Kompetenznetz Regieren in China
Wie bestehen autoritäre Systeme in Zeiten internationaler Märkte und globaler Kommunikation? Diese Frage beschäftigt auch die sozialwissenschaftliche Chinaforschung. Das Kompetenznetz "Regieren in China", ein Zusammenschluss von politikwissenschaftlichen Chinaforschern an fünf deutschen Universitäten, geht den Fragen von Anpassungs- und Innovationsfähigkeit des chinesischen politischen Systems nach. Dabei konzentrieren sich drei Teilprojekte auf verschiedene Aspekte von Governance in Chinas Transformationsprozess.
Das Duisburger Teilprojekt (in Kooperation mit der Uni Tübingen) beschäftigt sich mit dem Wem und Wie auf lokaler Ebene. Lokale Kader bestimmen den Politikprozess maßgeblich und beeinflussen so die Umsetzung zentraler Politik. Dabei wird u.a. folgenden Fragen nach gegangen: Lässt sich im Verhalten lokaler Kader eine spezifische Rationalität fest- stellen? Bilden Sie eine spezifische (strategische) Gruppe mit eigener identität? Und unter welchen Voraussetzungen wirken Sie als Entwicklungsagenten?
In Fortführung eines DFG-Projekts wird davon ausgegangen, dass lokale Kader in je einem Landkreis eine strategische Gruppe bilden. Modelle und Experimente sind auf allen Ebenen zu finden sind und können top-down oder bottom-up initiiert sein. Sie spielen eine wichtige Rolle für Politikexperimente , -innovation und -variation und bilden somit einen zentralen Mechanismus chinesischer Politik sowohl für die Erprobung neuer Policies (Innovation) wie auch für die Förderung von Standortvorteilen und Stärkung lokaler Besonderheiten (Variation).
Der Ansatz strategischer Gruppen verdeutlicht, dass Akteure im lokalen Raum mittlerweile große Gestaltungsspielräume besitzen, so dass der Begriff vom zentral gelenkten "chinesischen Staat" grundsätzlich hinterfragt werden muss. Wenn, wie in der chinesischen und westlichen Literatur so häufig behauptet, der lokale staat in China weitgehend ein "predatory state" ist - wie erklärt sich dann der erstaunliche Entwicklungserfolg Chinas, der ja maßgeblich von Entwicklungen auf der lokalen Ebene abhängt?
Methodisch untersucht das Duisburg-Tübinger Teilprojekt die o.g. Fragen durch jährliche, längere Feldforschungsaufenthalte in zusammenarbeit mit dem "China Center of Comparative Politics and Economics" in Peking.
Das Kompetenznetz ist eng verknüpft mit dem Arbeitskreis Sozialwissenschaftliche Chinaforschung (ASC) und organisiert in Kooperation jährlich eine internationale Konferenz. Besonderes Augenmerk liegt außerdem auf der Heranbildung wissenschaftlichen Nachwuchses und der Zusammenarbeit mit internationalen Wissenschaftlern. Ein Gastwissenschaftlerprogramm gewährleistet, dass pro Jahr mehrere Wissenschaftler nach Deutschland kommen können, um die Forschung des Kompetenznetzes zu kommentieren und inhaltlich zu ergänzen.