Charakteristika des Werks

Inhaltsangaben, Interpretationsansätze und Thematische Aspekte [ ↑ ]

Neben der starken Sprachorientierung in Rögglas Werken kommt auch der Bezug zu aktuellen Themen der Wirklichkeit nicht zu kurz. Sie gilt als Virtuosin auf dem Gebiet der kritischen Betrachtung von Alltagssituationen, welche sie auseinander nimmt und fragmentiert wieder zusammenfügt. So entstehen Stimmencluster, die oft Stereotypisierungen in der Gesellschaft darstellen.

Ausnahmezustand und Medienkritik
Die Themen ‚Ausnahmezustand‘ und ‚Katastrophe‘ ziehen sich markant durch Rögglas Werk und erfahren in Hörfunk, Prosa und Theaterinszenierungen bereits verschiedene Realisierungsformen. Die abstrakte und überspitzte Darstellung von Alltags- und Medienstimmen evoziert die reale Medienflut der Krisennachrichten, die tagtäglich über die Menschen hereinbricht.
Von literarischem Interesse sind für sie gesellschaftliche Phänomene gleichermaßen wie globale Themen; Röggla avanciert in ihrem Werk zur ethnografischen Feldforscherin, die ihre Erkenntnisse einer literarischen Montage unterzieht. Als wichtiges Glied in dieser Kette, der beständigen Auseinandersetzung mit der Kategorie „Ausnahmezustand“, bezeichnet Röggla ihre Augenzeugenschaft bei den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York. Röggla, die sich zu dem Zeitpunkt zufällig als Stipendiatin in Manhattan aufhält, sieht sich mit einer Situation konfrontiert, um die ihr eigenes literarisches Schaffen seit jeher kreiste. Im Interview mit Deutschlandradio Kultur erklärt sie, dass diese Erfahrung „wie ein Katalysator“ gewirkt und ihre Beschäftigung mit gewissen Themen verstärkt habe. Mit ihrem Buch really ground zero verleiht Röggla ihren Erlebnissen literarisch Ausdruck und liefert in Bild und Text ein Zeitzeugnis der Katastrophe. Später entsteht aus dem Buch auch das Theaterstück die 50 mal besseren Amerikaner/fake reports, in dem Röggla primär die deutschen Reaktionen auf den Anschlag vom 11. September verhandelt.
In diesen Themenbereich gehört auch der Text die alarmbereiten. Sie sind überall unter uns und zeichnen sich durch ihre organisierte Früherkennung und die schizophrene Kluft zwischen der „Angstlust vor und an der Apokalypse“ (Plath NZZ 3.7.2010). Die Sprech-Figuren erwarten den Einbruch der Katastrophenflut und sind enttäuscht, wenn diese ausbleibt und alle Vorbereitungen sich als vergebens erweisen. Um diese Enttäuschung zu umgehen und diverse Präventivmaßnahmen zu rechtfertigen, werden die Krisen förmlich beschworen. Rögglas temporeicher Stil erzeugt einen Sog, der in die Welt der alarmbereiten hineinzieht. Der Verstehensprozess der Katastrophenbeschwörer*innen vollzieht sich als ein Akt des Dechiffrierens. Die Rezipient*innen werden in die jeweiligen Perspektive der Alarmbereiten gezwungen, deren Suaden, die Zuhörenden/Lesenden dazu verleiten, deren paranoiden Blickwinkel auf die Welt zu übernehmen und ihrerseits „mit Spekulationen und paranoiden Phantasien“ (Albath Deutschlandradio 19.03.2010) auf die Textwelt zu reagieren. Es gelingt der Autorin also, diese stetige Alarmbereitschaft in jedem aufzudecken und diese die Leser*innen selbst erfahren zu lassen. In Rögglas Hörspiel die alarmbereiten findet der Katastrophen-Topos auch eine akustische Realisation: „und das werde ich ja nicht wollen, dass auch sie hier noch in panik gerate, es reiche ja schon, wenn eine von uns das mache“ (S. 29); „die ansprechbare“ erliegt in ihrem konjunktivischen Monolog einer Panik, die sich aus irrealen Bedrohungen speist. Damit spielt Röggla auf die mediale Panikmache an, wobei die eigentliche Katastrophe zwar ausbleibt, der Angstsound aber noch über das Stück hinaus nachhallt. Die Sprecherin entpuppt sich als postmoderne Kassandra, verkörpert also im Rückgriff auf die griechische Mythologie eine tragische Figur, deren Schicksal bekanntlich darin besteht, unheilvolle Weissagungen zu machen, denen keiner Glauben schenkt. In die alarmbereiten wird damit auch eine Medienkritik offenbar, Röggla entlarvt die „Alarmierungssucht der vollkommen durchmedialisierten Gesellschaft“ (Albath Deutschlandradio 19.03.2010).
Bei dem Theaterstück die beteiligten (UA in Düsseldorf, 2009) hat sich die österreichische Autorin ebenfalls von einem wahren Geschehen inspirieren lassen. Das Schicksal des Entführungsopfers Natascha Kampusch, obgleich nicht namentlich genannt, wird in indirekter Art und Weise verarbeitet. Im Vordergrund steht hier vor allem die Sensationsbesessenheit der Bevölkerung und die Ausbreitung und Dominanz der Medien. Nachbarn und Reporter drängen sich dabei dem jungen Mädchen auf, um Teil der Geschichte zu werden und sich an dem Medienrummel zu laben. Die Sensationsgier der Presse interpretiert Röggla hier als erneute Perversion im Umgang mit dem Opfer.

Wirtschaft und Konsumwelt
In einer Welt, in der Effizienz und Leistungsstärke die Leitgedanken ganzer Generationen geworden sind, befasst sich auch Kathrin Röggla intensiv mit den Auswüchsen der Konsum- und Arbeitswelt. Aus diesem Grund spielt die Recherche von Wirtschafts- und Finanzaspekten in vielen ihrer Werke eine essentielle Rolle.
wir schlafen nicht. Der Roman der Österreicherin, der in seinem Erscheinungsjahr 2004 auch als Theaterstück inszeniert wurde, hinterfragt kritisch die Arbeitsverhältnisse und Lebenseinstellungen von Menschen, deren Leben sich hauptsächlich um ihren Beruf dreht. Viele von Rögglas Texten beruhen auf Beobachtungen und Recherchen. Auch bei wir schlafen nicht hat die Autorin eine ca. einjährige Recherchephase  zu einem Werk verarbeitet. Während dieser Zeit hat sie Fachmessen für Unternehmensberatungen besucht und Interviews mit Menschen in den verschiedensten Positionen in diversen Dienstleistungsbranchen geführt. Die dabei gesammelten realen Fakten hat sie zu sechs fiktiven Stimmen gefiltert und den Figuren entsprechende Berufsbezeichnungen gegeben, wie ‚Praktikantin‘ oder ‚Key-Account Managerin‘. Obwohl die Sprech-Figuren auch Namen haben, definieren sie sich dennoch hauptsächlich über ihren Beruf, es also Typen. Während sich die Akteure auf der Messe gegenseitig beobachten, liegt ihr Hauptinteresse aber darin, sich selbst als Erfolgsmenschen darzustellen. Sie sind zwar in der Lage ihre Tätigkeiten zu beschreiben, können jedoch keinen reflektierenden Abstand gewinnen und sich deshalb nicht aus der Arbeitsspirale befreien.
Nicht nur deckt Röggla hier den Profilierungswahn der Sprecher*innen auf, die sich um jeden Preis vor den anderen Beobachtern in ein besseres Licht rücken wollen, sondern begibt sich mit ihrer literarischen Analyse auf ein pathologisches Feld. Aspekte wie Schlafmangel und die regelrechte Sucht nach Arbeit werden im Laufe der Figurenreden beleuchtet. Durch den Bewusstseinsstrom entsteht der Eindruck eines Live-Mitschnitts wie von einem Tonbandgerät. Dadurch erzeugt Röggla nicht nur das Gefühl einer Wirklichkeitsaufnahme, sondern auch die Authentizität der Aussagen. Zugleich drückt sich mit der Montage die kritische Haltung gegenüber der modernen Marktwirtschaft aus, denn Hysterie und Arbeitssucht regieren die Menschen.
In ihrem Theaterstück machthaber gibt Röggla eine unkonventionelle Perspektive auf das in den Medien stark diskutierte Thema der Finanzkrise. Die von Röggla bezichtigten ‚machthaber‘ werden nicht, wie sonst, als gewissenlose Verursacher gesehen, sondern als hilflose Marionetten dargestellt. Vier Figuren versuchen auf der Bühne die Frage nach dem eigentlich Schuldigen zu stellen und diese zu ergründen. Sie alle sind Teile der Finanzwelt: Unternehmer*innen, Banker*innen und Politiker*innen, die sich hauptsächlich durch ihren Beruf definieren. Typisch für Röggla stehen die Sprechakte im Vordergrund: die Figuren reden durcheinander, versuchen sich in den Vordergrund zu drängen, um gehört und beachtet zu werden, ohne jedoch selbst den anderen Aufmerksamkeit zu schenken.

Raum und Ort
Sowohl im persönlichen als auch im literarischen Kontext spielen Räume und Orte in Rögglas Textwelten eine entscheidende Rolle. Die Stadt als Wirkungsraum ist ein wesentlicher Einflussfaktor ihres kreativen Schaffens, in ihr konzentriert sich alle thematische Essenz, sie bildet den gesellschaftlichen Bodensatz ihrer Literatur. „Auf dem Land könnte ich nicht schreiben“, stellt Röggla in einem Interview mit Anne-Catherine Simon (Die Presse) fest. „Ich brauche die Stadt: für meine Recherchen und mein persönliches Leben“. Für Röggla bedeutet Stadt nicht nur „Dichte, Vielfalt“ und „Akkumulation“, sondern auch „gesellschaftliche Widersprüche“. Sie übt sich zugleich in „intensiver Konfrontation und Distanznahme“. Mit ihrem Umzug von Salzburg nach Berlin findet auch eine thematische Entwicklung in Rögglas Werk statt.
In ihren Texten bilden Orte statt Personen das Zentrum. „Den Lesern mag die Auswahl vielleicht etwas zufällig anmuten. Es sind nicht unbedingt signifikante Orte“, so Kathrin Röggla in einem Interview. „Aber sie sind strategisch für das, was ich sagen will“ (Berliner LeseZeichen).
Ihre ersten Publikationen im Berliner Kosmos behandeln die Großstadt als Lebensraum einer Generation zwischen Love Parade und Zukunftsangst. Berlin, die damals in den Köpfen noch geteilte Stadt mit ihren bunten Subkulturen, befindet sich auf dem Weg zur Touristenmetropole. Es ist ihre Aufgabe als Autorin, diese Veränderungen wahrzunehmen. In so genannten mental maps (wie etwa in irres wetter) skizziert sie in großer Sorgfalt ihr Bild von der Stadt.
In ihren Texten sucht Röggla stets die realräumliche Anbindung, um ihre Geschichten existent zu machen; irres wetter verhandelt den Berlin-Raum überaus komplex, als reale Simulation. In ihrem Buch stehen sich reale Räume und sprachliche Orte gegenüber. Röggla ist Architektur und politische Situation gleichermaßen wichtig wie rhetorische Topoi und Diskursschichten.
In really ground zero zeigt Röggla, wie die Stadt New York nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center, das als Sinnbild für Manhattan galt, einen Bruch erfährt, sie wird als Ort der Angst inszeniert. Das urbane, lebendige Extrakt der Metropole tritt zurück hinter die fortschreitende Militarisierung: „[I]nzwischen dominieren auch draußen die militärgeräusche“ (S. 14), schreibt Röggla in ihrem Erfahrungsbericht. Sie erlebt Manhattan als in Zonen unterteiltes Gebilde: die „war zone“ (ebd.), die ganze Stadt, und die „frozen zone“ (ebd.), in der sie lebt. Es ist dieses Miterleben, das Rögglas Großstadterfahrung verändert hat und auch ihre spätere Auseinandersetzung mit dem Katastrophischen entscheidend determinieren wird.

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Formale Aspekte [ ↑ ]

Kathrin Röggla gilt als eine der bekanntesten Sprachkünstlerinnen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Zu Rögglas unverkennbarem, poetischem Stil gehören insbesondere der starke, fast mantrahafte Gebrauch von Wiederholungen sowie ihre Tendenz zu Neologismen.
Ihre Figuren, ob in den Prosa- oder Theatertexten, haben keine festgeschriebenen Körper und kein konkretes Aussehen. Sie werden hauptsächlich durch ihre Sprache und Handlungen definiert: Sie werden nicht beschrieben, sondern beschreiben sich selbst. Das bewirkt nicht nur eine gewisse Authentizität, den Anschein einer erzeugten Realität, sondern vermittelt auch die implizierte Subjektivität und Selbstdarstellung. Nicht selten sind die Figuren Typen, personifizierte Attribute mittels derer sie sich identifizieren, welches oft dazu führt, dass sie auf die Leser*innen bzw. Zuschauer*innen wie Karikaturen wirken. Die Sprache und ihre Entfaltung ist ein essentieller Aspekt in Rögglas Werken und die Haltung der Figuren, ihr Sprachverhalten und ihre Ausdrucksweise sagt sowohl etwas über die Charaktere selbst, als auch über die Gesellschaft, in der sie leben, aus. Aus diesem Grund reden die Figuren oft im endlosen Kampf um den Mittelpunkt aneinander vorbei und stellen somit dar, wie misslungene Kommunikation (mit den zeittypischen Phrasen und Codes des 21. Jahrhunderts) aussieht.
Der häufige Gebrauch von asyndetischen Reihungen verleiht den Geschehen, die zum großen Teil aus Figurenrede bestehen, eine gewisse Dynamik. So erzeugen die Texte ein Tempo, das gerade in den Prosa- und Theatertexten mit Bezug auf Kapitalismus, globale Marktwirtschaft und das Finanzsystem die Geschwindigkeit und Schnelllebigkeit der heutigen Gesellschaft widerspiegelt.
Wie bei Elfriede Jelinek, mit der Rögglas Stil in der Literaturkritik oft verglichen wird, zeigt sich auch bei ihr eine Auflösung der Grenzen zwischen Dramatik und Epik: „Mich interessieren Schreibformen, die sich zwischen alle Stühle stellen“, erklärt Kathrin Röggla im E-Mail-Interview mit Margarete Affenzeller (Der Standard). Tatsächlich zeichnet sich das Wirken der österreichischen Schriftstellerin durch die Gratwanderung zwischen den verschiedenen Darstellungsformen aus. Röggla erprobt literarische und mediale Grenzen und verschränkt die unterschiedlichen Schreibformen miteinander. Die Gattungsvielfalt ihres Werkes ist ein wesentliches Charakteristikum.
Rögglas Affinität zum multimedialen Arbeiten findet sich auch im Umgang mit den Wirkungsformen des Internets bestätigt. Bereits 1999 entstehen der Hypertext Nach Mitte sowie verschiedene Sound-Collagen und Audio-Installationen. „Wiederholen würde ich das allerdings nicht wollen“, erklärt Kathrin Röggla in einem Interview zwei Jahre später: „Das Netz ist kein Ort für Literatur“ (ebd.). Gleichwohl stelle das Internet-Radio eine Alternative zur Abhängigkeit von den Sendern dar.

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Forschungsspiegel [ ↑ ]

Kathrin Rögglas Prosa- und Theatertexte haben in der Forschung in den letzten Jahren wachsende Beachtung erfahren. Die stetige Präsenz der „Wechselwirkung von Realität und Fiktion“ (Vilar 2010, S. 130) in ihren Werken machen diese insbesondere zu einem „fruchtbaren Schnittpunkt von Sozialwissenschaft und Literatur“ (Vilar 2010, S. 129). So lassen sich u.a. bei kritischer Analyse Aspekte der modernen, von globaler Marktwirtschaft beherrschten Gesellschaft identifizieren.

New Economy, Workaholics und Wirtschaftsboom
Vor allem Rögglas Rechercheroman New Economywir schlafen nicht wird umfangreich in der Forschung diskutiert. Vor allem die Darstellung und Verarbeitung von Zeit werden in den Forschungsbeiträgen untersucht, so etwa von Christine Bährs Text Atemlos. Arbeit und Zeit in Kathrin Rögglas wir schlafen nicht von 2009.
Aber auch Untersuchungen im Bereich der Gender Studies beschäftigen sich mit der dargestellten Frauenrolle und ihren Bezügen zur Arbeitswelt. Dabei wird analysiert, wie Frauen sich in ihre Rollen einfinden und sich in der erzeugten Welt einordnen. In Decoding images: Top-Dog-Jobs für Frauen in Kathrin Rögglas wir schlafen nicht von M. Loreto Vilar von2010 wird die genderkritische Thematisierung von erfolgssuchenden Frauen in einer von Männern dominierten Arbeitswelt untersucht. Dabei wird schnell deutlich, dass Röggla zeigt, wie der Mensch allgemein in den westlichen Gegenwartsgesellschaften zu Material degradiert wird (vgl. Vilar 2010, S. 130). Die vorgestellten Frauenfiguren sind „Erfolgsmenschen“ – „Top-Dogs“ (vgl. ebd.) – oder zumindest auf dem Weg dorthin. Nach Vilar kann die genaue Betrachtung der ‚Praktikantin‘ als Modell für den schwierigen Berufseinstieg für Frauen dienen (vlg. 135).
Bei Röggla findet sich die Diagnose, dass sowohl Frauen als auch Männer in der Dienstleistungswelt unter einer regelrechten Arbeitssucht leiden. Damit einher geht die „Überidentifikation des Angestellten mit dem Unternehmen“ (Vilar 2010, S. 136), das Unterordnen jeglicher Aspekte, die nicht in Zusammenhang mit dem Job stehen und völlige Verausgabung für den Beruf. Die Figuren, so Vilar, dienen als „wirksam-reale Karikaturmodelle“ (Vilar 2010, S. 137). Ihre Existenz ist gekennzeichnet von einem ständigen Zwiespalt zwischen Minderwertigkeitskomplex und Werteverfall. Die Verwendung des Businessjargons scheint naheliegend, um die genderspezifischen Probleme herauszustellen. Der „Marktwert“ (Vilar 2010, S. 138) der Frauen wird letztlich durch verschiedene Aspekte beeinflusst wie Karrierestress, Gesundheitszustand, Aussehen und sexuelle Attraktivität. Des Weiteren scheinen sich Frauen in der Arbeitswelt einer doppelten Konkurrenz auszusetzen; gegenüber der dominanten Männerwelt, aber auch jüngeren, talentierteren Frauen. Durch diese Belastung durchlaufen die Frauen einen Prozess der „Entmenschlichung“ (Vilar 2010, S. 138) und mutieren dabei – wie allgemein viele der Figuren in Rögglas Textwelten – zu Schatten ihrer selbst.

Sprachspiele
Rögglas Assoziationsprosa sowohl auf Papier als auch vorgetragen auf der Bühne ist signifikant. Diverse wissenschaftliche Arbeiten befassen sich mit Rögglas sprachlicher Gestaltung in Bezug auf Geschwindigkeit, Vermischung von Epischem und Dramatischem und Performativität. Röggla selbst bezeichnet ihr literarisches Schaffen als „Hybridisierung von Genres und Medien“ (Kathrin Röggla/Céline Kaiser/Alexnader Böhnke: Interview 2004). Insbesondere ihr Text really ground zero, das sich genrespezifisch zwischen Dokumentation, Erlebnisbericht und ästhetischer Verarbeitung ansiedelt, findet in der Forschung reges Interesse. So spricht Carola Gruber in ihrem Aufsatz Ein „haufen an authentizität?“ Kathrin Rögglas really ground zero von 2011 über die Darstellungsmechanismen des „Ichs“ und die sprachliche Reflektion der Katastrophe vom 11. September 2001. Sie betrachtet dabei vor allem die „Unfasslichkeit des Ereigneten“ (Gruber 2011, S. 328). Ihr Herangehen ist nicht nur textimmanent, sondern bezieht sich auch auf die Rezeption von Rögglas Werk und den damalig entstandenen Diskurs um die Tragödie. Sie streift zudem das Thema des psychologischen Gehalts der Reflektionen. Ähnlich verhält es sich in Volker Mergenthalers Beitrag „verständnisschwierigkeiten“. Zur Ethno-Poetik von K. Rögglas really ground zero (2011). Auch hier wird versucht, Rögglas Umgang mit dem sogenannten „Unaussprechlichkeitstopos“ (vgl. ebd. 233) zu beleuchten. Ebenso wie bei Gruber bezieht auch Mergenthaler Rezeptionsberichte von Rögglas Werk in die Untersuchung mit ein, um eine Grundlage für seine Hypothesen zu schaffen. Der Titel seiner Untersuchung bezieht sich auf eben dieses Problem der Unaussprechlichkeit, welches Röggla mit ihrer Form von Mixed-Media-Materialien entgegenzuwirken versucht. Im Vordergrund stehen bei Mergenthaler die multimediale Analyse der Photographien, der Augenzeugenberichte und die von Röggla aufgeworfene Problematik des Ethnozentrismus. Seine Diskussion dreht sich daher vor allem um die Betrachtung des Zwiespalts von „Teilnehmen und kulturimmanentem Verstehen/Nichtverstehen“ (Mergenthaler 2011, S. 244) und dem Loslösen von ethnographischem Analysieren in Rögglas really ground zero.
Christian Kremer widmet Kathrin Rögglas Kunstsprache in seinem Werk Milieu und Performativität von 2008 ein Kapitel, in dem er die „Reportageästhetik“ und ihre journalistischen Methoden anhand von wir schlafen nicht untersucht. Dabei geht er in den verschiedenen Unterkapiteln auf die Besonderheiten ihrer Sprache detailliert ein: Rögglas konsequente Kleinschreibung, den übermäßigen Gebrauch des Konjunktivs und die Verwendung von Fachsprache und Anglizismen. Abschließend bezieht er diese sprachliche Verwirklichung der Figuren auf den Raum, wie ihn Röggla definiert, als sozialen Ort, in dem sich die Charaktere selbst darstellen und profilieren. Die Sprache ordnet die Figuren somit in die Hierarchie der Arbeitswelt ein (vgl. Kremer 2008, S. 124). Er stellt außerdem die These auf, dass die Sprechfiguren mit Hilfe Rögglas Sprachkritik, die sich u.a. in der Übertreibung der Fachsprache bemerkbar macht, dekonstruiert werden und somit ihre Abhängigkeit von der Arbeitswelt deutlich wird (vgl. ebd.).

Inszenierung von Identität – Postdramatik
Auch bieten sich Rögglas Texte zur Untersuchung in Bezug auf „antidramatische Tendenzen und Merkmale im zeitgenössischen deutschen Theater“ an (Kapusta 2011, S. 157). Dafür eignen sich ihre Stücke besonders, da in ihnen hauptsächlich Zustände inszeniert werden, in denen Figuren bloß mit Hilfe ihrer Stimmen charakterisiert werden, statt durch ihre Eigenarten und ihr Handeln (vgl. ebd.). Diese Zustände zeichnen sich bei Röggla oft durch den Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Themen aus, zu denen die Figuren stellvertretend Stellung nehmen. Daniela Kapusta untersucht in ihrem Beitrag Kathrin Röggla: fake reports die Frage, wie es sich mit dem menschlichen Subjekt in Hinblick auf ihre Innen- und Außenwelt in Rögglas Stücken verhält (Kapusta 2011, S. 158). Als konkretes Beispiel hat sie sich dazu das Theaterdebüt der österreichischen Künstlerin ausgesucht. Sie legt dabei einen Schwerpunkt auf die Betrachtung der Identitätsbildung der Figuren, die durch ihr Auftreten reflektiert werden und sich auch im Sprachverhalten manifestieren. In ihrer Analyse stellt Kapusta heraus, dass das Individuum, dargestellt durch die dramatische Figur auf der Bühne, abgelöst wird von einer Vielzahl anonymer Stimmen. Es entsteht eine gesichtslose Masse und mit ihr einhergeht die Entwicklung einer „kollektiven Subjektivität“ (Kapusta 2011, S. 167). Kapusta stellt deshalb die These auf, dass diese Verschmelzung auf eine „sinkende Relevanz des Individuums“ (ebd.) in Hinblick auf das gesellschaftlich-historische Geschehen zurückzuführen ist. Genau diese Veränderung wird auch in der Sprache sichtbar.

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