Forschungsprojekt Ganz In
Selbstständiges Experimentieren und naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung im Biologieunterricht - Entwicklung und Evaluation
Teilprojekt von Ganz In - Mit Ganztag mehr Zukunft. Das neue Ganztagsgymnasium in NRW
gefördert durch die Stiftung Mercator und das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (MSW)
verantwortlich: S. Baumann
Experimentieren wird als ein komplexer Problemlöseprozess verstanden, für deren Bearbeitung Lernende unter anderem das Generieren von Hypothesen, das Planen von Experimenten und das Auswerten von Daten beherrschen müssen (Meyer, 2007). Internationale Schulleistungsvergleiche bescheinigen deutschen Schülerinnen nur unzureichende Kompetenzen in diesen Bereichen. Die Dissertation trägt durch die Entwicklung einer Lernumgebung, die selbständiges Experimentieren und konzeptuelles Lernen fördert, zur Verbesserung dieser Situation bei. Die zwei Lernsitzungen umfassende Interventionsstudie zum Thema „Wärmeisolation“ folgte einem 2x2 faktoriellen Design mit vier Treatmentgruppen (A bis D), die sich hinsichtlich des eingesetzten Lemformates und der An‘ der Experimentdurchführung unterscheiden. Für die Treatmentgruppen A und B wurden biologische Beispielaufgaben entwickelt, in denen ein Experiment in all seinen Teilschritten exemplarisch dargestellt wird. Die Treatmentgruppen C und D erhielten eine herkömmliche Experimentieranleitung in Form von inhaltsäquivalenten Schulbuchtexten. Um den Einfluss der Art der Experimentdurchführung zu untersuchen, wurde zusätzlich ein Vergleich zwischen dem praktischen Experimentieren (Hands-on) und dem gedanklichen Experimentieren (Paper-pencil) vorgenommen. Eine begleitende Videountersuchung sollte darüber hinaus Hinweise zu den manuellen Experimentierfähigkeiten der Schüler geben. Insgesamt nahmen 353 Gymnasialschüler der Jahrgänge sechs und sieben an der Studie teil. Die Studienergebnisse zeigen, dass die praktische Experimentdurchführung (Treatment A und C) zu einer größeren Lernfreude und einem höheren subjektiven Kompetenzerleben führt als das rein gedankliche Nachvollziehen der Experimente (Treatment B und D). Des Weiteren zeigen beide praktisch experimentierenden Lerngruppen eine höhere Lernleistung im Bereich des experimentellen Methodenwissens (Treatment A und C). Entgegen den Erwartungen lassen sich keine Unterschiede zwischen ihnen identifizieren. Für die Lernleistung im Bereich des experimentellen Methodenwissens ist es unerheblich, ob die Schüler mithilfe von Beispielaufgaben oder mithilfe des Schulbuchtextes praktisch experimentieren. Die untersuchte Wirksamkeit der Lernumgebungen im Bereich des Konzeptwissens zeigt eine Überlegenheit des Beispielaufgabenformates gegenüber dem Schulbuch. Die interventionsbegleitend erhobenen Videodaten wurden mithilfe eines induktiv entwickelten Kategoriensystems analysiert. Die Ergebnisse für die mit Beispielaufgaben experimentierenden Probanden zeigen, dass durchschnittlich nur ein Drittel der Probanden Fehler begeht, wobei sich diese auf den Aufbau und die Durchführung des Experimentes beschränken. Insgesamt konnten fünf verschiedene Fehlerarten identifiziert werden: fehlerhafter Aufbau und fehlerhafte Durchführung des Experimentes, zeitliche Durchführungsfehler, Messfehler, Verfälschung der Messergebnisse und zufällige Fehler. Die videoanalytischen Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass das Beispielaufgabenformat das selbständige Experimentieren fördert, weil es dem Großteil der Schüler mithilfe der darin umgesetzten kleinschrittigen Darstellung der Experimentierabfolge bereits gelingt, ihre Fehler und deren Ursachen zu erkennen und zu korrigieren. Ob die mit dem Schulbuch praktisch experimentierenden Schüler ebenfalls solche Erfolge verzeichnen können, wird in weiterführenden Analysen zu klären sein.