Dr. Ute Pascher - Abstract zum Vortrag am 24. Januar 2013, 16.00-18.00 Uhr – Raum V13 S00 D50
Von der abhängigen Beschäftigung zur beruflichen Selbstständigkeit: Unkonventionelle Berufskarrieren von Chemikerinnen.
Wird alltagsweltlich von der „beruflichen Karriere“ einzelner Frauen gesprochen, so denken die meisten wohl nicht an die Karrieren von beruflich oder unternehmerisch selbstständigen Personen; und zuletzt wird an Frauen gedacht, die ein ingenieur- oder naturwissenschaftliches Studium erfolgreich absolviert haben und eine Unternehmensgründung vornehmen. Berufliche Karrierewege von Männern und Frauen entwickeln sich aber bereits seit Jahrhunderten auf dem Weg selbstständiger Arbeit. Anerkennend wird auch heute noch eher an diejenigen Frauen gedacht, die es „trotz aller Widerstände“ in Wirtschaft und Wissenschaft geschafft haben auf eine hohe/höhere Hierarchiestufe in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis (als Angestellte oder Beamtin) zu gelangen.
Wenn dann aber doch an selbstständige Frauen und ihre erfolgreichen beruflichen Lebenswege gedacht wird, handelt es sich dabei am ehesten um die Solo-Selbstständige, die im Zu- oder Nebenerwerb in ihrer Familienphase begonnen haben, ihr berufliches Leben erneut oder neu in die Hand zu nehmen. Da ist das Schreibbüro im Keller der Familienvilla oder die Übersetzerin, die bereits im Kita-Alter ihrer Kinder Aufträge für technische Übersetzungen angenommen hat. Die Gründungsstatistik belegt diese für Frauen typische Form von selbstständiger Tätigkeit, die sich durchaus zu einer „Erfolgsgeschichte“ entwickeln kann. An selbstständige Frauen, die in natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Tätigkeitsbereichen beschäftigt sind und von Beginn an im Haupterwerb gegründet haben, geht der Blick in der Regel vorbei.
Als weiterer Typus fällt uns dann noch die „Powerfrau“ ein, die Unternehmerin von Geburt an ist, weil sie „keine Brüder hatte“ und der Familienbetrieb somit auch an die Tochter „vererbt“ werden konnte. Oder auch die Unternehmergattin, die nach dem Tod ihres Ehemannes das Familienimperium weiterführt, obwohl sie weder kaufmännisch noch juristisch qualifiziert ist. Und ganz unweigerlich wird dann auch die Beobachtung zitiert, dass Frauen „andere“ Unternehmer (vgl. z.B. Bührmann) sind, dass ein so genannter „weiblicher Führungsstil“ existiert und sich die weibliche Unternehmenskultur von der männlichen unterscheidet.
Es ist darauf hinzuweisen, dass sich eine geschlechtssensible Betrachtung von Unternehmertum, Gründung und selbstständiger beruflicher Tätigkeit nicht darauf reduzieren lässt, einen Unternehmer von einer Unternehmerin abzugrenzen oder gar die weibliche der männlichen Unternehmenskultur gegenüber zu stellen.
Damit auch die relativ (und in absoluten Zahlen) wenigen selbstständigen und beruflich erfolgreichen Frauen in Wissenschaft und Gesellschaft sichtbar werden, muss aber darauf hingewiesen werden, dass Gründungspersonen sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechts sein können! Diese für GeschlechterforscherInnen und andere eher banale Beobachtung ist deshalb von Bedeutung, weil Frauen in bestimmten Branchen, Tätigkeitsfeldern und Arbeitsverhältnissen sowie -formen für Entscheidungsträger unsichtbar sind und bleiben. Dies konnte u. a. im bmbf-Forschungsprojekt ExiChem (2009-2011) nachgewiesen werden. Und bereits Haffner (2007:65ff) konnte empirisch belegen, dass hochqualifizierte und erfolgreiche Frauen oft gerade nicht in den gängigen traditionellen abhängigen Beschäftigungsverhältnissen zu finden sind.
Daraus folgt: Möchte man beruflich erfolgreiche Frauen betrachten und erklären, wieso sie erfolgreich sind, dann müssen auch Selbstständige aller Fachrichtungen untersucht werden. Es gibt nämlich Hinweise darauf, dass die gängige „männlich geprägte“ Arbeitskultur, die stark am Kriterium der permanenten Verfügbarkeit orientiert ist, in der heutigen Arbeitswelt immer mehr Menschen - und gerade auch hochqualifizierte Frauen aus unterschiedlichsten Fachrichtungen - dazu bringen, eine Unternehmensgründung der üblichen Karriereleiter im Unternehmen vorzuziehen.