Interview-Teil 3: Einflüsse

Interview-Teil 3: Einflüsse

„Star Trek – das ist echtes Futter fürs Gehirn“

Science-Fiction inspirierte Arne Sönnichsen schon früh, aber nicht alles sieht und liest er gleich gern. Wie realistisch die Darstellungen sind, was man daraus lernen kann und wie es für ihn in der Zukunft weitergeht, erzählt der Sozialwissenschaftler im dritten und letzten Teil unserer Interviewreihe.

Sind Sie Star Wars-Fan? Kann man sich so Krieg im Weltall vorstellen?

Ich schaue Star Wars gerne, aber ein riesiger Fan bin ich nicht. Einfach, weil Star Wars keine klugen gesellschaftlichen Fragen stellt, sondern es sich letztlich um ein Familiendrama vor der Kulisse eines interstellaren Krieges handelt. Da ist oft kein Platz für Nuancen, stattdessen werden stets und jederzeit die Skywalker-Geschichte und das Imperium als Dreh- und Angelpunkt zitiert.

Hingegen bin ich ein sehr großer Star Trek-Fan, denn hier wurden und werden in der Tat wichtige politikphilosophische Fragen gestellt: etwa ob eine fortschrittliche Gesellschaft in eine andere intervenieren darf, wie wir mit Forschungsdaten aus Menschenexperimenten umgehen, was eigentlich eine Lebensform ausmacht oder was eigentlich Gerechtigkeit ist. Das ist echtes Futter fürs Gehirn. Auch bietet Star Trek ein Füllhorn an Episoden, welche zentrale Fragen in der Disziplin „Internationale Beziehungen“ beleuchten: wie wir mit Massenvernichtungswaffen umgehen, wie eine liberale Gesellschaft mit einer Diktatur umgeht, was es bedeutet, sich mit anderen Großmächten zu streiten und welche Auswirkungen das auf kleinere Gesellschaften hat. Und mit gut 60 Jahren Laufzeit ist Star Trek der perfekte Spiegel des jeweiligen Zeitgeistes. Und schließlich kann ich mit der liberalen Utopie als Optimist viel anfangen.

Realistisch ist der Krieg im Weltraum weder in Star Wars noch in Star Trek dargestellt. Star Wars nimmt deutliche Anleihen an Luft- und Seeschlachten aus dem Zweiten Weltkrieg, in einigen Größenordnungen höher, selbstverständlich. Deswegen zoomen hier andauernd Jagdmaschinen vor der Kulisse gewaltiger Großkampfschiffe hin und her. Star Trek orientiert sich etwas mehr am Seekrieg, bei der behäbigere Großkampfschiffe sich beharken. Kein Wunder – Gene Roddenberry, der Schöpfer von Star Trek – war Bomberpilot im Pazifik des Zweiten Weltkriegs und nannte Star Trek auch mal „Captain Hornblower im Weltraum“, während George Lucas von den Kriegsfilmen nach dem Zweiten Weltkrieg und den Dogfights schneller Jagdmaschinen beeinflusst war.

Doch ein heutiger Krieg im Weltraum sähe eher langweilig aus: Hier würden viele Soldaten und Offiziere auf viele Monitore starren – also ein bisschen wie Schiffeversenken –, und wenn der erste schwere Angriff verifiziert wurde, wird der Befehl für eine terrestrische Operation gegeben.

Realistischer ist da schon die Romanreihe/Serie The Expanse, welche sich viel stärker an astrophysikalischen Grundlagen orientiert. Schiffe bewegen sich nicht frei im Raum, sondern müssen die Gravitation der Himmelskörper für Swing-by-Manöver nutzen, eingelegte Kurse lassen sich aufgrund der Bahndynamiken gar nicht so leicht wieder ändern. Hier zielt keiner mehr von Hand, das übernimmt selbstredend der Bordcomputer. Statt fantastischer Laser, Phaser, Photonen- und Protonentorpedos und Schutzschilde werden konventionelle Waffen wie Gatling Guns und Torpedos eingesetzt. Getroffene Schiffe explodieren nicht in lautstarken Explosionen, sondern trudeln einfach von ihrem Kurs oder zerplatzen geräuschlos.

Die Serie beschreibt einigermaßen realistisch die Grundlagen der Raumfahrt sowie den Raumkampf und ist auch darüber hinaus ein eindrucksvolles Beispiel für eine realistische Science-Fiction. Leider legt sie auch Zeugnis dafür ab, dass wir vermutlich eher nicht zu unserem utopischen Star Trek aufbrechen werden, sondern sehr wahrscheinlich unsere irdischen Probleme in den Weltraum ausdehnen werden.

Hat Ihr Job Ihnen die Augen geöffnet?

Ich kann manche Geschichte noch einmal ganz anders lesen als vor Jahren. Isaac Asimovs „Foundation“ etwa sehe ich dank meiner Forschung mit einem ganz anderen Blick, einem viel weiter gefächerten Blick – auch wenn das Buch im Schreibstil heute hoffnungslos veraltet ist, was die Dramaturgie oder die Darstellung von Frauen betrifft. Die klugen Ideen, die sind aber nach wie vor relevant. Da kann ein noch so schwacher Roman vor mir liegen, manchmal steckt darin eben doch diese eine kleine radikale Idee, die wiederum Futter fürs Weiterdenken bietet. Um beim Beispiel Star Trek zu bleiben: Natürlich weiß ich, dass die Raumschiffe und Technologien totaler Murks sind, aber darum geht es gar nicht, sondern um die Frage, ob wir als Menschheit auch in der Lage wären zu unserem „First Contact“-Moment – das ist der Moment in der Geschichte von Star Trek, in dem die Menschheit den Warp-Antrieb erfindet, die Vulkanier trifft und schließlich beginnt, ihre Utopie aufzubauen: Sind wir in der Lage, etwa durch die Raumfahrt den Kurs unserer Spezies in Richtung Utopie zu verändern? Oder es geht um die Frage, ob diese Utopie eigentlich überleben kann, wenn ihre technologische Grundlage – der Warp-Antrieb – plötzlich wegfällt, was in einer der Star Trek-Serien beschrieben wird. Hier verbindet sich die Science-Fiction mit meiner Arbeit zur Raumfahrt: Was passiert mit unserer am Output orientierten Demokratie, wenn die so wichtige Satellitentechnik ausfällt und mit ihr die Stromversorgung und die Finanzmärkte kollabieren?

Was sind Ihre Zukunftspläne?

Zunächst werde ich meine Dissertation fertigstellen und zeitgleich am Institut für qualifizierende Innovationsforschung und -beratung (IQIB) in Bad Neuenahr-Ahrweiler arbeiten, das u.a. zu Technikfolgenabschätzung forscht. Mein Ziel ist, das Thema Raumfahrt auch in Zukunft in der Forschung und der Öffentlichkeit voranzutreiben.

Ich hätte dies gerne von einer Universität aus getan, doch die derzeitige hochschulpolitische Situation macht es mir unmöglich, eine planbare Karriere zu verfolgen – als Familienvater kann ich mir dies leider nicht erlauben.

Ferner werde ich zusammen mit meiner Co-Koordinatorin Sara Hadley das Forschungsnetzwerk SichTRaum weiterentwickeln, um Early Career Researchern und Young Professionals weiterhin eine Anlaufstelle zum Austausch zu geben und um Fachdiskurse zu erweitern. Langfristig soll das Netzwerk institutionalisiert werden, vielleicht ergibt sich sogar einmal die Option der Gründung eines kleinen Instituts, um die gesellschaftswissenschaftliche Debatte zu befruchten und zu erweitern.

Die Zeit ist reif: Auch die nationale Raumfahrtstrategie hat die gesellschaftliche Debatte und Partizipation im Handlungsfeld identifiziert. Und hier braucht es insbesondere die sozialwissenschaftliche Perspektive. Auch in den Gesellschaftswissenschaften wäre es dringend angebracht, das Thema Weltraumpolitik zu institutionalisieren. Vielleicht ergibt sich damit auch für mich einmal eine Rückkehr an die Universität, um insbesondere die Hochschullehre in diesem Bereich aufzubauen – die gibt es nämlich so derzeit nicht.

Von Cathrin Becker.

Stand: 05/2024

Bildnachweise: privat