Forschungs- und Promotionskolleg „Beschäftigte in der Weiterbildung im Spannungsfeld von Professionalisierungsdruck und fortschreitender Destabilisierungstendenz in den individuellen Erwerbsverläufen“

Der Bedeutungszunahme Lebenslangen Lernens steht in der Weiterbildung eine allenfalls rudimentär entwickelte Profession und Professionalisierung sowie eine äußerst heterogene Beschäftigungslage in den verschiedenen Segmenten konträr gegenüber. Aktuelle Befunde deuten weder auf eine Realisierung der Professionalisierungspostulate hin, noch liegt eine durchweg positive Beschäftigungslage vor (vgl. Dobischat/Fischell/Rosendahl 2009). Während die bis dato vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Arbeitsbedingungen in der betrieblichen Weiterbildung als marginal und kursorisch bewertet werden müssen, weisen die Befunde zur öffentlich-geförderten beruflichen und allgemeinen Weiterbildung auf eine besonders desolate Beschäftigungssituation, insbesondere der hauptberuflichen Honorarlehrkräfte, hin. Der Forschungsstand zum tatsächlichen Ausmaß der Beschäftigungsbedingungen sowie die empirische Datenbasis liefern gegenwärtig erst fragmentarische, segmentspezifische und nicht repräsentative Informationen, so dass ein erhebliches Forschungsdefizit beklagt werden muss. Dieses Defizit besteht auch hinsichtlich der Konstitution einer Weiterbildungsprofession (vgl. Dobischat/Fischell/Rosendahl 2010). Weder in Deutschland noch in anderen europäischen Staaten wird ein Diskurs über die Professionsentwicklung und Professionalität des Weiterbildungspersonals geführt (vgl. Nuissl 2005). Zwar werden unter dem Schlagwort Professionalisierung Kompetenzen und Qualifikationen der Weiterbildner diskutiert, ohne hierbei jedoch die Professionsdebatte in seiner Komplexität zu erfassen und mit einzubeziehen. Sofern überhaupt Ansätze eines Professionalisierungsdiskurses in der Weiterbildung geführt werden, beziehen sich diese auf Konzepte und Merkmale, die in den 1970er und 1980er Jahren in den Disziplinen der Psychologie, Soziologie und Erziehungswissenschaft Relevanz besaßen (vgl. Gieseke 2009; Nittel 2000). Es ist jedoch fraglich, ob diese Professionscharakteristika, die sich auf vor einigen Jahrzehnten mit vorwiegend durch regulierte (sozialversicherungspflichtige) Beschäftigung geprägten Arbeitsmärkten bezogen, auch gegenwärtig in einem Zeitalter zunehmender atypischer Beschäftigung und neuer Lehr-/Lernformen noch geeignet sind, spezielle Berufsgruppen in der durch Heterogenität und geprägten Weiterbildung zu charakterisieren (vgl. Knoll 2002). Der wissenschaftliche Diskurs über die weiterbildnerische Profession korrespondiert zwangsläufig mit der Beschäftigungssituation und den Arbeitsbedingungen, die sich in einem Spannungsfeld zwischen erforderlicher Professionalität und dem wachsenden Risiko prekärer Beschäftigung entwickeln. Es stellt sich die Frage, ob zwischen den beiden mehr oder weniger empirisch begründbaren Tendenzen einer mangelnden Professionalisierung und einer zunehmenden Prekarisierung der Beschäftigten eine Wechselbeziehung besteht. Um den wissenschaftlichen Professionalisierungsdiskurs neu justieren sowie politische Gestaltungsebenen zur Forcierung der proklamierten Professionalisierung des Weiterbildungspersonals im Zeitalter des Lebenslangen Lernens identifizieren zu können, ist eine detaillierte Kenntnis der aktuellen Arbeitsbedingungen und Professionalisierungstendenzen notwendig. In der wissenschaftlichen Debatte wird immer wieder die empirisch nicht gesicherte Annahme vorgetragen, dass die Beschäftigungssituation des Weiterbildungspersonals zur Bewältigung der Professionalisierungsherausforderungen essentiell ist (vgl. Kremer 2008; Leney 2004; Lattke/Nuissl 2008; Rebmann/Tobias 2008). Die gegenwärtig geführte Professionsdebatte bedarf vor dem Hintergrund der Entwicklung zum Lebenslangen Lernen zum einen einer Aktualisierung ihres theoretischen Referenzsystems und zum anderen eine stärkere Rekurrierung auf die realen Entwicklungen in den entsprechenden Teilarbeitsmärkten der Weiterbildung. Nicht zuletzt leitet sich die Relevanz eines solchen profilierten Forschungsfeldes aus der bildungspolitischen und erwachsenenpädagogischen Bedeutung von Weiterbildung ab, sondern sie gewinnt ebenso arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Stellenwert, da die Weiterbildungsbranche nicht nur in Bezug auf Umsatz und Investition, sondern auch in Bezug auf die Beschäftigtenzahl den größten Bildungssektor in Deutschland darstellt – wobei das tatsächliche Ausmaß erst noch ermittelt werden muss.

Forschungsdesign

Das Forschungs- und Promotionskolleg ist in drei Teilvorhaben gegliedert, die sich aus den drei Tätigkeitssegmenten öffentlich-geförderte allgemeine, öffentlich-geförderte berufliche und privatfinanzierte, betriebliche Weiterbildung ergeben. Dieser differenzierte Zugang begründet sich durch die heterogenen Arbeits- und Einkommensbedingungen, die unterschiedlichen Ziele der in diesen Segmenten angebotenen Weiterbildungsveranstaltungen sowie den damit variierenden Qualifikationsanforderungen an das Personal und den unterschiedlichen Finanzierungsstrukturen der arbeit- und auftraggebenden Einrichtungen bzw. Betriebe. Die unterschiedlichen externen Rahmenbedingungen konfrontieren das Weiterbildungspersonal mit voneinander abweichenden Professionalisierungsanforderungen hinsichtlich der Tätigkeitsfelder und beeinflussen ferner die institutionellen Gestaltungsspielräume der Arbeit- und Auftraggeber. Entsprechend dem unterschiedlichen Forschungs- und Erkenntnisstand sowie den dargestellten teilweise kontrastierenden Konstitutionen erfolgt in den drei Teilvorhaben zum einen ein jeweils eigener empirischer Zugriff, zum anderen wird eine untereinander koordinierte Erhebung durchgeführt, um einen Vergleich der Beschäftigungsbedingungen und Professionalisierungstendenzen zwischen den einzelnen Weiterbildungssegmenten herstellen und Differenzen markieren zu können. Übergreifendes Ziel aller drei Teilvorhaben ist es, die Arbeitsbedingungen sowie damit einhergehend die Professionalisierungstendenzen des Weiterbildungspersonals zu untersuchen und dahingehend zu analysieren, ob ein Spannungsverhältnis zwischen Beschäftigungssituation und Professionalisierungspostulat besteht, wie sich dieses in den drei Weiterbildungssegmenten jeweils konstituiert und welche Determinanten auf politischer, rechtlicher, finanzieller und institutioneller Ebene identifiziert werden können.


Projektlaufzeit:         Oktober 2010 – Oktober 2013


Projektleitung:          Prof. Dr. Rolf Dobischat       


Projektmitarbeit:      Dr. Anna Rosendahl und Marcel Fischell


Teilnehmer am
Promotionskolleg
:     Julia Alfänger, Robert Cywinski (Dipl. Päd.), Arne Elias


Finanzierung durch die: