sehen können. Daraufhin bringen sie ihre Beziehung mit einem Kuss auf eine neue Ebene und René kann es nun „kaum erwarten, dass es endlich September [ist]“ (S. 389).
In Straße der Jugend verändert sich verglichen zum Vorgängerroman die Atmosphäre: Die sorglosen Sommerferien sind vorüber und das Setting wechselt nun in einen institutionellen Kontext über. Auch wenn am Ende die privaten Entwicklungen im Leben des Protagonisten noch immer die Hauptrolle spielen, wird das restriktive sozialistische System, in dem er lebt, zunehmend spürbar. So gerät der Sechzehnjährige immer mehr in den Fokus seiner Lehrer*innen, was ihn am Ende sogar beinahe seinen Studiumsplatz kostet: „Wenn Sie Ihre Einstellung nicht überdenken, werde ich ganz persönlich dafür sorgen, dass man Sie nicht zum Studium in die Sowjetunion delegiert“ (S. 216). Die Entscheidung zwischen Rebellion gegen das System und der völligen Anpassung fällt für René auf die zwar resignative, aber dafür auch selbsterhaltende „Friedliche Koexistenz“ (S. 217). Der Protagonist spielt damit auf die aktuellen politischen Umstände zwischen den westlichen und östlichen Ländern an, deren Beziehungen als friedlich koexistent definiert sind. Damit findet René für sich einen Weg, auf dem er sich selbst noch treu bleiben kann, ohne jedoch seine Zukunft in der noch bestehenden DDR zu gefährden.
Aufgrund der stilistischen und formalen Überschneidungen sei an dieser Stelle auf den Lexikonartikel zum Vorgängerroman Skizze eines Sommers hingewiesen.

Inhaltliche Aspekte[ ↑ ]
Wie schon sein Vorgänger kann Straße der Jugend dem Genre des Coming-of-age-Romans zugeordnet werden. Der*Die Leser*in begleitet den sechzehnjährigen René, der ahnt, dass seine Kindheit vorbei ist. Bereits in Skizze eines Sommers ist René und seinen Freunden klar, dass sich nach den sorglosen Sommerferien das Leben ändern wird. Manche von ihnen gehen auf die Erweiterte Oberschule (kurz: EOS), andere machen eine Lehre und René muss nach Halle ins Internat gehen, um dort sein Abitur zu absolvieren. Die Kindheit ist vorüber und der Ernst des Erwachsenenlebens beginnt. Den damit verbundenen zunehmenden Ansprüchen, denen René innerhalb des Kontextes der ABF gerecht werden muss, und die Verpflichtungen, die damit einhergehen, verstärken die Bedrohung, die der Protagonist empfindet. René muss mehr und mehr Verantwortung für sein Handeln übernehmen und dort, wo seine Lehrer*innen früher noch lächelnd ein Auge zugedrückt haben, drohen ihm nun ernsthafte Konsequenzen.

Alltag und Leben in der DDR

Die Erzählung findet im Jahr 1985 ihre zeitliche und in der Deutschen Demokratischen Republik ihre räumliche Verortung. Spielten die gesellschaftspolitischen Umstände im ersten Roman keine große Rolle für die Handlung, nehmen sie mit Renés Eintreten in den institutionellen Kontext zunehmend Einfluss auf sein Leben. Die vergangenen Sommerferien stellten für den Protagonisten ohne seinen Vater oder die Schule als erzieherische Instanzen eine Zeit ohne Verpflichtungen und mit großer Freiheit dar. Durch den Schulbeginn und das Wiederauftreten seines Vaters wird dieser luftleere Raum im zweiten Roman aufgebrochen. Auch wenn er sich den mit dem sozialistischen System verbunden Restriktionen nicht gänzlich entziehen kann, definiert er sich auch jetzt nicht über den gegebenen „Überschuss an irgendwelchem Mangel“ (Skizze eines Sommers, S. 13). Er findet außerdem Wege, um das Erziehungssystem der DDR auszublenden und seine Identität trotzdem zu entwickeln und auszuleben. Dabei fungieren seine Treffen mit Robert im Café Surprise oder mit Günter im Schwager, seine Spaziergänge durch Halle, die Musik, die Literatur und seine (Liebes-)Beziehungen zu Victoria oder Rebecca als identitätsstiftende oder -konstituierende Komponenten. Diese individuellen Interessen und Ereignisse nehmen wie schon in Skizze eines Sommers mehr Platz in Anspruch als der Ärger mit seinem Chemielehrer oder die lieblosen erzieherischen Interventionen seines Vaters. Der ‚normale‘ Alltag im Leben eines Heranwachsenden steht in Kubiczeks Roman im Vordergrund. Weder ein ostalgischer, noch ein dezidiert politisch-agitierender Blick auf das Parteiregime stecken hinter der Geschichte Renés.

Erwachsenwerden und Friedliche Koexistenz

Wie oben bereits angedeutet, wird die DDR als totalitärer Staat in Straße der Jugend sichtbarer, wenn auch nicht zum bestimmenden Moment. Dies ist direkt verschränkt mit der fortschreitenden Adoleszenz des Protagonisten. Nahmen die Lehrer*innen der Schule in Potsdam auffällige Frisuren oder Kleidung und die ironischen Witzeleien über sozialistische Selbstbeschreibungen als nicht weiter bedenkenswert hin, so bemerkt der Sechzehnjährige in der ABF schnell, welche Erwartungen an ihn als jungen Erwachsenen in der DDR gestellt werden. Seine Lehrer*innen in Halle treten als Akteure des sozialistischen Regimes auf, die den Bildungsauftrag zu erfüllen versuchen, die Schüler*innen in Hinblick auf die politischen und ökonomischen Interessen des Staates zu bilden und sie zu „‚sozialistischen Persönlichkeiten‘“ (Kerbel 2016) zu erziehen. Auf die damit einhergehenden Einschränkungen der persönlichen Freiheit reagiert René jedoch nicht mit Rebellion und Widerstand, sondern er entscheidet sich für den Zustand der „Friedliche[n] Koexistenz“ (S. 217) und erklärt diesen wie folgt: „Man konnte sich gegenseitig ums Verrecken nicht ausstehen, es ging einem regelrecht das Messer in der Tasche auf schon beim bloßen Gedanken an den anderen, aber man riss sich am Schlafittchen und beließ es in der Hose“ (S. 217). Der Protagonist reflektiert hier die Beziehung zwischen sich selbst und seinem Chemielehrer und vergleicht sie mit den außenpolitischen Beziehungen zwischen der North Atlantic Treaty Organization (NATO) und dem Warschauer Vertrag. Damit verschränkt Kubiczek die Mikroebene des alltagsweltlichen Lebens mit der Makroebene der Spannungen des Kalten Krieges zwischen Ost und West.

Sprache, Sprechen und Schweigen

René wird sich mehr und mehr dessen bewusst, was er sagen kann und wann er lieber schweigen sollte. „Vielleicht gewann Reden manchmal Silber. Schweigen aber gewann immer Gold“ (S. 359) reflektiert er über ein Gespräch mit seiner Staatsbürgerkundelehrerin, die seine Frage bezüglich Glasnost und Perestroika und ob diese „nicht auch in der DDR für einen frischen Wind sorgen könnten“ (S. 358) vehement abwehrt. Nicht nur in der Schule äußern sich die Auswirkungen des kommunistischen Parteiregimes auf die Grenzen des Sagbaren. Auch Renés Vater tritt im zweiten Band als Akteur der Kontrolle im Staat auf. Er selbst ist Parteimitglied und war der Grund für Renés unbegrenzte Freiheit in den Sommerferien, da er für sechs Wochen zu den (Ab-) Rüstungsverhandlungen nach Genf entsandt wurde. Zuvor wurde er jedoch vom Ministerium für Staatssicherheit (kurz: MfS) überprüft, um sich seiner Tauglichkeit zu vergewissern. Seine Rolle kann deshalb auf der Mikroebene auch als symbolisch für die Staatsmacht der DDR gedeutet werden. Sowohl er selbst als auch eine von Renés Lehrer*innen sprechen den Sechzehnjährigen auf Lef 2 an, obwohl weder er noch Michael oder Dirk irgendjemandem sonst etwas davon erzählt hatten. Renés Erklärung dafür lautet „Horch und Guck“ (S. 351), welches in der DDR als umgangssprachliche Umschreibung des MfS fungierte.
Der Umgang mit Sprache und ihre besondere Rolle im alltäglichen Leben der DDR wird auch an Renés Musikprojekt mit Robert und Günter deutlich. Sie gründen zum Ende des Schuljahres eine Band und sinnieren über deren Namen. Auf einem Volksfest in der Bergschenke mit reichlich Bier und einem ganzen aufgespießten Hirsch auf dem Grill sammeln sie auf einem Bierdeckel Namensvorschläge. Von Smoking Ruins, als Metapher für das programmatische Bestreben surrealistischer Literatur, „alte Kunst zu zerstören, um zwischen ihren rauchenden Ruinen eine neue zu erschaffen“ (S. 342), kommen sie über den oben erwähnten Hirsch und den Antikriegs-Film The Deer Hunter schließlich zum Namen Dead Deer Rampage, abgekürzt D.D.R. (S. 364). Zusätzlich treffen sie die Vereinbarung, bei jeder neuen Platte, die sie aufnehmen wollen, das letzte Wort auszutauschen („Dead Deer Revenge“, S. 364; „Dead Deer Renaissance“, S. 365), jedoch immer so, dass die Abkürzung D.D.R. bleibt.
Die Auswirkungen, die der kontrollierende Staat auf Renés Sprechen oder Schweigen ausübt, sind im Folgeroman deutlich präsenter als in Skizze eines Sommers. Sie beeinflussen manchmal indirekt (Dead Deer Rampage) oder direkt (Lef 2) sein Handeln und der Protagonist ist sich dessen durchaus bewusst. Doch nehmen sie am Ende immer noch nicht die Übermacht in seinen Gedanken und Reflexionen ein. Marko Martin spricht in Die verdrängte Zeit: Vom Verschwinden und Entdecken der Kultur des Ostens (2020) vom „Ambivalenzbewusstsein“ (S. 12) gegenüber der politischen Kontrolle in der DDR und der Möglichkeit, trotzdem einen normalen Alltag zu leben. Genau in diesem Dazwischen siedelt Kubiczek seinen Roman an.        

Literatur

Renés ausgeprägtes Interesse an Literatur zeigt sich auch in Straße der Jugend. In den ersten Schulwochen in Halle stellt er schmerzlich fest, dass er mit seinem neu gewonnenen Freund Robert nicht wie mit seinen Schulfreunden Michael oder Dirk über „dekadente Dichter“ oder „russischen Symbolismus“ (S. 148) sprechen kann. Günter, dessen literarische Interessen sich genauso wenig mit denen Renés überschneiden, fragt ihn bei einem gemeinsamen Kneipenabend, kurz nachdem sie sich kennengelernt haben, ob er nicht lieber „was mit Literatur“ (S. 230) studieren wolle. Renés Rückfrage: „Kann man denn überhaupt was mit Literatur studieren?“ (S. 230) deutet daraufhin, dass er sich bislang nicht mit den eigenen Interessen bzgl. eines Studienfaches auseinander gesetzt zu haben scheint. Seine fehlenden individuellen Zukunftspläne können einerseits auf die verbindlichen Vorstellungen seines Vaters zurückgeführt werden, andererseits auch mit möglichen Ängsten vor ebendieser mit dem Erwachsensein zusammenhängenden Verbindlichkeit zusammenhängen. Der scheinbar ewige Sommer der Jugend, wie ihn Rene´ im ersten Roman genossen hat, war nicht dazu angetan, diesen freien Schwebezustand – und sei es auch nur gedanklich durch konkrete Zukunftspläne – zu gefährden.
Renés ausgeprägter Hang zur Melancholie vermischt mit dem anfänglichen Heimweh nach seinen alten Freunden und seiner Freundin Victoria und findet in seiner Auseinandersetzung mit Literatur immer wieder Ausdruck. Das Gedicht Herbsttag von Rainer Maria Rilke, das René in „diesem total optimistischen Jugendorgan“ (S. 150) neues leben findet, spiegelt für den Jugendlichen seine aktuelle Situation perfekt wider:

Herbsttag

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.

Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,

und auf den Fluren lass die Winde los.

 

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;

gib ihnen noch zwei südlichere Tage,

dränge sie zur Vollendung hin, und jage

die letzte Süße in den schweren Wein.

 

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.

Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,

wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben

und wird in den Alleen hin und her

unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

(Rainer Maria Rilke, 21.9.1902, Paris)

René zitiert die Passage „Der Sommer war sehr groß“ (ebd.) und bemerkt bedauernd: „Rilke hatte recht […]. Es war echt zum Heulen“ (S. 151). René betrauert während seiner Zeit in Halle seine sorglose, vergangene Kindheit und mit ihr die Distanz zu all den Menschen, die daran Teil hatten.
Die Zeit in den Ferien verbringt er mit Michael und Dirk in Potsdam unter anderem damit, an ihrem eigenen Literaturmagazin Lef 2 zu arbeiten. Sie erstellen zunächst ein theoretisches Gerüst, bestehend aus Namen, Strömungen oder Musikgenres, die die „unerschütterliche Basis“ (S. 206) für die Zeitschrift darstellen. Darunter befinden sich unter anderem Futurismus, Surrealismus, Brecht-Theater, Absurdes Theater, Einstein, Punk, Industrial (ebd.). Die Zeitschrift, deren Name übersetzt „Linke Kunstfront“ (S. 194) heißt und an das gleichnamige Projekt Majakowskis erinnern soll, verfolgt laut Michael das Ziel, „zu einem revolutionären Sprung der Gesellschaft [zu] führ[en]“ (ebd.). Außerdem betont er die politische Orientierung der Zeitschrift, welche dem linken politischen Spektrum angehöre.
Michael und Dirk geben René mit ihrer Idee einen Anstoß, sich kritisch reflektierend mit den bestehenden Idealen in Kunst, Literatur und Theater auseinanderzusetzen. Es gehe darum, veraltete Ästhetiken zu zerstören, „um den Zustand unserer eigenen gesellschaftlichen Stagnation zu überwinden“ (ebd.). Sie setzen sich dafür mit ihren eigenen Lesegewohnheiten kritisch auseinander und beurteilen sie vor dem Hintergrund revolutionärer Bestrebungen neu. Renés Verwunderung darüber, dass sie nun bestimmte Autoren nicht mehr bevorzugen, die sie zuvor noch mochten, erklären sie damit, dass ihre vormalige Vorliebe „ein literaturgeschichtlicher Irrtum“ (ebd.) war. Der Protagonist lässt sich etwas widerwillig überzeugen mitzumachen, reflektiert aber über das Projekt, dass es Spaß mache, „im luftleeren Raum“ darüber zu sprechen (S. 196). Und „[m]ehr als eine Sechzehner-Auflage wollten wir […] nicht produzieren“ (ebd.), weil der Aufwand mit Schreibmaschine ansonsten zu groß ausfalle. Die revolutionäre Energie, die zu Beginn ihrer Planungen noch im Vordergrund zu stehen schien, scheint nicht über die Produktionsbedingungen der Zeitschrift hinauszureichen. Dass die drei Freunde während ihres Gründungsgesprächs im Café Heider offensichtlich belauscht wurden und so ins Visier des MfS kommen, bremst sie in ihrer Motivation endgültig. Der zuvor erhoffte revolutionäre Sprung in der Gesellschaft wird von Michael und Dirk deshalb abgemildert: „Wir wollen ihn [den Staat, Anm. d. Verf.] nur ein Stück weiter nach links verschieben […] aber nicht mit revolutionärer Gewalt, sondern mittels der Kunst“ (S. 354). Auch hier gehen sie den schon beschriebenen Weg der Friedlichen Koexistenz und legen die Produktion der Zeitschrift zunächst auf Eis. Das Gefühl, bespitzelt zu werden, erfahren die Figuren hier am eigenen Leib und ihre Bemühungen, einen sozialistischen und damit eigentlich bereits linken Staat ‚noch linker zu machen‘, werden von eben diesem kommunistischen Überwachungsstaat im Keim erstickt.

Musik

Auch die Musik spielt im zweiten Band Kubiczeks wieder eine sinnstiftende Rolle in Renés Leben. Die Erzählung ist durchzogen mit Querverweisen zu bestimmten Bands (bspw. Anne Clark auf S. 77, Peter and the Test Tube Babies auf S. 187, The Clash, New Model Army, Scritti Politti auf S. 241, The Stranglers auf S. 291) oder Versen aus Liedern (bspw. Talk About The Weather von Red Lorry Yellow Lorry zu Beginn des dritten Kapitels, A Strange Day von Robert Smith auf S. 151, William, It was really Nothing von The Smiths auf S. 187), die der Protagonist zitiert  oder die im Fall von Kapitel eins und drei als einleitende Elemente dienen. Im Vergleich zu Skizze eines Sommers verändert sich jedoch der Musikgeschmack des Sechzehnjährigen: „Seit ich meine Lederjacke besaß und nicht mehr im schwarzen Anzug meines Opas rumlief, hatte sich auch mein Musikgeschmack leicht gewandelt, als gäbe es da einen Zusammenhang“ (S. 34). Im Vergleich zu den Sommerferien ist die Musik nun „härter und schneller, hatte weniger Synthesizer […], aber dafür mehr elektrische Gitarren“ (S. 35). Während er vor ein paar Wochen noch Bands wie Prefab Sprout, Cabaret Voltaire oder Fad Gadget favorisierte, hört René nun die Musik von amerikanischen Rockbands wie Gun Club, The Cramps oder Tuxedomoon. Wie bei jedem Menschen, vor allem im Prozess der Adoleszenz, verändert sich sein Kunstverständnis und Schönheitssinn. Auch seine neuen Freunde beeinflussen ihn dahingehend, indem sie ihn mit neuer Musik vertraut machen. Ob Robert, der nach Bob Dylan benannt wurde und in Halle in der Bierstube begeistert zu Rockbands wie Led Zeppelin oder ZZTop tanzt , oder Günter, der sich selbst eine Gitarre baut und damit den Anstoß zur Gründung der eigenen Band Dead Deer Rampage (abgekürzt: D.D.R.) gibt , die Musik stellt für René zusammen mit der Literatur und seiner Peer Group die konstituierenden Elemente seiner Identität dar.

Bindungen

In Straße der Jugend verändern sich Renés Beziehungen und auch in seiner Familie ordnen sich die Verhältnisse neu. Victoria, die für ihn im Sommer noch das „allerschönste [Mädchen] auf der ganzen, weiten Welt“ (Skizze eines Sommers, S. 97) war, trennt sich nach kurzer Zeit von ihm. Grund dafür ist Rebecca, mit der er in seinen Herbstferien in Potsdam im Café Stadttor ausgeht. Dabei werden sie von einer Bekannten Victorias beobachtet, die zufällig auch anwesend ist, die René jedoch nicht kennt. Victoria vermutet eine Affäre und macht deshalb Schluss mit ihm. Die Gefühle für Rebecca, die der Protagonist bereits in den Sommerferien entwickelt hat, erklärt er sich bisher damit, dass sie beide wie Bruder und Schwester seien. Als seine Beziehung zu Victoria endet, kommt es deshalb zwangsweise zur erneuten Aushandlung ihres Verhältnisses. Als René Rebecca dann bei einem erneuten Treffen fragt, ob sie beide nicht doch eine Liebesbeziehung eingehen wollen, wehrt sie dies mit Verweis auf ihre differierende politische Haltung ab. Es sei ein Unterschied, „ob man opportunistisch redet, aber dem Staat grundsätzlich positiv gegenübersteht oder, ob man erklärtermaßen sein Feind ist, wenn auch nur hinter verschlossener Tür“ (S. 297). Sie spielt damit auf die konträren politischen Positionen an, die sie jeweils in ihren Elternhäusern erfahren haben. Während Rebecca in einem systemkritischen Umfeld sozialisiert worden ist, entstammt René einer Familie, die – zumindest was den Vater betrifft – den politischen Institutionen angehört.  Damit begründet sie ein grundsätzliches Hindernis für eine Liebesbeziehung. Erst am Schluss des Romans entschließen sich beide trotz der politischen Differenzen ihrer starken Zuneigung zueinander zu folgen. Rebecca wird außerdem im nächsten Schuljahr auf die Kunsthochschule gehen, welche ebenfalls in Halle ist. So öffnet sich vor ihnen eine gemeinsame Zukunft und sie werden doch noch ein Liebespaar.
Auch die Bindungen zu seinen alten Freunden aus Potsdam verändern sich aufgrund der neuen Lebenssituation Renés. Die Freundschaft mit Michael und Dirk verstetigt sich in den Ferien weiterhin. Sie arbeiten gemeinsam an Lef 2 und sprechen auch über intimere Themen, wie zum Beispiel über Renés Liebesverhältnisse zu Viktoria und Rebecca. Die Bindung zu Mario jedoch wird loser als noch im Sommer zuvor. René reflektiert: „aber ich merkte, dass wir uns nicht mehr viel zu sagen hatten, seit ich in Halle war“ (S. 248). In Halle findet er außerdem weitere Freunde (Robert und Günter), mit denen er gemeinsame Hobbies entwickelt und seine Schul- und Freizeit verbringt. Wiederum hebt Kubiczek darauf ab, dass sich das Erwachsenwerden in DDR in vielerlei Hinsicht ‚normal‘ gestaltet. Auch René muss als Teil des Erwachsenwerdens erkennen, dass neue Freundschaften geschlossen werden und alte Bindungen hingegen mit der Zeit und dem räumlichen Abstand verblassen können, dass Liebesbeziehungen manchmal genauso schnell enden, wie sie begonnen haben (Victoria) und schließlich, dass es manchmal verhältnismäßig lang dauert, bis man erkennt, dass man romantische Gefühle für eine Person hegt (Rebecca). Damit erlebt René das, was die meisten Jugendlichen in seinem Alter erleben. Und wie bei ihm spielen die freundschaftlichen oder romantischen Beziehungen bei den meisten jungen Erwachsenen eine übergeordnete Rolle.
Die angespannte Situation mit Victoria wird noch verkompliziert, als er erfährt, dass sein Vater eine Liaison mit ihrer Mutter eingegangen ist. Ohne Vorwarnung wird René an Weihnachten vor vollendete Tatsachen gestellt und muss mit dem Umstand klarkommen, dass seine Ex-Freundin nun seine Stiefschwester ist (vgl. Kapitel „Weihnachten und Ostern zusammen“, ab S. 257). Bereits in Skizze eines Sommers ist die Beziehung Renés zu seinem Vater durch Abwesenheit, emotionale Distanz und Desinteresse gekennzeichnet. Dieser Eindruck wird im Folgeroman noch verstärkt. Sei es durch Passagen, in denen sich der Vater kurz angebunden zeigt, wenn er seinen Sohn verabschiedet, wie beim Bringen Renés zum Ferienlager oder zum Bahnhof, auf dem Weg nach Halle. Dazu gehört auch die Abwesenheit des Vaters und sein Desinteresse an Renés Befinden an den „sogenannten besinnlichen Tage[n]“ (S. 247). Wie schon im ersten Roman ist die Beziehung Renés zu seinem Vater von Kälte und Distanz geprägt. Seine Großeltern jedoch, in den Sommerferien von ihrem Enkel immer wieder vertröstet, bekommen im Herbst wieder etwas mehr Beachtung. René besucht sie als Reaktion auf einen Brief seines Vaters, in dem er ihm vom schlechten Gesundheitszustand seines Opas erzählt. Kurz darauf stirbt Renés Großvater. Bei dessen Beerdigung scheint sich die angespannte Stimmung zwischen René und Victoria, die ihm tröstend zur Seite steht, aufzulösen („Das war der Moment, wo ich zum ersten Mal dachte, wie schön es eigentlich war, mit 16 noch eine Schwester geschenkt bekommen zu haben“, S. 363).
Renés Bindungen sind vielfältig und wie bei allen Menschen im ständigen Wandel. Sie zeigen, dass er sich selbst immer wieder verändert, dass andere sich ebenfalls weiterentwickeln und dass sich das alltägliche, individuelle Leben jenseits von politischen Begebenheiten abspielen kann, was es bei dem Großteil der Personen in Renés Leben auch tut. Kubiczek bietet mit seinen beiden Romanen eine alternative Sichtweise auf das alltägliche Leben in der DDR an. Die Beschäftigung mit der Geschichte der DDR muss nicht immer als „total[e] Amnesie“ auf der einen oder „selektive[s] Erinnern“ auf der anderen Seite ausfallen (Martin 2020: 12). Die ostalgische oder dezidiert kritische Perspektive sind zwei Pole auf einer Skala, auf der in der Mitte noch sehr viel mehr zu finden ist, was durch eine derartige, polarisierende Reduzierung verloren geht. Kubiczeks Romane werben für ebendiese Wahrnehmung zwischen Vergessen und Ostalgie und zeigen aus Renés Perspektive, was die Lebenswirklichkeit der meisten Bürger*innen der DDR gewesen sein mochte.

Formale Aspekte[ ↑ ]
Ironie

Wie sein Vorgängerroman, ist auch Straße der Jugend von der ironischen Erzählweise Renés geprägt, der seine Erinnerungen mit evaluativen und reflexiven Kommentaren versieht. „Ich […] war verdonnert worden zu einem obskuren Fach namens Organisation der materiell-technischen Basis, und weil eine solche Rarität in heimischen Breiten nicht angeboten wurde, musste ich deswegen extra ins Ausland, sprich: mein Studium in zwei Jahren würde mich nach Moskau führen, Hauptstadt der ruhmreichen Sowjetunion“ (S. 9). So bewertet der Sechzehnjährige seine Zukunft, die eher die Pläne seines Vaters als seine eigenen darstellen. Als sein Chemielehrer ihn aufgrund seiner auffallenden Kleidung zurechtweist und ihm nahelegt, er solle seine Einstellung überdenken, sonst sei sein Studium in Moskau in Gefahr, überlegt René im Nachhinein, welche Antworten wohl die richtigen in diesem Moment gewesen wären: „Oh nein, mein schönes, schönes Studium in der Sowjetunion!“, „Da wird sich die materiell-technische Basis der Zukunft unserer Republik aber bei Ihnen bedanken!“ (S. 216) Er entschließt sich stattdessen, „lieber den Mund zu halten“ (S. 216) und schweigt. Der scherzhaft-zynische Ton des Ich-Erzählers, der sich vor allem, aber nicht ausschließlich, im Kontext DDR-spezifischer Sachverhalte äußert, verdeutlicht Renés „Ambivalenzbewusstein“ (Martin 2020: 12) und seinen individuellen Umgang mit der gesellschaftspolitischen Lage. Durch seine Ironie kann der Sechzehnjährige Distanz zum restriktiven System gewinnen, welches bspw. in Form seiner Lehrer*innen auftritt, um die eigene Deutungshoheit über sein Leben zurückzugewinnen

Konzeptionelle Mündlichkeit und Erzählsituation

René ist als autodiegetischer Erzähler konzipiert, der sich an eine bereits vergangene Zeit erinnert und die Erlebnisse reflexiv kommentiert. Dabei nutzt Kubiczek verschiedene Mittel, um konzeptionelle Mündlichkeit herzustellen. Diese ermöglicht es ihm, die Distanz zwischen Leser*in und Erzähler zu verkleinern. Die konzeptionelle Mündlichkeit wird durch dreierlei Aspekte erzeugt:
Zuerst fällt die Alltagssprachlichkeit auf, die den Eindruck eines lockeren Austauschs zwischen Protagonist und Leser*innen vermitteln („Die Humpen klirrten, und im nächsten Moment schon hatte sich Robert die ersten Deziliter Bier hinter die Binde gehauen“, S. 112; „Wir waren nass bis auf die Knochen. Wie zwei begossene Pudel“, S. 178). Zweitens tragen die oben bereits erwähnten zahlreichen ironischen Wendungen zur Herstellung konzeptioneller Mündlichkeit bei. Diese vermitteln ebenso wie die Alltagssprachlichkeit eine lockere Gesprächsatmosphäre zwischen Erzähler und Leser*in. Zuletzt fällt die im gesamten Roman verwendete Leser*innenadressierung auf. Sie verdeutlicht Renés Reflexionen über bestimmte Erlebnisse und unterstreicht besonders wichtige Eindrücke des Protagonisten („Ich glaube, Victoria würde ausflippen, wenn sie wüsste, was ich euch gerade erzählen wollte“, S. 67; „Das Leben ging auch ohne Freundin weiter, ohne Victoria, und wisst ihr warum? Weil es das musste“, S. 301; „Ich will euch hier nicht belasten mit den ganzen Sachen, die sich hinter den geschlossenen Türen der Ernst-Schneller-Straße1 abspielten“, S. 134). Die besondere Erzählsituation in Straße der Jugend verringert wie auch schon bei Skizze eines Sommers die Distanz zwischen Leser*in und Erzähler, sodass die Erlebnisse des Protagonisten unmittelbar nachvollziehbar sind.

Pressespiegel[ ↑ ]
Straße der Jugend findet seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2020 noch keine weitreichende Beachtung in der Presse. Dietmar Jacobsen vergleicht auf literaturkritik.de den Erzählstil Kubiczeks mit dem Vorgänger Skizze eines Sommers und fasst ihn als „unverkrampft-jugendlich“ zusammen. Der Roman vermittele ein genaues und mit Details vollgepacktes Bild der DDR, in dem die politischen Umstände „nicht unbedingt eine Hauptrolle in [Renés] Leben“ spielen. Kubiczeks Geschichte zeige den Alltag eines DDR-Jugendlichen, welcher spannend sein könne, „wenn man dem Falschen nicht zu viel Macht über sich“ einräume. Andrea Lütkewitz bedauert in den Potsdamer Neuesten Nachrichten das Fehlen eines doppelten Bodens, welches den Roman lediglich zu „einem sich wiederholenden Lesevergnügen“ mache. Ihr fehlt die „Weiterentwicklung der Figur“, die die Überwachung durch das MfS doch am eigenen Leib erfährt. Ihr Resümee bleibt jedoch grundlegend positiv, da Renés Geschichte auch als Identitässuche gelesen werden kann, die auch „in den letzten DDR-Jahren widerstandsfähig […] gegen staatliche Versuche der Gleichmachung“ bleibt. „[P]erfekt durchkomponiert“ sind sowohl Straße der Jugend als auch Skizze eines Sommers für Gérard Otremba (soundsandbooks.com). Kubiczeks Roman schreie nach einem dritten „René-Band“, in dem die Leser*innen „den Weg des schüchtern-melancholischen und selbstironischen Helden genüßlich begleiten“ können.
 

Literatur
 

Primärliteratur

Kubiczek, André: Straße der Jugend. Berlin: Rowohlt 2020.
 

Sekundärliteratur


Jacobsen, Dietmar: Vom Erwachsenwerden in der DDR. Mit „Straße der Jugend“ erzählt André Kubiczek die Abenteuer seines Helden aus „Skizze eines Sommers“ von 2017 weiter. Rezension auf Literaturkritik.de vom 01.09.2020.

Kerbel, Barbara: Von der Krippe bis zur Hochschule – das Bildungssystem der DDR. Internet-Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung vom 01.07.2016.

Lütkewitz, Andrea: Wie die Hippies aus dem Café Heider. Potsdamer Neueste Nachrichten vom 16.08.2020.

Martin, Marko: Die verdrängte Zeit. Vom Verschwinden und Entdecken der Kultur des Ostens. Stuttgart: Tropen 2020.

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