Dissertationsprojekt Simon Kaulhausen

Strukturelle Ursachen für Prüfungsmisserfolg im Fach Chemie an der Universität

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Theoretischer Hintergrund
In Klausuren zur Allgemeinen Chemie an der Universität lassen sich häufig hohe Misserfolgsquoten beobachten. Häufig fallen mehr als 30 % der Studierenden durch die Prüfung (Averbeck, 2021; Freeman et al., 2011). Problematisch an dieser Beobachtung ist nicht nur der entstehende Frust der Studierenden, sondern auch die Tatsache, dass Prüfungsmisserfolg ein wesentlicher Faktor für Studienabbruch darstellt (Heublein et al., 2010). Ursächlich für Prüfungsmisserfolg sind zwei Bereiche: Zum einen individuelle Faktoren, wie beispielsweise niedrige Motivation oder mangelndes Vorwissen haben nachweislich einen Einfluss auf die Prüfungsleistung (Averbeck, 2021). Zum anderen gibt es für strukturelle Ursachen erste Indizien. So zeigt sich, dass eine Diskrepanz zwischen den gelehrten Inhalten und den von Studierenden gelernten Inhalten besteht (Eilks et al., 2010). Schindler (2015) konnte darüber hinaus in seiner Studie nachweisen, dass Lehrende sich bei der Wahl der Prüfungsaufgaben oftmals nicht auf die zuvor definierten Lernziele beziehen. Auch in der Allgemeinen Chemie konnten bereits erste strukturelle Defizite ausgemacht werden. So bestehen im Laborpraktikum deutliche Diskrepanzen zwischen den wahrgenommen Lernzielen der Studierenden und den von Dozierenden intendierten Lernzielen (Elert, 2019).

All diese Indizien legen nahe, dass eine Passung von Lernzielen, Lehre und Prüfungen nicht vorliegt. Das Modell des Constructive Alignment stellt diese Passung jedoch als wesentlich für ein kompetenzorientiertes Modul heraus (Biggs, 2003; Wildt & Wildt, 2011). Wenn sich die Lehre auf zuvor definierte prüfbare Lernziele bezieht und die Prüfung diese am Ende abprüft, werden die Kompetenzen erfasst, die auch tatsächlich gelehrt und erworben wurden (Schaper et al., 2013; Walzik, 2012).
 

Ziel der Studie
Was für das Praktikum in Allgemeiner Chemie bereits beobachtet werden konnte, gibt Grund zur Annahme, dass auch über das Praktikum hinaus in Modulen der Allgemeinen Chemie eine mangelnde Passung im Sinne des Constructive Alignment vorliegen könnte. Diese Studie soll genau diese Passung überprüfen und prüfungsrelevante Probleme aufdecken.
 

Forschungsfragen
FF1:  Wie decken sich die von den Studierenden wahrgenommenen Lernziele mit den als wichtig erachteten Lernzielen der Lehrenden?

FF2: In welchem Umfang bilden Prüfungen die von den Lehrenden intendierten bzw. die von den Studierenden rezipierten Kompetenzen ab?

FF3: Welchen Einfluss hat eine mangelnde Lernzielübereinstimmung zwischen den von Studierenden wahrgenommenen Lernzielen und den als wichtig erachteten Lernzielen der Lehrenden auf den Klausurerfolg?
 

Methodik und Design der Studie
Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage wurden Lernziele für Module der Allgemeinen Chemie in unterschiedlichen kognitiven Dimensionen nach der Lernzieltaxonomie von Anderson und Krathwohl (2001) formuliert. Hierbei wurde sich inhaltlich an Modulhandbüchern, Lehrwerken der Allgemeinen Chemie und Vorlesungsskripten orientiert. Mittels Fragebogen wurden jeweils zu Semesterbeginn in drei Modulen verschiedener Studiengänge mit Allgemeiner Chemie die Dozierenden (N ≈ 3) befragt. Die Studierenden (N ≈ 350) erhielten den Fragebogen in einer der letzten Vorlesungssitzungen. Die Lernziele sollen dabei mittels Likert-Skala nach Wichtigkeit bewertet werden.

Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage soll als nächstes die Klausur näher betrachtet werden. Hierzu werden den Prüfungsaufgaben Lernziele zugeordnet. Die in der Klausur gefundenen Lernziele werden mit den intendierten Lernzielen der Dozierenden und den wahrgenommenen Lernzielen der Studierenden abgeglichen. Ein externer Fachwissenstest (Averbeck, 2021; Freyer, 2013) soll zusätzlich Auskunft darüber geben, ob die Klausur kompetenzorientiert prüft.

Zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage wird die Übereinstimmung in den bewerteten Lernzielen in Form von Cohen‘s Kappa-Werten mit den Klausurpunkten korreliert. In einem Regressionsmodell werden anschließend gefundene strukturelle Faktoren von individuellen Faktoren abgegrenzt. Diese wurden zuvor als Kontrollvariablen miterhoben.
 

Literaturverzeichnis
Averbeck, D. (2021). Zum Studienerfolg in der Studieneingangsphase des Chemiestudiums: Der Einfluss Kognitiver und Affektiv-Motivationaler Variablen. Studien zum Physik- und Chemielernen: Bd. 308. Logos.

Biggs, J. (2003). Aligning teaching and assessment to curriculum objectives.

Eilks, I., Bäumer, M. & Byers, B. (2010). Methodische Innovationen für die Chemielehre. CHEMKON, 17(3), 124–130. https://doi.org/10.1002/ckon.201010139

Elert, T. (2019). Course Success in the Undergraduate General Chemistry Lab. Studien zum Physik- und Chemielernen: Bd. 284. Logos.

Freeman, S., Haak, D. & Wenderoth, M. P. (2011). Increased course structure improves performance in introductory biology. CBE life sciences education, 10(2), 175–186. https://doi.org/10.1187/cbe.10-08-0105

Freyer, K. (2013). Zum Einfluss von Studieneingangsvoraussetzungen auf den Studienerfolg Erstsemesterstudierender im Fach Chemie. Zugl.: Universität Duisburg-Essen, Diss. Studien zum Physik- und Chemielernen: Bd. 156. Logos Berlin.

Heublein, U., Hutzsch, C., Schreiber, J., Sommer, D. & Besuch, G. (2010). Ursachen des Studienabbruchs in Bachelor- und in herkönnlichen Studiengängen. http://www.dgb-jugend.de/neue_downloads/data/abbrecherstudie_2010.pdf

Schaper, N., Hilkenheimer, F. & Bender, E. (2013). Fachgutachten - Umsetzungshilfen für kompetenzorientiertes Prüfen.
Schindler, C. (2015). Herausforderung Prüfen: Eine fallbasierte Untersuchung der Prüfungspraxis von Hochschullehrenden im Rahmen eines Qualitätsentwicklungsprogramms.

Walzik, S. (2012). Kompetenzorientiert prüfen: Leistungsbewertung an der Hochschule in Theorie und Praxis. UTB Schlüsselkompetenzen: Bd. 3. Budrich.

Wildt, J. & Wildt, B. (2011). Lernprozessorientiertes Prüfen im "Constructive Alignment": Ein Beitrag zur Förderung der Qualität von Hochschulbildung durch eine Weiterentwicklung des Prüfungssystems. In B. Berendt, A. Fleischmann, N. Schaper, B. Szczyrba & J. Wildt (Hrsg.), Neues Handbuch Hochschullehre (H 6.1). DUZ Verlags- und Medienhaus GmbH. (Erstveröffentlichung 2011)