Sommersemester 2005
Yoko Tawada Überseezungen - Fremdheit und Verwandlung
Sie beobachten ein chinesisches Schriftzeichen, ohne ein Wort Chinesisch zu kennen. Wahrscheinlich verstehen Sie etwas, selbst wenn Sie nichts verstehen. Der Kopf beginnt, nach einer Erinnerung zu suchen, mit deren Hilfe man die fremde Struktur als Form begreifen kann. Assoziationen werden freigesetzt und gestalten selbstständig neue Bilder. Sie können sich auch Videoaufnahmen von Theaterstücken anschauen, deren Sprache sie nicht verstehen (zum Beispiel vom japanischen No-Theater) und dann versuchen, einen Text zu verfassen. Wir werden in dieser Werkstatt versuchen, eine Sprache, die wir nicht rational verstehen, in die eigenen Sprache zu "übersetzen". Weil dies auf normalem Weg nicht möglich ist, sind wir gezwungen, eine eigene poetische Sprache zu erfinden. Man kann nicht vorher wissen, welche Gattung dafür geeignet ist. Vielleicht muss man sogar neue Gattungen erfinden. Die Grundidee solcher "Übersetzungen" habe ich in meinen Tübinger Poetik-Vorlesungen und in meinem Celan-Aufsatz (in Verwandlungen) formuliert. - Fremdsprachenkenntnisse sind auf keinen Fall Voraussetzung für die Teilnahme.
Die 1960 in Tokyo geborene, mittlerweile in Hamburg lebende Autorin und promovierte Literaturwissenschaftlerin schreibt in japanischer und deutscher Sprache. In ihren Texten verführt sie mit immer wieder verblüffenden Sprachspielen und Denksprüngen zum Verlassen eingefahrener Wahrnehmungsmuster.
Yoko Tawada hatte in Tokyo und Hamburg Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt russische Literatur studiert. 1979 unternahm sie ihre erste Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Deutschland, seit 1982 lebt sie in Hamburg. 1998 promovierte sie mit einer Arbeit über „Spielzeug und Sprachmagie in der europäischen Literatur“. Tawada ist Trägerin des Lessing-Förderpreises der Stadt Hamburg und des Adelbert-von-Chamisso-Preis.
Ergebnisse der Schreibwerkstatt Sprach- und Stilübungen mit Yoko Tawada
Schriftzeichen als Ausgangspunkt
Astrid Herber
Carsten Kurte
Christian Zimek
Ton- und Videoaufnahme als Ausgangspunkt
"Sie können sich auch Videoaufnahmen von Theaterstücken anschauen, deren Sprache sie nicht verstehen (zum Beispiel vom japanischen No-Theater) und dann versuchen, einen Text zu verfassen."