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Geschichte der Ruhrgebietsliteratur seit 1960

Auf der Rückseite der Beschäftigung mit Phänomenen der Globalisierung sind in den letzten Jahren auch Regionen und ihre Literaturen wieder verstärkt zum Gegenstand literatur- und kulturwissenschaftlicher Forschung geworden. Dabei stellt sowohl der Blick in Richtung ›Regionalität‹ als auch der in Richtung ›Globalität‹ die Grenzen des für die traditionelle Literaturgeschichtsschreibung so wichtigen Bezugsrahmens nationaler Literaturen und Philologien infrage. Nötig sind solche Über- bzw. Unterschreitungen des nationalen Rahmens, weil Konzepte von Regionalität und damit auch jede regionale Literaturgeschichtsschreibung heute nicht mehr ohne Bezug auf Prozesse der Globalisierung entwickelt werden können. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn man es mit regionalen Ballungsräumen zu tun hat, die konstitutive Merkmale von Globalisierung in der Regionalität aufweisen.

Für das Projekt einer Literaturgeschichte des Ruhrgebiets der Zeit von 1960 bis heute bedeutet dies, ein theoretisches Konzept regionaler Literaturgeschichts­schreibung jenseits der eingefahrenen Binarismen ›Globalität vs. Lokalität‹ und ›Zentrum vs. Peripherie‹ entwickeln zu müssen, das geeignet ist, die Ereignisse, Umbrüche, Weichenstellungen, Entwicklungslinien, Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Geschichte der Ruhrgebietsliteratur seit 1960 zu erforschen und die Ergebnisse in einer die theoretischen Vorüberlegungen berücksichtigenden Form zu präsentieren. Ein solches theoretisch-methodi­sches Konzept soll im Projekt – ausgehen von einer nach ›Knotenpunkten‹ organisierten Form von Literatur- und Kulturgeschichtsschreibung, diese aber zugleich auf den Spezialfall regionaler Literatur und ihrer Geschichte hin spezifizierend – erarbeitet und am Gegenstand der Ruhrgebietsliteratur erprobt werden. Die ›Knotenpunkte‹ stellen dabei insofern flexible Ausgangspunkte der einzelnen Abschnitte der geplanten Literaturgeschichte des Ruhrgebiets dar, als sie für ganz verschiedene Nutzerperspektiven immer wieder neue Fragen und Vernetzungen ermöglichen und über den je konkret dargestellten Anlass hinaus einen übergreifenden Problemzusammenhang erschließen. Auf diese Weise wird es möglich, solche wichtigen global bedingten Transformationen wie die Arbeitsmigration, die zu Neuakzentuierungen der Ruhrgebietsliteratur, aber auch des literarischen Feldes ›Ruhrgebiet‹ insgesamt geführt haben, in ihrer Dynamik zu berücksichtigen.

Ziel des Projekts ist es damit, nicht nur eine nach dem entwickelten Ansatz konzipierte Literaturgeschichte des Ruhrgebiets für die Zeit nach 1960 vorzulegen, sondern zugleich auch ein auf andere Regionen übertragbares theoretisches Modell regionaler Literaturgeschichtsschreibung unter den Bedingungen von Globalisierung.

Hinweis zu unserer Tagung

Workshop im Rahmen des DFG-Projekts
"Geschichte der Ruhrgebietsliteratur seit 1960"

10.-12. Dezember 2015 / Universität Duisburg-Essen

Bauer Opel 
Foto: Christoph J. Bauer

Modelle, Methoden und Probleme regionaler Literaturgeschichtsschreibung
Regionale Literaturgeschichtsschreibung bringt einige Schwierigkeiten mit sich, die noch über diejenigen traditioneller nationalphilologischer Literaturgeschichtsschreibung hinausgehen. Dazu gehört die Konstitution des Gegenstandes, der jeweils in den Blick genommenen Region (Was eigentlich ist das Ruhrgebiet?) ebenso wie beispielsweise die Frage nach dem Verhältnis von Regionalgeschichte und regionaler Literaturgeschichtsschreibung und die nach der Präsenz von Globalität in der Regionalität. ...mehr Informationen zur Tagung

 

Publikationen zum Thema

Hallenberger, Dirk (1997): Ruhrgebietsliteratur. Grundzüge einer regionalen Literaturgeschichte. In: Konrad Ehlich u. a. (Hg.): Sprache und Literatur an der Ruhr. 2. erw. Aufl. Essen: Klartext 1997, 243–263.

Hallenberger, Dirk (2000): Industrie und Heimat. Eine Literaturgeschichte des Ruhrgebiets. Essen: Klartext 2000.

Hallenberger, Dirk (2009): Jürgen Lodemann oder Wie das Ruhrdeutsch in die Literatur kam. In: Jan-Pieter Barbian/Hanneliese Palm (Hg.): Die Entdeckung des Ruhrgebiets in der Literatur. Essen: Klartext 2009 (Schriften des Fritz-Hüser-Instituts, Bd. 18), 215–230.

Hallenberger, Dirk (2010): Jugendromane zwischen Krieg, Kolonie und Kanal. In: Der Deutschunterricht, Jg. 62 (2010), H. 2, 42–54.

Hallenberger, Dirk (2011): »Rhein, Blicke« in der Revier-Literatur. In: Hanneliese Palm/Jan-Pieter Barbian/G. Cepl-Kaufmann (Hg.): Von Flussidyllen und Fördertürmen. Literatur an der Nahtstelle zwischen Ruhr und Rhein. Essen: Klartext 2011, 37–54.

Hallenberger, Dirk (2012): Verortungen in den frühen Industrieromanen von Max von der Grün. In: Ute Gerhard/Hanneliese Palm (Hg.) Schreibarbeiten an den Rändern der Literatur. Die Dortmunder Gruppe 61. Essen: Klartext 2012 (Schriften des Fritz-Hüser-Instituts, Bd. 25), 111–135.

Hallenberger, Dirk (Hg.) (2005): Heimspiele und Stippvisiten. Reportagen über das Ruhrgebiet. Bottrop: Henselowsky Boschmann 2005.

Hallenberger, Dirk (Hg.) (2007): Wandel vor Ort. Das Ruhrgebiet in ausgewählten Erzählungen. Bottrop: Henselowsky Boschmann 2007.

Hallenberger, Dirk/van Laak, Dirk/Schütz, Erhart (1990): Das Ruhrgebiet in der Literatur. Annotierte Bibliographie zur Literatur über das Ruhrgebiet von den Anfängen bis 1961. Essen: Klartext 1990.

Jung, Werner (2006): Sisyfos’ Erbe: Erasmus Schöfer. In: V. Dittrich (Hg.): Unsichtbar lächelnd träumt er Befreiung. Erasmus Schöfer unterwegs mit Sisyfos. Berlin: Dittrich 2006, 205–214.

Jung, Werner (2009): Industrielandschaft mit Menschen. Erasmus Schöfer und das Ruhrgebiet. In: J.-P. Barbian/H. Palm (Hg.): Die Entdeckung des Ruhrgebiets in der Literatur. Essen: Klartext 2009 (Schriften des Fritz-Hüser-Instituts, Bd. 18), 247–259.

Jung, Werner (2011): Vom Frühling irrer Hoffnung zur Abenddämmerung der Desillusionierung. Der Schriftsteller Erasmus Schöfer. In: Gertrude Cepl-Kauf­mann/Jasmin Grande (Hg.) im Auftrag des Fritz-Hüser-Instituts: Schreibwelten – Zum 50. Geburtstag der Dortmunder Gruppe 61. Essen: Klartext 2011 (Schriften des Fritz-Hüser-Instituts, Bd. 22), 273–280.

Jung, Werner/Schmitz, Carolin/Zaib, Volker (Hg.) (2011): Erasmus Schöfer: Diesseits von Gut und Böse. Beiträge fürs Feuilleton. Essen: Klartext 2011 (Schriften des Fritz-Hüser-Insti­tuts, Bd. 21).

Parr, Rolf (2007): Von der völkischen Literaturgeschichtsschreibung zur kulturwissenschaftlichen Diskursanalyse. Forschungsansätze zum Verhältnis von Literatur und Region. In: Cord-Friedrich Berghahn u. a. (Hg.): Literarische Harzreisen. Bilder und Realität einer Region zwischen Romantik und Moderne. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2007, 13–32.

Parr, Rolf (2010a): Ab in die ›Mitten‹. Von alten und neuen ›mental maps‹ des Ruhrgebiets. In: Gerhard Rupp/Hanneliese Palm/Julika Vorberg (Hg.): Literaturwunder Ruhr. Essen: Klartext 2010 (Schriften des Fritz-Hüser-Instituts für Literatur und Kultur der Arbeitswelt, Bd. 20), S. 21–42.

Parr, Rolf (2010b): Zwei Anthologien und ein Autoren-Handbuch zur Ruhrgebietsliteratur. In: kultuRRevolution. zeitschrift für angewandte diskurstheorie, nr. 58 (Mai 2010), S. 87–88.

Parr, Rolf (2011): Warum die Bildung von Schriftstellergruppen eine so schwierige Angelegenheit ist. Das Beispiel der »Dortmunder Gruppe 61«. In: Gertrude Cepl-Kaufmann/Jasmin Grande (Hg.) im Auftrag des Fritz-Hüser-Instituts: Schreibwelten – Zum 50. Geburtstag der Dortmunder Gruppe 61. Essen: Klartext 2011 (Schriften des Fritz-Hüser-Instituts für Literatur und Kultur der Arbeitswelt, Bd. 22), S. 155–162.

Parr, Rolf (2012): Wen (alles) adressiert eigentlich eine ›europäische Kulturhauptstadt‹? Das Beispiel ›Essen für das Ruhrgebiet‹. In: Thomas Ernst/Dieter Heimböckel (Hg.): Verortungen der Interkulturalität. Die ›Europäischen Kulturhauptstädte‹ Luxemburg und die Großregion (2007), das Ruhrgebiet (2010) und Istanbul (2010). Bielefeld: Transcript 2012, S. 149–169.

Parr, Rolf/Amann, Wilhelm/Mein, Georg (Hg.): Periphere Zentren oder zentrale Peripherien? Kulturen und Regionen Europas zwischen Globalisierung und Regionalität. Heidelberg: Synchron 2008.

Parr, Rolf/Link, Jürgen (2012): ›Stichflamme‹ und ›Schwelbrand‹. Über einen Faszinationstyp der Post-Achtundsechzigerliteratur. Oder: Die Kinder des Sisyfos und ihre langen Märsche durch den Normalismus. In: Thomas Wagner (Hg.): Im Rücken die steinerne Last. Unternehmen Sisyfos. Die Romantetralogie von Erasmus Schöfer. Berlin: Dittrich 2012, 227–277.

Zaib, Volker/Jung, Werner (Hg.) (2014): Erasmus Schöfer. Schriftsteller im Kollektiv. Texte und Briefe zum Werkkreis Literatur der Arbeitswelt. Essen: Klartext 2014 (Schriften des Fritz-Hüser-Insti­tuts, Bd. 28).

Leitung
Prof. Dr. Rolf Parr
Prof. Dr. Werner Jung

Wissenschaftliche MitarbeiterInnen
Dr. Britta Caspers
Dr. Dirk Hallenberger
N.N. (wiss. Hilfskraft)

Zeitraum
1. Februar 2015
bis 31. Dezember 2018

Förderinstitution
DFG

Geplanter Output
Publikation einer ›Literaturgeschichte des Ruhrgebiets seit 1960 nach Knotenpunkten‹