Forschung
Aktuelle Forschungsprojekte
APOS: Akute Risikofaktoren für poststationäres suizidales Verhalten
Zeitraum: 2021 – 2024
Förderer: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) FO 784/8-1
Projektleitung: Prof. Dr. Thomas Forkmann (PI), Prof. Dr. Heide Glaesmer (Leipzig, PI), Dr. Lena Spangenberg (Leipzig, PI)
Beschreibung:
Nach Entlassung aus einer stationär-psychiatrischen Behandlung bei akuter Suizidalität ist das Risiko für Suizidversuche und vollendete Suizide drastisch erhöht. Dem stehen begrenzte empirische Befunde zu proximalen Risikofaktoren, d.h. Variablen, die suizidale Erlebens- und Verhaltensweisen kurzfristig vorhersagen, gegenüber, die Voraussetzung für die Entwicklung von klinischen Monitoring- und Interventionskonzepten sind. Die Interpersonale Theorie Suizidalen Verhaltens (ITSV, Joiner 2005), das Integrative Motivational-Volitionale Modell Suizidalen Verhaltens (IMV-Modell, O’Connor 2011) und das Narrative-Crisis Model of Suicide (NCM, Galynker 2017) postulieren Variablen, die als proximale Risikofaktoren in Betracht kommen. Trotz empirischer Evidenz für die Kernannahmen dieser Theorien fehlen bislang prospektive Studien, die unter Berücksichtigung der zeitlichen Dynamik und der Interaktion dieser Variablen die Prädiktion in Bezug auf Suizidgedanken und Suizidversuche mit einer hohen zeitlichen Auflösung in einer Hochrisikopopulation direkt nach Klinikentlassung untersuchen.
Das Projekt prüft erstmals die Prädiktion von Suizidgedanken und Suizidversuchen in einer Hochrisikopopulation in einem prospektiven und zeitlichen hoch aufgelösten Studiendesign durch Variablen der ITSV, des IMV-Modells und des NCM. Hierzu wird mittels Ecological Momentary Assessment (EMA) über 6 Monate untersucht, ob die zentralen Variablen dieser Modelle (sowie deren Intensität und Variabilität) poststationär Suizidgedanken in Echtzeit und suizidales Verhalten im 6-Monats-Follow-Up vorhersagen. Zusätzlich sollen individuelle Verlaufsmuster von Suizidgedanken typisiert (digital phenotyping) und im Hinblick auf die prädiktive Validität untersucht werden. Daneben wird analysiert, welche Rolle die Herzratenvariabilität und die Herzrate in Echtzeit für die Vorhersage von Suizidgedanken und -versuchen spielen. Wir erwarten durch die Ergebnisse die Vorhersage von Suizidgedanken und suizidaler Verhaltensweisen zu verbessern.
SYMNET: Netzwerke depressiver und suizidaler Symptome vor und nach
kognitiver Verhaltenstherapie – eine Ecological Momentary Assessment-Studie
Zeitraum: 2021 – 2023
Förderer: Programm des Rektorats der Universität Duisburg-Essen zur Förderung des exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchses
Projektleitung: Dr. Dajana Rath
Stellv. Leitung: Dr. Inken Höller
Projektbeteiligte: Emmy Wichelhaus, M.Sc.
Beschreibung:
Achtundzwanzig Prozent der deutschen Bevölkerung leiden unter einer psychischen Störung (Jacobi et al., 2014, 2016), mehr als die Hälfte davon bekommt Unterstützung im Rahmen einer ambulanten Psychotherapie. Neuere Studien konnten zeigen, dass Symptome psychischer Erkrankungen einerseits zeitlichen Schwankungen unterliegen und andererseits in komplexen, transdiagnostischen und dynamischen Zusammenhängen stehen und als Symptomnetzwerke zu verstehen sind (Hallensleben et al., 2019; Rath et al., 2019). Eine hohe zeitliche Auflösung dieser Symptomnetzwerke erhält man über die Erhebung der Symptome mittels Smartphone – auch genannt ecological momentary assessments (EMA).
Bisher ist noch nicht untersucht, inwiefern sich solche zeitlich hoch aufgelösten Symptomnetzwerke im Rahmen erfolgreicher ambulanter Psychotherapie verändern und ob Parameter dieser Symptomnetzwerke vor Beginn einer Psychotherapie einen erfolgreichen Psychotherapieverlauf vorhersagen können.
Ziel dieses Projektes ist daher die Untersuchung EMA-Daten-basierter Netzwerke depressiver Symptome im zeitlichen Verlauf. Genauer soll analysiert werden, (1) wie sich Netzwerkparameter (z.B. Zentralität) vor vs. nach der Therapie unterscheiden und ob (2) der Therapieerfolg (remittierende vs. persistierende Symptome) durch diese Netzwerkparameter vor der Therapie vorhergesagt werden kann.
Solche Erkenntnisse sind nicht nur für das Verständnis von Verlauf und Beeinflussung depressiver Symptome wichtig, sondern haben auch potentielle praktische Implikationen für die psychotherapeutische Versorgung. Sollte sich zeigen, dass Netzwerkparameter vor der Therapie mit dem Therapieergebnis zusammenhängen, könnte z.B. perspektivisch untersucht werden, inwieweit die Berücksichtigung solcher individueller Symptomnetzwerke für einzelne Patient*innen im Rahmen der Therapieplanung den Erfolg von Psychotherapie begünstigt.
Suizidbezogenes perseveratives Denken und suizidbezogene Metakognitionen
Zeitraum: 2021 –
Förderer: --
Projektbeteiligte: Prof. Dr. Thomas Forkmann, PD Dr. Tobias Teismann, Dr. Inken Höller, Björn Vüst, M.Sc.
Beschreibung:
Suizidbezogenes perseveratives Denken (Rumination) wurde kürzlich als Risikofaktor für suizidales Verhalten identifiziert. Nach dem metakognitiven Modell für emotionale Störungen hängen die Aktivierung und Aufrechterhaltung von Grübeln von bestimmten metakognitiven Überzeugungen ab. In diesem Projekt werden zum einen Instrumente zur Erfassung von suizidbezogenem Grübeln und suizid-bezogenen positiven und negativen Metakognitionen entwickelt. Zum anderen wird auf Basis der Annahmen des metakognitiven Modells die Bedeutung dieser Konzepte für Entstehung und Verlauf von Suizidalität und den Übergang von suizidalem Denken zu suizidalem Handeln untersucht.
Exemplarische Publikationen:
Forkmann, T., Knorr, A., Gerdes, C., Vüst, B., Hamacher, D., Teismann, T. (submitted). Metacognitions about suicidal thoughts.
Höller, I., Teismann, T., Forkmann, T. (2022). Perseverative Thinking about Suicide Questionnaire (PTSQ): Validation of a new measure to assess suicide-specific rumination. Comprehensive Psychiatry, 112:152287.DOI
Teismann, T., Forkmann, T., Michalak, J., Brailowskaia, J. (2021). Repetitive negative thinking about suicide: associations with lifetime suicide attempts. Clinical Psychology in Europe, 3(3), e5579.DOI
Projektbeteiligungen
PRIMEX-S Die Untersuchung impliziter und expliziter Prozesse des suizidalen Entwicklungsverlaufs
Zeitraum: 2020 - 2023
Förderer: Deutsche Forschungsgemeinschaft (Brüdern)
Kooperationspartner: Dr. Juliane Brüdern (Leipzig, PI), Prof. Dr. Heide Glaesmer (Leipzig), Dr. Lena Spangenberg (Leipzig), Dr. Maria Stein (Bern)
Projektbeteiligte: Dr. Dajana Rath, Prof. Dr. Thomas Forkmann
Beschreibung:
Obwohl in den letzten zwei Jahrzehnten vermehrt Anstrengungen unternommen wurden, die Ursachen suizidaler Handlungen zu erforschen, ist das Wissen und Verständnis darüber immer noch stark begrenzt, was gleichzeitig negative Auswirkungen auf die valide Vorhersage von Suizidversuchen und die Anwendung effektiver Suizidpräventionsstrategien hat. Suizidgedanken und Suizidversuche wurden vor allem als Symptome einer psychischen Erkrankung betrachtet. Die intensive Erforschung klinischer Risikofaktoren (z.B. Depressivität, Hoffnungslosigkeit) und Behandlung einer psychischen Erkrankung führten jedoch zu keiner signifikanten Reduktion suizidalen Verhaltens. Aus diesem Grund wird aktuell versucht Modelle zu entwickeln und zu validieren, die stärker auf psychologische Prozesse fokussieren.
Ziel des Projekts ist die Untersuchung impliziter und expliziter Prozesse der menschlichen Informationsverarbeitung und Verhaltenssteuerung bei suizidalen Patienten. Das krankheitsübergreifende Konzept der Zwei-Prozess-Theorien dient als theoretische Grundlage, welches davon ausgeht, dass unser psychisches Funktionieren sowohl durch implizite als auch explizite Prozesse gesteuert wird. Mithilfe von Zwei-Prozess-Theorien können verschiedene Phänomene von Suizidalität (z.B. geplante vs. impulsive Suizidversuche) theoretisch eingeordnet werden, was in aktuellen Suizidtheorien bisher vernachlässigt wurde.
In diesem Projekt werden Patienten mit ausschließlich Suizidgedanken und Patienten mit suizidalem Verhalten hinsichtlich folgender Prozesse untersucht:
- implizite Einstellungen zum Thema Tod mit dem Suizid-IAT
- Prozesse der Aufmerksamkeitssteuerung mit dem Suizid-Stroop-Test
- Verhaltensimpulskontrolle mit der Go/No-go (GNG)-Task
Die Ergebnisse zu den suizidalen Patienten werden mit denen gesunder Kontrollprobanden verglichen, um wichtige implizite und explizite Marker von Suizidalität identifizieren zu können. Aktuelle Studien zeigten, dass eine starke implizite Assoziation mit dem Tod und ein suizidspezifischer Aufmerksamkeitsbias mit Suizidgedanken sowie einem sehr hohen Suizidversuchsrisiko zusammenhingen.
Mit dem Projekt können wir bisherige Studien zur Erforschung suizidalen Verhaltens um eine innovative Perspektive ergänzen und dazu beitragen, wichtige theoretische und empirische Lücken über die Entstehung suizidalen Verhaltens zu schließen. Darüber hinaus können mit den Erkenntnissen der Studie die Messung von Suizidalität verbessert und Behandlungskonzepte weiterentwickelt werden, beispielsweise im Rahmen eines Selbstregulationstrainings zur Reduktion von suizidalen Verhaltensimpulsen.
The role of ambivalence for suicidal agency – scientific network
Zeitraum: 2022-2024
Förderer: DFG (granted to RB and MW)
Projektbeteiligte: Dr. René Baston (PI, Institute of Philosophy, Heinrich-Heine University), Dr. Martin Weichhold (PI, Institute of Philosophy, TU Dresden), Dr. Lieke Asma (University of Philosophy Munich), Dr. Daphne Brandenburg (Faculty of Philosophy, University of Groningen), Dr. Sabrina Coninx (Institute of Philosophy II, Ruhr-University Bochum), Dr. Sanja Dembic (Centre of Advanced Studies in the Humanities, Humboldt-University Berlin), Prof. Dr. Thomas Forkmann (Department of Clinical Psychology, University Duisburg-Essen), Dr. Zuzanna Aleksandra Rucinska (Centre for Philosophical Psychology, University of Antwerp), PD Dr. Tobias Teismann (Mental Health Research and Treatment Center, Ruhr-University Bochum), Dr. Elizabeth Ventham (Department of Philosophy, University of Liverpool)
Beschreibung:
Das Ziel der Arbeit dieses interdisziplinären, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten wissenschaftlichen Netzwerks ist es, die Rolle von Ambivalenz im Rahmen suizidalen Handelns zu analysieren und zu bewerten.
Ausführliche Informationen finden sich unter www.ambivalence.info
Developing a scale to measure weariness of life
Zeitraum: 2022 -
Förderer: Research foundation Flanders (grant 1152421N to JA)
Projektbeteiligte: Judith Appel (Faculty of Psychology and Educational Sciences, KU Leuven, Belgium), Els van Wijngaarden (Department of Care Ethics, University of Humanistic Studies Utrecht, The Netherlands), Jessie Dezutter (Faculty of Psychology and Educational Sciences, KU Leuven, Belgium), Prof. Dr. Thomas Forkmann (Clinical Psychology, University of Duisburg-Essen)
Beschreibung:
Das Phänomen "Lebensüberdruss" (Lebensmüdigkeit, "weariness of life") stößt vor allem in den Niederlanden und in Belgien auf wachsendes Interesse. In diesen Ländern stehen die Begriffe in engem Zusammenhang mit einer politischen und gesellschaftlichen Debatte über die Zulässigkeit von Sterbehilfe oder assistiertem Suizid für relativ gesunde ältere Erwachsene, die angeben, lebensmüde zu sein oder ihr Leben als abgeschlossen zu betrachten. Die Diskussion dreht sich hauptsächlich um ethische und rechtliche Argumente, während nicht klar ist, was genau das Phänomen beinhaltet. Ein Überblick hierzu findet sich bei Appel & van Wijngaarden (2021). In diesem Projekt soll ein Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung von „Weariness of life“ entwickelt und validiert werden.
Weitere Informationen finden sich unter: https://osf.io/qtw54
Exemplarische Publikationen:
Appel, J. E., & van Wijngaarden, E. J. (2021). Older Adults Who Experience Their Lives to Be Completed and No Longer Worth Living: A Systematic Mini-Review Into Used Terminology, Definitions, and Interpretations. Frontiers in Psychology, 12(October).DOI
YSPN - Youth Suicide Prevention Network
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) (PI: Prof. Dr. Aleksandra Kaurin, Universität Wuppertal)
Mitglieder des Netzwerks: Prof. Dr. Aleksandra Kaurin, Universität Wuppertal; Prof. Dr. Tina In-Albon, Technische Universität Kaiserslautern; Laura Kraus, Technische Universität Kaiserslautern; Dr. Lena Spangenberg, Universität Leipzig; Dr. Lasse Sander, Universität Freiburg; Prof. Dr. Philip Santangelo, University of Luxembourg; Dr. Kevin Hilbert, Humboldt-Universität Berlin; Sören Friedrich, Ruhr-Universität Bochum; Prof. Dr. Tobias Teismann, Ruhr-Universität Bochum; Prof. Dr. Inken Höller, Charlotte Fresenius Hochschule
Website: https://youthsuicidenetwork.com/
Beschreibung: Das DFG-geförderte Netzwerk YSPN konzentriert sich auf die Erhebung und Prävention von Suizidalität bei Jugendlichen. Bei Jugendlichen zwischen 10 und 24 Jahren ist Selbstmord eine der häufigsten Todesursachen. Unter den Ländern mit dem höchsten Index für menschliche Entwicklung steht Deutschland an zweiter Stelle bei den Jugendsuiziden, und 25,6 % der 13- bis 25-jährigen stationären Patienten in Deutschland berichteten von mindestens einem Suizidversuch in ihrem Leben.
Ziel des Netzwerks ist die Auseinandersetzung mit methodischen, konzeptionellen und praktischen Fragen der Suizidforschung bei Kindern und Jugendlichen. Ein weiteres Ziel des Netzwerks ist die Erarbeitung, Anwendung und Demonstration von Methoden zur Verbesserung von Erhebungsansätzen. Dabei konzentriert sich das Netzwerk auf entwicklungssensitive, intensive Längsschnittdatenerhebungen (z.B. EMA), ihren klinischen Nutzen sowie mögliche Risiken (z.B. iatrogene Effekte) und ethische Überlegungen, die für die Durchführung von Arbeiten in diesem Bereich von größter Bedeutung sind.