Vortragsreihe 2012: "Entgrenzung und Ordnungsbildung – Wandel von Demokratie"
Sommersemester 2012 Entgrenzung und Ordnungsbildung – Wandel von Demokratie
Im SoSe 2012 wurde die Vortragsreihe des gesellschaftswissenschaftlichen Profilschwerpunktes der UDE fortgesetzt. Das Plakat der Veranstaltung können Sie hier herunterladen.
Mi., 11.07.2012, 18-20 Uhr, Raum LF 132: Prof. Dr. Wilhelm Hofmann (Technische Universität München): Zum Verhältnis von Kommunikation und Entscheidung unter den Bedingungen beschleunigten gesellschaftlichen Wandels
Di., 05.06.2012, 18-20 Uhr, Raum LF 132: Prof. Dr. Christopher Daase (Goethe-Universität Frankfurt am Main): Das Analogon der Demokratie. Gerechtigkeit als Erfolgsbedingung von Legitimationspolitik im entgrenzten Raum
Di., 17.04.2012, 18-20 Uhr, Raum LF 132: Prof. Dr. Oliver Marchart (Universität Luzern): Globale Proteste und die Demokratisierung der Demokratie
Kontaktadresse: Prof. Dr. Renate Martinsen I Lehrstuhl für Politische Theorie I renate.martinsen@uni-due.de
Mi., 11.07.2012 Prof. Dr. Wilhelm Hofmann
Abstract:
"Zum Verhältnis von Kommunikation und Entscheidung unter den Bedingungen beschleunigten gesellschaftlichen Wandels: Jürgen Habermas und die deliberative Demokratie – ein Stresstest"
Die Verfahren und die Legitimationsfunktion demokratischer Entscheidungsfindung geraten unter den Bedingungen beschleunigten gesellschaftlichen Wandels mindestens zweifach unter Druck. Sie werden gleichsam von außen durch räumliche Entgrenzung ökonomischer und kultureller Prozesse bzw. die institutionelle
Transformation der verschiedensten Ebenen des Regierens und von innen durch die fortschreitende gesellschaftliche Differenzierung und Individualisierung unter normativen und funktionalen Aspekten problematisch.
Angesichts dieser Ausgangssituation lohnt ein Blick auf eine der zur Zeit wahrscheinlich prominentesten Demokratietheorien. Jürgen Habermas versucht mit seiner auf der Theorie des kommunikativen Handelns aufbauenden Konzeption der deliberativen Demokratie eine konsistente Reformulierung der normativ gehaltvollen Praxis moderner Demokratien, die nicht nur Volkssouveränität und Rechtsstaat zwanglos miteinander vereinigt, sondern in der zugleich liberale und republikanische Ideale aufgehoben und ein neuer Ansatzpunkt kritischer Theorie verfügbar gemacht wird. Darüber hinaus reflektiert seine Theorie auch insbesondere in den letzten Jahren die beiden angesprochenen Herausforderungen des beschleunigten gesellschaftlichen Wandels – Individualisierung/Differenzierung und Globalisierung – gegenüber der Demokratie.
Der Vortrag soll ausgehend von einer Rekonstruktion der kommunikationstheoretischen Leitideen der deliberativen Demokratie die Überlegungen von Habermas zu einer postnationalen und zugleich postmetaphysischen Demokratie diskutieren. Zentrales Ziel dabei ist es, die Interdependenz von rationaler sprachlicher Kommunikation und Demokratie in der speziellen Fassung, die sie in der Theorie von Jürgen Habermas erhält, herauszuarbeiten, um sie dann mit anderen Ansätzen der kommunikativen Konstitution und Transformation demokratischer Ordnung zu konfrontieren.
Curriculum Vitae:
1983 – 1988 Studium der Philosophie, Neueren Deutschen Literaturwissenschaft und Politikwissenschaft an den Universitäten Augsburg, München und Frankfurt am Main
1989 – 1994 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Wissenschaft der Universität Augsburg
1993 Forschungsaufenthalt am Queen Mary and Westfield College der University of London
1994 Promotion mit einer Arbeit über Repräsentative Diskurse
1991 – 1996 Lehrbeauftragter für Politik und Medien an der TU Ilmenau
1996 – 1997 Vertretungsprofessur Politikwissenschaft/Medien an der TU Ilmenau/Thüringen
2001 Habilitation mit einer Arbeit über das Politische Denken des klassischen Utilitarismus an der Universität Augsburg
2003 – 2004 Vertretungsprofessur für Policy-Analyse und Politische Theorie an der Universität Konstanz
2004 – 2009 Vertretungsprofessur für Politische Wissenschaft an der TU München
2009 Gastprofessor am Initiativkolleg der Universität Wien: Kulturen der Differenz
seit 2010 Professor für Politische Wissenschaft an der TU München
seit 2008 Sprecher- und Gründungsmitglied des Arbeitskreises „Politik und Kultur“ der DVPW
seit 2010 Studiendekan Berufliches Lehramt
Ausgewählte Publikationen:
(2011) Stadt als Erfahrungsraum der Politik - Beiträge zur kulturellen Konstruktion von Politik (Reihe: Studien zur visuellen Politik), Bd. 7, Münster: Lit Verlag.
(2008) Die Demokratie der Bilder. Die Risiken und Chancen der audiovisuellen Demokratie, in: Brodocz, A./Llanque, M./Schaal, G.S. (Hrsg): Bedrohungen der Demokratie, Opladen: VS Verlag, S. 270-286.
(2007) Hauptwerke der politischen Theorie (gem. mit G. Riescher u. Theo Stammen, zweite Auflage, Stuttgart: Kröner
(2007) Politikwissenschaft (Reihe Basics UTB – gem. mit Nicolai Dose, Dieter Wolf), Stuttgart: UTB.
(2006) Bildpolitik/Sprachpolitik – Untersuchungen zur politischen Kultur in der entwickelten Demokratie, Münster: Lit Verlag.
Zitate:
„Es steht außer Frage, dass die Herrschaft der Bilder oft einher geht mit Simplifizierung und der Reduktion komplexer Zusammenhänge auf das optisch Darstellbare. So gesehen sind Bilder in der Tat der Feind anspruchsvoller Politik.“
aus: (2008) Die Demokratie der Bilder. Die Risiken und Chancen der audiovisuellen Demokratie, in: Brodocz, A./Llanque, M./Schaal, G. (Hrsg): Bedrohungen der Demokratie, Opladen: VS Verlag, S. 275.
Di., 05.06.2012 Prof. Dr. Christopher Daase
Abstract:
„Das Analogon der Demokratie. Gerechtigkeit als Erfolgsbedingung von Legitimationspolitik im entgrenzten Raum“
Seit dem Ende des Kalten Krieges haben die USA und andere westliche Staaten versucht, mit erheblichem politischen und wissenschaftlichen Argumentationsaufwand zwei sicherheitspolitische Innovationen international zu legitimieren: humanitäre Interventionen und präventive Kriegführung. Doch während der Militäreinsatz zum Schutz vor gravierenden Menschenrechtsverletzungen heute auch unabhängig von einem Mandat des UN-Sicherheitsrates als weitgehend gerechtfertigt angesehen wird, wird der Einsatz militärischer Mittel, um eine gravierende Bedrohung im Vorfeld zu entschärfen, überwiegend abgelehnt. Warum ist das so? Liegt es an den inhärenten normativen Unterschieden, welche die eine Praxis legitim und die andere illegitim macht? Sind es die historischen Umstände und die sie begleitenden Ereignisse, die den Unterschied machen? Liegt es an der Form der Rechtfertigung, die die Argumentation der Akteure einmal akzeptabel, das andere mal als inakzeptabel erscheinen lassen?
Der Vortrag rekonstruiert vergleichend zwei legitimationspolitische Diskurse und fragt nach den Ursachen, warum humanitäre Interventionen heute als legitim, präventive Kriegführung hingegen als illegitim gilt.
Curriculum Vitae:
1983 – 1988 Studium der Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte sowie der Politikwissenschaft an den Universitäten Hamburg, Freiburg i.Br. und Berlin (FU)
1988 – 1989 Tätigkeit an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg
1990 – 1992 SSRC-Mac Arthur-Fellow in International Peace and Security, Aufbaustudium an der Harvard Universität, Forschungstätigkeit bei der RAND-Corporation
1994 – 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsstelle Transatlantische Außen- und Sicherheitspolitik, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, Freie Universität Berlin
1996 Promotion zum Dr. phil. an der Freien Universität Berlin. Ernst-Reuter-Preis
2002 – 2004 Lecturer und Senior Lecturer in International Relations an der University of Kent at Canterbury und Direktor des Programms für Internationale Konfliktanalyse an der Brussels School for International Studies (BSIS)
2004 – 2009 Professor für Internationale Beziehungen am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München
seit 2009 Professur für Internationale Organisation an der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“
seit 2005 Mitherausgeber der „Zeitschrift für Internationale Beziehungen“
seit 2009 Leiter des Programmbereichs „Internationale Organisationen und Völkerrecht“ an der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung
seit 2012 DFG Gutachter für das Fach Politikwissenschaft
Ausgewählte Publikationen:
(2011) Neue Kriege und neue Kriegführung als Herausfoderungen für die Friedenspolitik, in: Werkner, Ines-Jacqueline/ Kronfeld-Goharani, Ulrike (Hrsg.): Der ambivalente Frieden. Die Friedensforschung vor neuen Herausforderungen, Wiesbaden: VS-Verlag, S. 21 – 35.
(2010) Transnational Terrorism, Organized Crime and Peace-Building. The State of the Art in Human Security in the Western Balkans, London: Palgrave Macmillan.
(2008) Global Security Governance: Kritische Anmerkungen zur Effektivität und Legitimität neuer Formen der Sicherheitspolitik, in: Schuppert, Gunnar Folke/ Zürn, Michael (Hrsg.): Governance in einer sich wandelnden Welt, PVS-Sonderheft 41/2008, S. 475 – 498 (gem. mit Stefan Engert).
(2007) Knowns and Unknowns in the ‘War on Terror’: Uncertainty and the Political Construction of Danger, in: Security Dialogue, Vol. 38, No. 4, p. 411 – 436 (gem. mit Oliver Kessler).
(2002) Internationale Risikopolitik. Der Umgang mit neuen Herausforderungen in den internationalen Beziehungen, Baden-Baden: Nomos Verlag.
Zitate:
„Gemeinsam ist konstruktivistischen Ansätzen, dass sie sich mehr oder weniger radikal von einem substantiellen Sicherheitsbegriff verabschieden. Was Sicherheit ist oder nicht ist, kann wissenschaftlich nicht begründet, bewiesen oder definiert werden. Sicherheit ist ein politischer Begriff, der kulturell umstritten bleibe und als soziale Konstruktion seine politische Wirkung entfalte. Das heißt auch, dass sich mit dem Wandel der Gesellschaft das Verständnis von Sicherheit wandelt und umgekehrt, dass eine gewandelter Umgang mit Sicherheitsproblemen Auswirkungen auf die Gesellschaft hat.“
aus: (2012) Sicherheitskultur. Soziale und Politische Praktiken der Gefahrenabwehr, hg. v. Daase, Ch./Offermann, P./Rauer, V., Frankfurt am Main: Campus, S. 30.
Di., 17.04.2012 Prof. Dr. Oliver Marchart
Abstract:
"Globale Proteste und die Demokratisierung der Demokratie"
Der Vortrag wird nach dem Wandel der gegenwärtigen demokratischen Ordnungen fragen. Insbesondere die Proteste, die Europa, die USA, Chile und, in anderer Hinsicht, die arabischen Länder im vergangenen Jahr gesehen haben, deuten darauf hin, dass Demokratie zum globalen Verständnishorizont sozialen Protests wurde. Es handelte sich, so die These, in allen Fällen, wenn auch je verschieden moduliert, um Demokratisierungsproteste. Daran schließt die Frage an, inwieweit demokratischer Wandel auch auf globaler Ebene denkbar ist, d.h. was der Beitrag transnationaler Proteste innerhalb der Weltzivilgesellschaft zur Herausbildung einer globalen demokratischen Ordnung sein könnte.
Curriculum Vitae:
Studium der Philosophie/politischen Theorie an der Universität Wien und an der Universität of Essx
1999: Promotion zum Dr. phil. an der Universität Wien mit einer Dissertation zur Theorie von Kultur und Medien
2003: Promotion zum Doctor of Philosophy an der Universität Essex bei Prof. Ernesto Laclau mit einer Dissertation zu Politik und das Politische
2001-2006: wissenschaftl. Assistent am institut für Medienwissenschaften der Universität Basel
seit Juli 2009: Förderprofessur des SNF (Schweizerischer Nationalfonds) am Soziologischen Seminar der Universität Luzern
Ausgewählte Publikationen:
(in Vorbereitung): Die Prekarisierung des Sozialen. Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse (zusammen mit Stephan Adolphs und Marion Hamm).
(2010) Die politische Differenz. Das Denken des politischen bei Nancy, Lefort, Badiou, Laclau und Agamben, Berlin: Suhrkamp.
(2008) Cultural Studies, Konstanz: UVK / UTB.
(2010) „Bewegungspraxis“ und „organische Theorie“. Zur Rezeption und Produktion theorieförmiger Diskurse durch soziale Bewegungen am Beispiel der Prekarieriungsbewegung (zusammen mit Stephan Adolphs und Marion Hamm), in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 2010/1, S.73.88.
(2007) Die List des Konflikts. Protest in der Weltzivilgesellschaft, in: polylog. Zeitschrift für interkulturelle Philosophie, 2007/18.
Zitate:
„Die Differenz zwischen Politik und dem Politischen muss deshalb als Zeichen einer Temporalisierung gelesen werden, die Politisierungsprozesse und möglich erhält, welche ansonsten, d.h.in einer Gesellschaft, die sich selbst auf einem festen Grund imaginierte, nicht vorgestellt werden könnte.“
aus: Die politische Differenz. Das Denken des politischen bei Nancy, Lefort, Badiou, Laclau und Agamben, Berlin: Suhrkamp 2010, S.58.