Interventionsstudie zur Prüfung des differenziellen Einflusses adaptiven Feedbacks auf den Studienerfolg von Erstsemesterstudierenden in der Allgemeinen Chemie

Antragssteller

Mitarbeiter

​​Eitemüller  ​​Dr. Carolin Eitemüller

  Fakulät für Chemie​​,
  Arbeitsgruppe Didaktik der Chemie

​​Trauten  ​​Florian Trauten

  Fakulät für Chemie​​,
  Arbeitsgruppe Didaktik der Chemie

  Elke SumflethProf. Dr. Elke Sumfleth

  Fakultät für Chemie
  Didaktik der Chemie

​​Maik Walpuski  ​​Prof. Dr. Maik Walpuski

  Fakulät für Chemie​​,
  Arbeitsgruppe Didaktik der Chemie

​​Behrens  Prof. Dr. Malte Behrens

  Fakultät für Chemie
  Fachbereich Anorganische Chemie

Zusammenfassung

In diesem Projekt soll ein universitäres Lernangebot für die Allgemeine Chemie entwickelt und erprobt werden, das die individuellen Vorkenntnisse von Studienanfängern und -anfängerinnen durch adaptive Feedbackmaßnahmen stärker berücksichtigt und in Bezug auf die Erhöhung des Studienerfolgs sehr vielversprechend erscheint. Aktuell reicht das im ersten Semester erworbene Fachwissen im Bereich der Allgemeinen Chemie bei der Mehrheit der Studierende, die nur wenig Vorwissen besitzen, nicht aus, um die Klausur am Ende des Semesters zu bestehen. Studierende, die hingegen mit hohem Vorwissen ihr Studium beginnen, verfügen bereits zu Studienbeginn über das erforderliche Wissen zur erfolgreichen Klausurteilnahme. Zur Abfederung dieser Vorwissensunterschiede zwischen den Studierenden soll adaptives Feedback als eine Methode der Binnendifferenzierung genutzt werden, um den Lernprozess der Studierenden zu individualisieren. Wie die Ergebnisse von Meta-Studien bestätigen, stellt Feedback eines der bedeutendsten Einflussgrößen für Lernprozesse dar. Allerdings sind die Befunde zur Wirksamkeit verschiedener Feedback-Arten z. T. sehr inkonsistent. In einer Interventionsstudie mit experimentellem Design soll daher untersucht werden, welchen Einfluss zwei verschiedene Feedbackmaßnahmen auf den Studienerfolg von Erstsemesterstudierenden mit unterschiedlichen Vorkenntnissen haben. Das Projekt setzt damit im Rahmenmodell des Forschungsverbunds an dem für den Studienerfolg wichtigen Prädiktor des fachspezifischen Vorwissens an. Es ergänzt wertvolle Erkenntnisse über verbreitete Lernschwierigkeiten und systematische Fehlerquellen und leistet einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung des Studienerfolgs durch eine Intensivierung der Nutzung von Lerngelegenheiten. Darüber hinaus trägt es dazu bei, Erkenntnisse über den Einfluss zweier Feedbackmaßnahmen auf das konzeptuelle Wissen von Studierenden mit unterschiedlichen Vorkenntnissen zu gewinnen.

Projektbeschreibung

Projektbezogene Vorarbeiten

In der ersten Förderphase konnte für die Universität Duisburg-Essen wie auch für die Ruhr-Universität Bochum das fachliche Vorwissen neben der Studienmotivation und den mathematischen Fähigkeiten der Studierenden als stärkster Prädiktor zur Vorhersage Studienerfolgs in der Studieneingangsphase ermittelt werden. Ferner konnte für beide Standorte gezeigt werden, dass der Wissenszuwachs im ersten Semester über alle Vorwissensniveaus nahezu identisch ist und folglich vorliegende Vorwissensdefizite durch bestehende Lehrangebote bisher nicht aufgeholt werden (Averbeck, Fleischer, Sumfleth, Leutner & Brand, 2017). Der Erwerb und die Festigung neuen Wissens wird stark durch das Vorwissen beeinflusst, da es durch Querverbindungen in bereits vorhandene Wissensstrukturen eingebettet werden muss (Dochy, Segers & Buehl, 1999). Damit ergibt sich über beide Standorte (WiSe 16/17) eine nicht zufriedenstellende Durchfallquote von 49 %. Dies deckt sich mit den Ergebnissen einer Lernstandserhebung in chemienahen Studiengängen von Busker, Parchmann & Wickleder (2010), die belegt, dass Erstsemesterstudierende über alle Basiskonzepte der Chemie hinweg ein geringes Konzeptverständnis aufweisen.

Zentrale Fragestellung

Diese Ausgangslage zeigt deutlichen Handlungsbedarf auf. Da besonders vorwissensschwache Studierende selten professionelles Feedback bezüglich ihrer Leistungen in Anspruch nehmen (Heublein et al., 2017) und Feedback in Metastudien als eine der bedeutendsten Einflussgrößen auf Lernprozesse identifiziert werden konnte (Hattie & Timperley, 2007), erscheint Feedback ein vielversprechender Ansatz zu sein, um den Lernprozess zu individualisieren und der leistungsbedingten Heterogenität Rechnung zu tragen. Aufgrund des neuen Hochschulzeitgesetzes steigt auch der Bedarf an zeitlich und räumlich unabhängigen Lehr-/ Lernangeboten. Daher beschäftigt sich dieses Projekt mit der Entwicklung und Evaluation einer feedbackgestützten Online-Lernumgebung begleitend zur Allgemeinen Chemie Vorlesung im ersten Semester. In diesem Zusammenhang soll der Fragestellung nachgegangen werden, ob sich durch ein formatives Online-Lernangebot, das adaptives Feedback bereitstellt, der Studienerfolg insbesondere von vorwissensschwachen Studierenden erhöhen lässt. In diesem Zuge soll zudem die Eignung verschiedener informative tutoring feedback (ITF) Komponenten (Narciss, 2006) in Abhängigkeit vom Vorwissen überprüft werden, da aus der bisherigen Feedbackforschung nur schwer abzuleiten ist, welche ITF Komponente für Lernende mit hohem bzw. geringem Vorwissen die effizienteste Form darstellt.

Theoretischer Hintergrund

Der Übergang von der Schule zur Hochschule bzw. zur Universität stellt Erstsemesterstudierende vor eine Vielzahl neuer Herausforderungen. In der Studieneingangsphase treten z. B. Vorlesungen, die wenig Raum für Interaktionen mit dem Lehrenden bieten, an die Stelle von Unterrichtssituationen mit einer vergleichsweise individuellen Betreuung durch Lehrkräfte. Die empfundene Distanz zu den Lehrpersonen, und damit die Hemmschwelle Fragen zu stellen, wächst. So wird professionelles Feedback an der Hochschule immer seltener (Rost, 2012). Zudem ist eine individuelle Betreuung durch eine Lehrkraft im universitären Rahmen aus vielerlei Gründen schwer umsetzbar. Ferner muss der Studierende den Kontakt nun suchen und sein Feedback einfordern, was im Verhältnis zur Menge des zu lernenden Stoffs bzw. im Verhältnis zur Lernzeit vergleichsweise selten passiert (Rost, 2012; Inaltun, Irmak, Yanis & Ercan, 2013). Die Abschaffung der Anwesenheitspflicht im aktuellen Hochschulgesetz vom 16. September 2014 (§64, Absatz 2) begünstigt die Möglichkeit nach personellem Feedback ebenfalls nicht, gleichwohl sich daraus für Studierende andere Vorteile ergeben.

Als ökonomische Alternative zu solchen interpersonalen Lernsituationen kann eine Online-Lernumgebung dienen. Über einen webbasierten Übungsbetrieb lässt sich zeitlich und räumlich weitgehend unabhängig fehlerspezifisches Feedback über eine automatisierte Evaluation von Fehlern für viele Studierende gleichzeitig zugänglich machen, wodurch den Studierenden in der Studieneingangsphase ein Hilfeangebot bereitgestellt wird. In der Hochschullehre finden sich derzeit nur wenige vergleichbare Lernumgebungen. Dies gestaltet die Entwicklungsarbeit und Forschung in diesem Bereich zwar interessant, zugleich aber auch reich an Herausforderungen. Für das Modul Allgemeine Chemie, das erste Modul im Bachelor, soll dieses neue Übungsformat daher realisiert werden.

Das Vorwissen der Studierenden ist nicht nur eine bedeutende Einflussgröße für den Studienerfolg (Heublein et al. 2017), sondern auch für das Lernen selbst (Dochy et al., 1999). So ist zu erwarten, dass sich auch verschiedene Feedback-Typen (ITF Komponenten) in Abhängigkeit vom Vorwissen unterschiedlich lernwirksam erweisen. Einige Studien belegen dies bereits für chemienahe Inhalte und empfehlen, dass Studierenden entsprechend des Niveaus an Vorwissen mit unterschiedlichen Feedback-Typen begegnet werden muss (Albacete & VanLehn, 2000; Narciss & Huth, 2006). So konnte z. B. in einigen Studien festgestellt werden, dass vorwissensschwache Studierende eher von elaboriertem Feedback, vorwissensstarke Studierende eher von korrektivem Feedback profitieren. Insgesamt lassen Untersuchungen aktuell jedoch keine gesicherten Erkenntnisse zum Einfluss des Vorwissens auf die Wirksamkeit verschiedener Feedback-Typen in chemiespezifischen Aufgaben zu. Aus diesem Grund soll in dieser Lernumgebung durch den Vergleich von korrektiven und elaborierten Feedback-Typen das Forschungsfeld weiter beleuchtet werden.

Design

Zur Beantwortung der Forschungsfragen sind mehrere Studien geplant. Zunächst soll der entwickelte Aufgabenpool von 54 Aufgaben zu insgesamt 9 Lernzielen in einer ersten Pilotierungsstudie an N = 100 Erstsemesterstudierenden evaluiert werden. An dieser Stichprobe werden die beiden Feedback-Typen (elaboriert vs. korrektiv) im Stil einer quasiexperimentellen Studie in einem 2x2-Design hinsichtlich empfundener Nützlichkeit und Lernwirksamkeit getestet. Dazu werden die Studierenden zu Beginn des Semesters in eine Gruppe mit geringem Vorwissen und eine Gruppe mit hohem Vorwissen eingeteilt. Die Zuteilung zu den Gruppen wird anhand der Kurswahl in der Oberstufe vollzogen, da diese als guter Prädiktor für das Vorwissen in der Allgemeinen Chemie identifiziert werden konnte (Averbeck et al., 2017). Hierbei erhalten beide Studierendengruppen die gleichen Online-Aufgaben, welche jedoch mit unterschiedlichen Feedback-Typen versehen sind. Geplant ist zudem eine Bewertung des Feedbacks mithilfe eines Expertenratings durch erfahrene Fachdidaktiker/-innen. Auf Basis der so gewonnenen Daten sollen dann die bestehenden Aufgaben verbessert und weitere Aufgaben entwickelt werden.

In der Hauptstudie wird der gesamte Aufgabenpool bei gleichem Design genutzt, um der Frage nachzugehen, ob das Vorwissensniveau einen Einfluss auf die wahrgenommene Nützlichkeit und die Lernwirksamkeit der beiden Feedback-Typen hat. Hierbei wird erwartet, dass insbesondere vorwissensstarke Studierende von korrektivem Feedback profitieren, während eher vorwissensschwache Studierende von elaboriertem Feedback profitieren.

 

Literaturverzeichnis

Albacete, P.L. & VanLehn, K.A. (2000): Evaluating the Effectiveness of a Cognitive Tutor for Fundamental Physics Concepts. In: Proceedings of the Cognitive Science Society 2000. Online verfügbar unter http://escholarship.org/uc/item/0166b7p0

Averbeck, D., Fleischer, J., Sumfleth, E., Leutner, D., & Brand, M. (2017). Analyse chemischen Fachwissens und dessen Einfluss auf Studienerfolg. In: C. Maurer (Ed.), Implementation fachdidaktischer Innovation im Spiegel von Forschung und Praxis. Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik, Jahrestagung in Zürich 2016. (S. 83-87). Universität Regensburg.

Busker, M., Parchmann, I., & Wickleder, M. (2010). Eingangsvoraussetzungen von Studienanfängern im Fach Chemie. CHEMKON, 17(4), S. 163-168. DOI:10.1002/ckon.201010134

Dochy, F. J. R. C., Segers, M., & Buehl, M. M. (1999). The relation between assessment practices and outcomes of studies: The case of research on prior knowledge. Review of Educational Research, 69, 145-186.

Hattie, J. & Timperley, H. (2016). The Power of Feedback. Review of Educational Research, 77 (1), 81–112. DOI:10.3102/003465430298487

Heublein, U., Ebert, J., Hutzsch, C., Isleib, S., König, R., Richter, J., & Woisch, A. (2017). Zwischen Studienerwartungen und Studienwirklichkeit. Ursachen des Studienabbruchs, beruflicher Verbleib der Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher und Entwicklung der Studienabbruchquote an deutschen Hochschulen. Hannover: DZHW.

Inaltun, H., Irmak, M., Yanis, H., & Ercan, J. (2013). Investigating differences in preservice science teachers’ resource management strategies in preparing laboratory report. Procedia – Social and Behavioral Sciences, 116, 4140-4144.

Narciss, S. & Huth, K. (2006). Fostering achievement and motivation with bug-related tutoring feedback in a computer-based training for written subtraction. Learning and Instruction, 16(4), 310–322. DOI: 10.1016/j.learninstruc.2006.07.003.

Rost, F. (2012). Lern- und Arbeitstechniken für das Studium (7., überarb. u. aktual. Aufl. 2012). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH.

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