Wintersemester 2013/14
Bernhard Jaumann
Tatorte und Schreibräume: Spurensicherungen
Die Welt im Krimi ist durch das Verbrechen bestimmt. Jede Figur ist ein potentieller Täter, jeder Gegenstand ein potentielles Indiz, jeder Ort ein potentieller Tatort. Das Verbrechen schafft Chaos, in dem jemand „aufräumen“ muss, um unser aller Zuhause am Ende wieder kuschelig erscheinen zu lassen. Krimiautoren erledigen das für den Leser – und leiden gern unter dem Nullsummenspiel, das innerhalb des Genres erwartet wird. Doch es gibt Möglichkeiten zum Widerstand, zur Ausweitung der Schreibräume, sei es innerhalb der selbst erschaffenen Fiktion oder – zunehmend – durch Ausbrüche in die Topographie des realen Verbrechens, wo oft genug weder die Guten noch die Wahrheit ihren Platz behaupten. Das ist riskant, denn bei solchen (Re)Konstruktionen kann der Kriminalroman selbst zu dem werden, was die Spurensicherung in ihm auszuwerten und zu interpretieren hat: zu einem Tatort.