Charakteristika des Werks

Meienbergs Tod

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Meienbergs Tod [ ↑ ]
Das Stück erzählt die stark abstrahierte Geschichte vom Leben und Tod des Schriftstellers und Intellektuellen Niklaus Meienberg: Es weniger um seinen Selbstmord als vielmehr um die Veränderung seiner Selbstwahrnehmung. In seine Rolle als Intellektueller kann er sich nicht mehr einfühlen und empfindet sich als ein Auslaufmodell des vergangenen Jahrhunderts.

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Thematische Aspekte [ ↑ ]

Bärfuss Theaterstücke behandeln politische, gesellschaftliche und vor allem tabubesetzte Themen, die die alltäglichen Lebenswirklichkeiten unserer Gesellschaft widerspiegeln. Dabei werden Ambivalenzen, Widersprüche, inneren Konflikte und menschliche Abgründe aufgedeckt. Bei der Themenauswahl orientiert er sich „radikal an seinen eigenen Interessen“ (Bärfuss, 24.10.2009) und geht der Frage nach, wie das Individuum mit und in der Gegenwartsgesellschaft moralisch korrekt leben kann. Lukas Bärfuss nennt es die Suche nach den „weißen Flecken der Moderne“ (Bärfuss, 24.10.2009), d.h. seine Texte treiben die Fragen an, wo sich Leerstellen in gesellschaftlichen Prozessen und Diskursen befinden, die das Dasein des modernen Menschen bestimmen und denen er ausgesetzt ist, die er aber nicht mehr nachvollziehen kann. Welchen fragwürdigen Anpassungsprozessen das Individuum ausgeliefert ist und welche Konsequenzen diese Mechanismen für die Gestaltung einer gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit haben, dies untersuchen seine Textwelten. „Mich interessieren Menschen, nicht Meinungen“, lautet sein Motto, das er in seinen literarischen Arbeiten und Stücken realisiert. Er ist dem klassischen Aufbau des Dramas treu, aber seine provokativen und problematisierenden Stücke bleiben generell offen und durch die Perspektivenvielfalt der Figuren und Situationen vielseitig interpretierbar. Es geht nicht darum, gültige Antworten zu formulieren, die in der Lebenspraxis anwendbar und vertretbar wären, sondern das Publikum mit politischen, gesellschaftlichen, sozialen und emotionalen Problemen in Beziehung zu setzten. Für Bärfuss gilt ein Stück als gelungen, wenn es ein „Trotzdem“ gibt: „Weist das Stück über sich hinaus? Zeigt es dahin, wo es selbst nicht hinkommt? Wie verhält es sich mit dem Unsagbaren?“ (Die Welt, 11.05.2006, 28). Bärfuss schreibt Texte und Stücke mit dem Anspruch neue, qualitativ wertvolle Denkräume zu schaffen, in denen die ZuschauerInnen aufgefordert werden, die Konfrontation mit dem Menschen und der eigenen Person auszuhalten, und zwar innerhalb der gesellschaftlichen und politischen Dimension der Gegenwart. Seine Theaterstücke zeichnen sich durch Subtilität, Witz und Offenheit im Denken aus (Vgl. Neue Züricher Zeitung, 17.10.2007). Der Erfolg seiner Stücke hängt allerdings nicht nur von seinen Texten ab, die grundlegende Motive und Nuancen der heutigen Zeit aufgreifen. Schmale textuelle Vorlagen, durchzogen von kargen Dialogen und einfachen sprachlichen Mitteln (vgl. Preusser 2002, 12) werden durch die Regisseur*innen erweitert, indem Gesangs- und Tanzeinlagen, literarische Textpassagen fremder AutorInnen sowie Musik aus Filmen eingefügt werden. Nicht zuletzt die Kunst der SchauspielerInnen, die Bühneninszenierung mit Kostümwechseln, besonderen Soundkulissen und schrillen Bühnenbildern sorgen für faszinierend Aufführungen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz.

Extreme
Thematisch fokussiert Bärfuss das Extreme. Er benutzt die Themen auch, um immer wieder Kritik an der Schweiz und ihrem vermeintlich sauberen Image zu üben. Seine Texte wählen stets die Position der Außenseiter und lassen die Einzelschicksale der Figuren letztlich in eine viel allgemeinere Debatte münden.
Sein Interessen- und Themenspektrum ist breit gefächert: Sterbehilfe, Sexualität von Menschen mit Behinderung, Vaterschaftstests, Hirnforschung, Religion, Völkermord in Ruanda, politisch-wirtschaftliche Machenschaften im Industriezeitalter und soziale Ungleichheit. Sein Appell gilt der breiten Öffentlichkeit, die in seinen Stücken Ambivalenzen wahrnehmen soll, um die notwendige gesellschaftliche Verantwortung zu erkennen und anzunehmen (vgl. Bärfuss, 24.10.2009). Bärfuss beruft sich auf Schiller und versteht das Theater als moralische Anstalt, in der Werte immer wieder neu ausgehandelt werden sollen (vgl. Klamroth 2005, 39).

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Formale Aspekte zu Meienbergs Tod [ ↑ ]

Verfremdungseffekt
Ein besonderes Merkmal von Bärfuss Texten ist das Mittel der Verfremdung, das an Brechts episches Theater angelehnt ist. Mit der Form des Spiels, Chorpassagen und Szenenüberschriften setzt er klassische Elemente des epischen Theater ein. Bärfuss kündigt durch das Mittel der Verfremdung und Distanzierung ein Illusionstheater an: So wird zum Beispiel Meienbergs´ Tod als Stück im Stück inszeniert. Bekannte, alltägliche Themenkomplexe von gesellschaftlicher und politischer Relevanz werden in einen neuen Zusammenhang gebracht.

Formale Aspekte [ ↑ ]

Komik
Bärfuss Stücke und Inszenierungen wirken teilweise grotesk, seine Themen zeugen von großer Realitätsnähe, wodurch ein hohes Maß an Identifikation und Wiedererkennungswert erreicht wird. Gleichzeitig verlangt diese Realitätsnähe eine besondere Herangehensweise, die in eine skurrile Komik mündet. Die Dialoge bestehen meist aus Rede und Gegenrede zweier Protagonisten, die konträre Positionen einnehmen, sodass es zu einer Kollision der Standpunkte kommt, die mit Hilfe von Komik aufgehoben werden. Oft ist das Handeln, Denken und Fühlen der Figuren abstoßend und absurd. Das Absurde pendelt zwischen dem Komischen und dem Tragischen.

Außenseiter
Kennzeichnend für Bärfuss Stücke ist die Darstellung von AußenseiterInnen, die die Oberfläche des Normalen aufbricht und damit das Abtrünnige, Monströse und Ekelhafte offenlegt. Seine Figuren stehen im Kontrast zu ‚normalen‘ Verhaltens- und Denkschemata und stechen besonders durch den praktizierten Bruch mit den Normen hervor. Die (Haupt-)Figuren zeichnen sich durch enorme Hartnäckigkeit aus – oft gegen die gesellschaftlich konstruierte akzeptierte Moral – und widersetzen sich jedweder Unterordnung. Sie stellen die Normalität in Frage bis hin zur totalen Nivellierung des Selbstverständlichen. Es sind Fremdlinge, Träumer, Andersartige, von der Norm abweichende Figuren, die in seinen Stücken den Ton angeben. Mit der Position des Außenseiters lenken die Texte den Fokus auf die unauflöslichen Widersprüche, in die jedes Individuum auf ganz einzigartige Art und Weise verstrickt ist und die es auszuhalten gilt. Peter von Matt spricht in seiner Laudation von einem „Theater der Konfrontation“, das „an Antonin Artauds Entwurf eines Theaters [erinnert], das die Zuschauer einer Erfahrung aussetzen will, der sie mit ihrem gewohnten Denken und Fühlen nicht gewachsen sind“ (Matt 2013, 92). Bärfuss Figuren stehen immer außerhalb der gewohnten Ordnung der Dinge, womit ein Verfremdungseffekt erzielt wird, der jede Deutungshoheit zerschlägt.

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Pressespiegel zu Meienbergs Tod [ ↑ ]
Die Meinungen zu diesem Stück gehen weit auseinander. So schreibt Stephan Ramming in der WochenZeitung (26.4.2001), dass das Stück „begeisterte Glückseligkeit“ in ihm auslöse und ihn zum Singen, Tanzen, Lachen und Springen animiere. Die Distanz sei das ästhetische Verfahren des Stücks. Das Duo Bärfuss/Schwarz mache sich nach Stephan Ramming „[d]ie guten, alten Brecht-, Horvath-, Tieck-, Müller- usw.- Vorschläge […]“ zu Nutze. So überzeugt ihn das Stück durch „künstlerische Brillanz“. Als Gegensatz dazu erscheint eine Woche später ein weiterer Artikel in der WochenZeitung (3.5.2001), in dem Stefan Keller den vorherigen Bericht kritisiert. Er zitiert Stephan Ramming und gibt anschließend sein Urteil zu dem Stück ab: „Wir fandens blöd, saublöd und unverschämt.“ Weiterhin bemängelt er die von der historischen Wirklichkeit vollständig abstrahierte Meienberg-Biografie. Auch Alfred Schlienger spricht in seinem Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung (23.2.2001) von den „Distanz schaffenden Verfremdungstechniken“, die das Stück aufweist und durch welche es durchaus als grotesk bezeichnet werden kann. Insgesamt sei es jedoch mit drei Stunden etwas zu lang geraten und gäbe allenfalls Halbwahrheiten über den verstorbenen Schriftsteller zum Besten.

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Vier Bilder der Liebe

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Vier Bilder der Liebe [ ↑ ]
Zwei Ehepaare (Daniel und Susan & Evelyn und Sebastian) stoßen auf kuriose Weise zusammen: Daniel betrügt Susan mit Evelyn, Susan tötet ihn daraufhin aus Gerechtigkeit. Das gesteht sie ihrem Pflichtverteidiger, der sich als Evelyns Ehemann herausstellt. Bärfuss entblößt die Ideologisierung der Liebeskonzepte und betont in Vier Bilder der Liebe die Widersprüchlichkeit und Unsicherheit des Menschen in Beziehung zu sich selbst anhand konstruierter Liebeskonzepte.

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Pressespiegel zu Vier Bilder der Liebe [ ↑ ]
Werner Streletz in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (30.09.2002), Hans-Christoph Zimmermann im Feuilleton des General Anzeigers (02.10.2002) sowie Gerhard Preusser in der Zeitschrift Theater heute (Dezember 2002) äußern sich höchst kritisch über Bärfuss Stück Vier Bilder der Liebe. Werner Streletz stellt nüchtern fest, dass Bärfuss Dialoge zu dürftig angelegt seien. Hans-Christoph Zimmermann vermisst das Drama und benennt das Stück als „Tanz der Stereotype“. Vielmehr wird die Leistung der Regisseurin Karin Henkel gelobt, die Szenen eingefügt hat, „die im Text gar nicht stehen und die besser sind als alles Vorherige.“ (Deuter, Süddeutsche Zeitung, 30.09.2002). Nach Deuter habe sich die Regisseurin den Mangel der Vorlage zu Eigen gemacht und den Schauspielern einen Raum geschaffen, in dem sie ihr Geschick demonstrieren konnten. Erst dieser dramaturgische Eingriff habe die Figuren stark gemacht. Andreas Rossman schließt sich dem Grundton seiner Kollegen an und kommt zu dem Schluss: „Wo die Literatur dem Theater derart demonstrativ das Feld überlässt, kann dieses fast von allein einen Triumph feiern“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.2002).

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Die Reise von Klaus und Edith durch den Schacht zum Mittelpunkt der Erde

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Die Reise von Klaus und Edith durch den Schacht zum Mittelpunkt der Erde [ ↑ ]
Klaus und Edith sind Bruder und Schwester. Ein dunkles Geheimnis, das mit Tod und Schuld zu tun hat, kettet sie aneinander. Klaus kümmert sich um seine Schwester, er ist ein moderner Spießer mit übertriebener Fürsorge, die häufig in Gewalt und sexuellen Missbrauch umschlägt. Bärfuss fokussiert in dem Stück die kalkulierten Abgründe menschlicher Koexistenz und die gegenseitige Zwangsabhängigkeit.

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Pressespiegel zu Die Reise von Klaus und Edith durch den Schacht zum Mittelpunkt der Erde [ ↑ ]
Während sich Martin Schrahn in den Ruhr Nachrichten (15.01.2001) und Udo Feist in der Saarbrücker Zeitung (15.01.2001) durchaus positiv über das Melodrama äußern und von einem starken Text und einer punktgenauen Dramaturgie sprechen, sind die negativen Pressestimmen lauter: Andreas Rossmann spricht in der FAZ (15.01.2001) davon, dass Lukas Bärfuss „in siebzehn kleinen Szenen, gerahmt von Prolog und Epilog, […] eine rührende Belanglosigkeit [entwickelt], die zwischen Trash und Trance, U-Bahn und Ungefährem, Märchenmotiven und Volksfeierlichkeit, schrägem Realismus und schwarzer Romantik changiert.“ Ähnlich sieht es auch Christian Peislere, der in der Süddeutschen Zeitung (16.01.2001) das Stück als ‚Trash-Märchen‘ mit dürftigem Inhalt tituliert.

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Die toten Männer

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Die toten Männer [ ↑ ]
Ein erfolgreicher Buchhändler ist des Lebens müde. Er beschließt jeglicher Form von Freiheit, Liebe und menschlichen Beziehungen zu entsagen. Die ersehnte Erlösung glaubt er in der totalen Isolation von der Gesellschaft zu erlangen, er trennt sich von Frau und Tochter und zieht in eine karge Wohnung. In seiner geistigen Verwirrung entwickelt er Selbstzerstörungsgedanken und Todesphantasien gegen seine Frau. Als der Freund der Tochter unter ungeklärten Umständen in eine Schlucht stürzt, ergreift der Buchhändler die Gelegenheit und nimmt die Schuld auf sich in der Hoffnung, im Gefängnis seinen Seelenfrieden zu finden.

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Pressespiegel zu Die toten Männer [ ↑ ]
„Bärfuss hat sich mit Theaterstücken über drängende Probleme wie Sterbehilfe oder Vaterschaftstest auch auf deutschen Bühnen einen guten Ruf erworben; sein Prosadebüt ‘Die toten Männer‘ (2002) war dagegen todlangweilig“ (Martin Halter, Rheinische Post, 26.04.2008: Im Herzen der Finsternis). Die Kritik an Bärfuss Novelle Die toten Männer ist eher negativ. Zwar wird seine „psychologische Einfühlungskraft“ (Roman Bucheli, Neue Züricher Zeitung, 17./18.08.2002: Stilles Glück der Enge) gelobt, doch der Grundton ist ein negativer. Uwe Wittstock urteilt gar: „Seine erste Prosaarbeit Die toten Männer war missraten und lohnte die Lektüre nicht“ (Welt Online, 08.03.2008).

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Die sexuellen Neurosen unserer Eltern

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Die sexuellen Neurosen unserer Eltern [ ↑ ]
Das Stück handelt von einem autistischen Mädchen namens Dora, die von ihren Eltern wohl behütet und geliebt wird. Nachdem auf Wunsch der Mutter Doras Medikamente abgesetzt werden, entdeckt sie ihre Sexualität. Sie genießt die sexuellen Erfahrungen und Praktiken, die gesellschaftlich toleriert werden - bis sie schwanger wird: Gegen Doras Willen soll eine Abtreibung vorgenommen werden. Bärfuss thematisiert nicht nur die Sexualität von Menschen mit Behinderung, sondern auch ihr Recht auf Selbstbestimmung.

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Pressespiegel zu Die sexuellen Neurosen unserer Eltern [ ↑ ]
In Theater heute (April 2003) lobt Dorothee Hammerstein die knappe, elliptisch und pointierte Gestaltung der Szenen im Stück, denn „gerade diese auktoriale Einsilbigkeit, diese Nüchternheit, die keinen Platz lässt für glättende Euphemismen, ist es, was die Stärke des Textes ausmacht“, so die Journalistin. Ebenso sieht es Jürgen Berger in der Süddeutschen Zeitung (15./16.02.2003) und ergänzt, dass der pointierte Text eine lakonisch-naturalistische Atmosphäre schaffe, die der brisanten Thematik gerecht werde. Die Darstellung der Thematik wird auch von Marc Krebs in der Zeit (20.02.2003) gelobt. Er spricht davon, dass Bärfuss mit der behinderten Dora eine Figur geschaffen habe, „die mit ihrer direkten Sprache die aufgeklärte Erwachsenenwelt in Verlegenheit bringt und die Werte der 68er demontiert.“

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Der Bus

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Der Bus [ ↑ ]
Erika möchte eine Pilgerfahrt zur Schwarzen Madonna in Tschenstochau machen, doch sie steigt in den falschen Bus, der auf dem Weg zu einem Kurhotel ist. Nicht nur dem äußerst aggressiven Busfahrer Hermann, sondern auch der gesamten Reisegruppe ist die Schwarzfahrerin ein Dorn im Auge. Als Hermann schon ihr Grab schaufelt, gelingt es Erika zu fliehen. Schließlich wird sie von dem Tankwart Anton aufgenommen, ein Suchender in einer gottlosen Gesellschaft, der ihr neue Dimensionen des Lebens eröffnet. Im Kern geht es um die Frage nach der Notwendigkeit von Glaube und Religion in einer Zeit fortschreitender Säkularisierung.

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Pressespiegel zu Der Bus [ ↑ ]
Mit diesem Drama, das ein Auftragswerk für das Hamburger Thalia Theater ist, gewinnt Lukas Bärfuss 2005 den Mülheimer Dramatikerpreis. Stefan Keim schreibt in der Frankfurter Rundschau (06.06.2005) davon, wie begeistert die Jury davon war, dass der junge schweizer Autor in seinem Stück den Mut habe, „die Frage nach dem Glauben neu und undogmatisch zu stellen“. Hinzu kommen unberechenbare und geheimnisvolle Figuren und eine sprachliche Präzision des Textes. Dieser Meinung ist auch Christine Dössel, die in der Süddeutschen Zeitung (01.2.2005) den klassischen Aufbau und die lineare Struktur des Textes lobt. Zum Inhalt hebt Simone Kaempf in der Tageszeitung (2.2.2005) besonders positiv hervor, dass Bärfuss das Sakrale versprachliche und den theologischen Gehalt zu retten versuche, ohne den Erlösungswahn oder historische Hypotheken zu übernehmen. Betont wird auch der spezielle Humor des Stückes. Dazu schreibt Beatrice Eichmann-Leutenegger in der Neuen Züricher Zeitung-Internationale Ausgabe (5./6.02.2005): „Schwarz und schwärzer färbt sich der Humor, weicht oft blankem Zynismus, und bald einmal gibt’s nichts mehr zu lachen in diesem Lehrstück über Schein und Sein.“

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Alices Reise in die Schweiz

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Alices Reise in die Schweiz [ ↑ ]
Alice ist unheilbar krank und will – gegen den Willen ihrer Mutter – lieber sterben und ihrem Elend ein Ende machen. Hilfe beim Selbstmord sucht sie bei dem Mediziner Gustav Storm. Bärfuss rückt die Schweiz als das ‚Wunderland der Sterbehilfe‘ in den Vordergrund, erörtert ethische, politische, emotionale und religiöse Aspekte, die sich im Kontext aktiver und passiver Sterbehilfe ergeben. Besonders an diesem Stück ist seine „phänomenologische Betrachtungsweise“ (Hannoversche Allgemeine Zeitung 10.03.2006), die es ihm ermöglicht sowohl Argumente dafür als auch dagegen darzustellen.

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Pressespiegel zu Alice Reise in die Schweiz [ ↑ ]
Insgesamt sind die Stimmen zu Alice Reise in die Schweiz negativ. Im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (08.03.2005) findet Martin Halter überwiegend harte Worte und beurteilt Alice Reise in die Schweiz als „klinisch nüchternes Thesentheater“. Er kritisiert die Absehbarkeit der Konflikte, die lediglich verdichtet würden. Tobi Müller schließt sich in der Frankfurter Rundschau an: Bärfuss greife mit Alice Reise in die Schweiz ein heikles und kontroverses Thema auf, jedoch sei er der dafür notwendigen Bearbeitung nicht gewachsen. „Da wird wenig aufgeführt, verhandelt, verurteilt…“ (Frankfurter Rundschau,08.03.2005). In der Süddeutschen Zeitung (08.03.2005) kritisiert Jürgen Berger an der Inszenierung vor allem das schnelle Dialogtempo, wodurch Textpassagen verschluckt würden. Diese Fehlleistung wirft er dem Regisseur Stephan Müller vor, der mit Bärfuss Stück anscheinend nichts anfangen könne. Dorothee Hammerstein thematisiert in der Zeitschrift Theater heute (April, 2005) die unzureichende und an den Haaren herbeigezogene Figurengestaltung. In der Inszenierung herrsche Collagencharakter und Werkstattatmosphäre, in welcher Auf- und Abtritte eilig und geschäftsmäßig vollzogen werden. Nur die Neue Züricher Zeitung (07.03.2005) lobt die Thematik des Stücks und hebt vor allem die irritierende Komik und entlarvende Satire des Stücks hervor.

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Die Probe

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Die Probe [ ↑ ]
In Die Probe greift Bärfuss ein höchst problematisches Thema auf: Es geht um Peter Korach, der heimlich - hinter dem Rücken seiner Frau - einen Vaterschaftstest durchführen lässt. Der Test ergibt, dass sein vermeintlicher Sohn nicht sein leiblicher ist. Das löst bei Peter Korach Fragen, Zweifel, Zorn, Wut und Enttäuschung aus. Das Stück stellt das idealisierte Konstrukt ‚Familie‘ mit den klassischen Wert-, Norm-, und Rollenvorstellungen in Frage. Bärfuss signalisiert, dass die biologische Wahrheit die soziale Wirklichkeit verändern kann.

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Pressespiegel zu Die Probe [ ↑ ]
Von der Süddeutschen Zeitung (Chrisine Dössel, 05.02.2007), über die Frankfurter Zeitung (Teresa Grenzmann, 05.02.2007), den Freitag (Georg Kasch, 09.02.2007), die Stuttgarter Zeitung (Stefan Kister, 05.02.2007) und zuletzt im Jahrbuch Theater heute (Julia Lochte, 2006) sind sich die Journalist*innen einig: Bärfuss liefert mit Die Probe einen hervorragenden, spannenden Stoff, der die abendländische Familienkonstruktion hinterfrage und neu verhandle (Lochte). Die Rezensenten betonen besonders seine starken Figurenkonstellationen (Grenzmann) und loben ihn als versierten Dramenbauer (Dössel), dem es mit dem Stück gelungen sei „die Bühne wieder zum Verhandlungsort gesellschaftlich relevanter Themen zu machen“ (Kasch). Die Inszenierung von Lars-Ole Walburg wurde in der Presse einstimmig scharf kritisiert: Sein strenges Regiekonzept bringe lediglich starre, unbewegliche Figuren auf die Bühne und die Kostüme und Plastikfrisuren ließen die Schauspieler wie Playmobilfiguren erscheinen (Kister). Die Inszenierung der Dialoge sei durch Sprechblasenhohlheit gekennzeichnet und trage dazu bei, Bärfuss Stück zu verflachen (Dössel).

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Hundert Tage

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Hundert Tage [ ↑ ]
Der Debütroman von Lukas Bärfuss thematisiert den Genozid in Ruanda. Der Protagonist David Hohl reist als junger Mann Anfang zwanzig in das afrikanische Land, um die schweizerische Entwicklungshilfe zu unterstützen. Im idealistischen Glauben, das Richtige zu tun und den Menschen zu helfen, tritt er die Reise an - doch der anfängliche Enthusiasmus weicht rasch der Ernüchterung. Langeweile und Bürokratie bestimmen den Alltag in Kigali, der Hauptstadt Ruandas. Doch dies währt nur solange, bis der Völkermord beginnt: Die Hutu ermorden in nur hundert Tagen geschätzte 800.000 bis 1.000.000 Tutsi. Die Entwicklungshelfer verlassen fluchtartig das Land, nur David bleibt zurück um seiner afrikanischen Geliebten zu beweisen, dass er kein Feigling ist.
Der Roman ist aus der Sicht David Hohls geschrieben und vermittelt seine Wahrnehmungen auf die Geschehnisse in Ruanda. Nicht das Morden, sondern die Doppelmoral der Entwicklungshilfe steht im Vordergrund. Der nun von allen Illusionen beraubte David betrachtet seine Handlungen im Rückblick. Er weist der Schweiz große Schuld an dem Genozid zu: Ohne die bürokratische Organisation, den Straßenbau und die mediale Vernetzung durch ansprechendes Radioprogramm wäre dieser nicht in diesem Ausmaß und in dieser Geschwindigkeit möglich gewesen.

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Pressespiegel zu Hundert Tage [ ↑ ]
„Was für ein ungeheures Buch! So etwas wird in deutscher Sprache nur selten geschrieben“, urteilt Uwe Wittstock (Die Welt, 08.03.2008). Die Pressestimmen sind durchgängig positiv: Bärfuss habe mit seinem Debütroman Hundert Tage ein gut recherchiertes, ehrliches und fesselndes Stück Literatur geschaffen. Jörg Magenau lobt den Mut Bärfuss, ein heikles Thema wie den Völkermord in Ruanda in Form eines Romans zu bearbeiten: „Das Wagnis, einen Genozid zu erzählen, meistert er in dem Roman mit Bravour, weil er aus einer begrenzten, distanzierten Perspektive darauf blickt […]. Doch er schreibt nicht als Moralist, sondern als genauer Beobachter, der sein Thema mit wissenschaftlicher Akribie recherchiert“ (taz, 12.03.2008). Die aus der genauen Recherche resultierende Flut an Information ist der einzige Kritikpunkt. Zu viel versuche Bärfuss in dem nur 200 Seiten fassenden Werk zu vermitteln (Gunther Neumann, Die Presse.com, 23.08.2008), doch dies schmälere nicht die Bedeutung des Romans. Christine Diller kommt zu dem Urteil: „Weil Bärfuss an diesem Einzelschicksal die allgemeine Tragik menschlichen Handelns schildert, ist dieses politische und hoch moralische Buch so verstörend und unverzichtbar“ (Münchener Merkur, 22.Juli 2008: Perfekte Höllen-Ordnung).
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Forschungsspiegel zu Hundert Tage [ ↑ ]
Die Forschung hat Lukas Bärfuss bislang noch nicht viel Beachtung geschenkt, lediglich sein Roman Hundert Tage gab Anlass zu wissenschaftlicher Rezeption.

James Meja Ikobwa untersucht in seinem Aufsatz David Hohl als Zeige des Genozids in Ruanda in Lukas Bärfuss Hundert Tage die Rolle des Protagonisten. Da David nicht direkt vom Völkermord betroffen ist (weder als Opfer noch als Täter), ist er laut Ikobwa als Zuschauer zu bezeichnen (vgl. Ikobwa 2012, 111). „Von der Textebene aus gesehen ist David als fiktive Figur und als Fremder in Ruanda in diesem Kontext als Vertreter der literarischen und sekundären Zeugenschaft anzusehen“ (Ikobwa 2012, 111). Im Zuge seiner Rolle als Zeuge des Genozids wird auch dem Rahmenerzähler, der nach wenigen Seiten verschwindet, eine wichtige Position innerhalb dieser Lesart zuteil: „Das Nicht-Darstellbare, Nicht-Sagbare wird dem Leser in Hundert Tage durch die Beschreibungen des Rahmenerzählers visuell zu Verfügung gestellt. Man erliest aus Davids Körper, seinen Bewegungen und seinen Wahrnehmungen die traumatische Erinnerung an den Völkermord“ (Ikobwa 2012, 113). Die Figur des David Hohl weise außerdem die drei Aspekte eines Traumas auf: Allgegenwart der Vergangenheit, die Eindringlichkeit des Vergangenen und die Fehlintegration in die Gesellschaft nach dem traumatischen Ereignis (vgl. Ikobwa 2012, 114).
Ikobwa stellt den Roman als gelungenes Beispiel der Darstellung eines Zeugens eines traumatischen Ereignisses dar: „Es wurde gezeigt, dass die Präsenz des Rahmenerzählers und die des Protagonisten im Roman durch ihre jeweiligen Rollen als Zuhörer und Augenzeuge diktiert wird. Der Rahmenerzähler als Zuhörer am Anfang des Romans erleichtert und ermöglicht die Zeugenaussage David Hohls […][,] Formfehler und scheinbare Widersprüche lösen sich also auf oder treten in den Hintergrund, wenn der Roman im Rahmen der literarischen Zeugenschaft gelesen wird“ (Ikobwa 2012, 116).
Jan Süselbeck konzentriert sich hingegen auf die „Darstellung des Genozids in Ruanda, am Beispiel des Romans ‚Hundert Tage‘ von Lukas Bärfuss und seiner intertextuellen Bezüge zu Heinrich von Kleists Verlobung in St. Domingo (1811)“ (Süselbeck 2008, 183). Bärfuss Roman sei nicht optimistisch einer Revolution gegenüber gestimmt: „Die ‚tapferen Befreiungskrieger‘ erscheinen bei Bärfuss eben nur insofern als Adepten der Freiheit und der Aufklärung, als sie deren Errungenschaften gelehrig dazu benutzen, um moderne Technokraten der Vernichtung zu werden“ (Süselbeck 2008, 189). Doch sowohl Kleist als auch Bärfuss stellen den nicht darstellbaren Rassenkrieg durch Leerstellen dar: Eine detaillierte Beschreibung der Brutalität fehlt in beiden Werken. Süselbeck arbeitet verschiedene Parallelen zwischen den Werken heraus, so sind beide Protagonisten zu Anfang naive Idealisten und entwickeln im Laufe der Geschichte einen doch sehr deutlichen Rassismus. Dieser äußert sich zwar nicht in der Beteiligung am Morden, doch in der Zuschreibung unterschiedlicher charakterlicher Merkmale aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit oder Hautfarbe: „Gustav hofft, Toni sei ‚wirklich‘ eine Weiße, und damit ‚human‘ – und David Hohl hofft, seine Traumfrau sei keine ‚tatsächliche Schwarze‘, weil das ja heißen würde, solche Menschen könnten unter Umständen auch auf der Seite von Rassisten stehen“ (Süselbeck 2008, 193).
Auch im Ende von Kleists Novelle lassen sich Ähnlichkeiten zu Bärfuss Roman finden. Zwar bringt sich David nicht um, doch indem er einem Bussard vor Wut den Kopf abschlägt, tötet er auch seine „angemaßte[…] humane[…] Existenz“ (Süselbeck 2008, S.197). David lässt auch (nicht ohne eine gewisse Genugtuung) den Mord an seinem Gärtner, der ebenfalls zu den „Hutu“ gehörte und hätte nicht von der Mordlust der anderen mordenden „Hutu“ hätte getroffen werden sollen. „Bärfuss erinnert damit literarisch an die Schwierigkeit, in Bezug auf den Genozid in Ruanda eindeutig zwischen einer Täter- und einer Opfergruppe zu unterscheiden“ (Süselbeck 2008, S. 198).
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Zimmerstund

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Zimmerstund [ ↑ ]
Zimmerstund handelt von vier Personen, die in den Bergen, isoliert von der Außenwelt, im Service eines Restaurants arbeiten. Ihr Tag ist einzig und allein durch eine ‚Zimmerstunde‘ strukturiert. Diese Zimmerstunde ist der Kern des Stücks: Sie ist wie ein schwarzes Loch im gleichbleibenden Lebensrhythmus der Protagonisten. Die Stunde ist zu kurz, um etwas zu erleben und zu lang, um nicht in Depressionen zu verfallen. Das Stück thematisiert die elendige Arbeitssituation der Bergbewohner, denn während der Touristensaison müssen sie die aufsteigenden Massen bewirten, nach der Saison sind sie der Langeweile und dem ereignislosen Nichts ausgesetzt. Hervorzuheben ist die Komposition von Musik und Text. Die Vertonung volkstümlicher Formen durch ein ungewöhnlich besetztes Kammerorchester entspricht Bärfuss Libretto: Charakteristisch für dieses Stück ist die Sprache, die Bärfuss gebraucht. Er hat das ganze Stück auf Berndeutsch geschrieben, einer der langsamsten aber klanglich reichsten schweizer Dialekte. Die kreisende Hektik der Melodien und Harmonien deckt sich mit dem Nicht-Geschehen in der Bergen.

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Formale Aspekte zu Zimmerstund [ ↑ ]

Verfremdungseffekt
Ein Verfremdungseffekt ist der in Zimmerstund zum Einsatz kommende schweizerische Dialekt. Die Dialektsprache schafft – zumindest für diejenigen, die den Dialekt nicht beherrschen, – eine Distanz zum dargestellten Geschehen. Gleichzeitig wird dadurch die Identifikation mit der Figur unterbunden. Mittels der Verfremdungseffekte gelingt es seinen Stücken das Disparate, Absurde und Hässliche der menschlichen Existenz aufzuzeigen, auf diese Weise werden die Reibungspunkte spürbar, die zwischen Individuum und Gesellschaft existieren.

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Pressespiegel zu Zimmerstund [ ↑ ]
In einem sind sich Simone Meier in der Süddeutschen Zeitung (20.11.2008) und Susanne Kübler im Tagesanzeiger (31.10.2008) einig: Zimmerstund von Lukas Bärfuss ist eine gelungene Inszenierung, in der die ungewöhnliche Mischung von traditioneller Volksmusik, Jazz und klassischer Oper Dissonanzen hervorbringt, die hervorragend mit dem Inhalt der Handlung übereinstimme. Beide loben das künstlerische Handwerk und die Kooperation zwischen Regisseur Livio Andreina, Komponist Daniel Fueter und dem Dramatiker Lukas Bärfuss.

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Öl

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Öl [ ↑ ]
Herbert und Eva Kahmer sind mit dem Ingenieur Edgar Bron in ein fremdes Land gezogen, um Erdöl zu suchen. Während Herbert und Edgar den ganzen Tag auf der hoffnungslosen Suche nach Öl und Reichtum sind, verfällt Eva zuhause Alkoholismus und Wahn. Sie drangsaliert ihre Hausangestellte Gouma, die ihr einziger Kontakt zu dem fremden Land ist. Das personifizierte und imaginierte schlechte Gewissen Evas, das in Form einer Frau namens Elsa Danzig auftritt, quält sie und wird immer präsenter in ihrer (Evas) Realität. Als die Männer schließlich doch auf Öl stoßen, eskaliert die Lage. Mit politischem Unterton deckt er die menschliche Gier nach Rohstoffen, Kapital und Wohlstand auf, die scheinbar auf kalkulierender Vernunft basiert, letztendlich aber in Wahnsinn mündet.

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Pressespiegel zu Öl [ ↑ ]
Die Presseresonanz für Lukas Bärfuss Stück Öl ist durchwachsen. Peter Kümmel bezeichnet es gar als „prätentiöse[n] Schmarrn“ (Die Zeit, 25.09.2009) und Christine Wahl resümiert in ihrer Kritik im Spiegel: „Bärfuss hat schon bessere Stücke geschrieben“ (19.09.2009). Vor allem ein Mangel an Handlung (Matthias Heine, Welt Online, 22.09.2009) sowie Klischeehaftigkeit (Christine Wahl, Der Spiegel, 19.09.2009) werden kritisiert. Matthias Heine lobt das Stück: „Die Schönheit liegt in der Sprache und der Figurenzeichnung von Bärfuss“ (Welt Online, 22.09.2009). Die Sprache Bärfuss wird auch von Clemens Götze positiv hervorgehoben: „Hier offenbart sich nicht nur Bärfuss Gespür für Rhythmik und Komik, sondern gleichsam die satirische Darstellung eines westeuropäischen respektive deutschen Sendungsbewusstseins“ (literaturkritik.de, 08.05.2012).

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Malaga

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Malaga [ ↑ ]
Das in Trennung lebende Paar Michael und Vera streitet sich darüber, wer auf die gemeinsame Tochter Rebekka aufpassen soll. Beide haben Pläne für das Wochenende, die Babysitterin ist krank. Schließlich vertrauen sie ihr Kind dem neunzehnjährigen Alex, einem angehenden Filmstudenten, an, doch als sie zurückkommen liegt Rebekka im Krankenhaus, sie ist schwer verletzt und nicht ansprechbar. Die Umstände ihrer Verletzung bleiben ungeklärt und der Verdacht, dass Alex unmittelbar damit zu tun hat, wiegt schwer. Ein Stück über Schuld, Schuldzuweisungen und Verantwortung. Der Konflikt wird auf Rebekkas Rücken ausgetragen, beide Eltern verlangen vom jeweils Anderen Kompromissbereitschaft und wollen gleichzeitig ihre individuellen Bedürfnisse und Interessen durchsetzen.

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Pressespiegel zu Malaga [ ↑ ]
Die Stimmen sind im Falle von Malaga gemischt und reichen von vernichtend bis lobend. Barbara Burckhardt lobt in Theaterheute Bärfuss Fähigkeit, genau hinzuhören und treffsichere Pointen in seine Werke einzubauen. In Malaga reiche „Bärfuss diese seltene dialogische Genauigkeitskunst nicht. Er will weiter, in die Tiefe, ins Metaphysische – und bleibt nur vage. ‚Malaga‘ wirkt unfertig“ (August/ September 2010). In Der Freitag wird Bärfuss zugesprochen über das Theater neue Denkräume zu öffnen, Malaga habe gesellschaftliche und politische Dimensionen (Fadrina Arpagaus, 10.05.2010). Diese Dimensionen sieht Barbara Villiger Heilig nicht, sie spricht dem Stück jegliche Tiefe ab, es sei eine Ansammlung von Klischees (11.05.2010, Neue Züricher Zeitung).

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Zwanzigtausend Seiten

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Inhaltsangaben und Interpetationsansätze zu Zwanzigtausend Seiten [ ↑ ]
Tony ist Lebenskünstler, der die Regeln des Lebens noch nicht ganz verstanden hat. Eines Tages hat er einen Unfall: Fünfundzwanzig Bücher - oder auch zwanzigtausend Seiten - fallen ihm auf den Kopf. Tony kennt plötzlich den Inhalt dieser Bücher, die die politische Haltung der Schweiz im Zweiten Weltkrieg dokumentieren. Schnell fühlt sich Tony vollkommen überfordert mit dieser Fülle an Wissen, denn der Inhalt quält ihn. Besonders verfolgt ihn das Schicksal des Holocaust-Opfers Oskar H. Der daraus resultierende psychische Druck veranlasst ihn dazu, unter anderem Hilfe bei einer Psychologin zu suchen. Bärfuss thematisiert die Frage der Schuld, Verantwortung und Verdrängung und kritisiert damit die Enthaltung und verantwortungslose Neutralität der Schweiz während und nach dem Zweiten Weltkrieg.

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Pressespiegel zu Zwanzigtausend Seiten [ ↑ ]
Zwar wird Lukas Bärfuss aufgrund seines Hangs Tabuthemen offen darzustellen von Klara Obermüller in der Welt ( 7.2.2012) und von Andreas Klaeui in der taz ( 6.12.2012) in einem Satz mit Dürrematt genannt und als hoher Moralist bezeichnet, doch sind sich die beiden auch ebenso einig darin, dass die für Bärfuss untypische Dialoglastigkeit der brisanten Thematik keinen Gefallen tue. Daran könne weder die gute schauspielerische Leistung noch die Regie von Lars-Ole Walburg etwas ändern. In dem im März 2012 erschienen Magazin Theater heute lobt Babara Burckhart Bärfuss ausgeprägtes Interesse an den „nicht ganz funktionstüchtigen Verweigerern des gesellschaftlich Nützlichen.“ In enger Zusammenarbeit mit dem Regisseur Lars-Ole Walburg gelinge ein Stationendrama, in dem Witz und Schärfe zu ihrer Entfaltung kämen.

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