Verbundprojekt: Migrantenorganisationen und die Ko-Produktion sozialer Sicherung – Eine Mehr-Ebenen-Analyse migrantischer Praktiken in wohlfahrtsstaatlichen Arrangements

Forschungsagenda und Arbeitspakete

Die Erhebungen finden an den drei Universitätsstandorten Duisburg, Bochum und Dortmund statt. Das Ruhrgebiet – mit seiner faszinierenden Migrationsgeschichte und seinem breiten Spektrum von Zuwandernden und deren Organisationen – bietet ein optimales Untersuchungsumfeld für unsere Forschungen.

Um unsere Frage nach der Rolle von Migrantenorganisationen im Kontext sich wandelnder Sozialstaatlichkeit und sich gleichermaßen transnationalisierender sozialer Sicherungsstrategien zu beantworten, bearbeiten wir in enger Abstimmung drei miteinander verknüpfte Arbeitspakete. Sie erlauben es, die Ko-Produktion sozialer Sicherung auf der Ebene (lokaler) Governancestrukturen, auf der Ebene der Migrantenorganisationen und auf der Ebene individueller Sicherungspraktiken nachzuzeichnen und die Beziehungen zwischen diesen Ebenen zu untersuchen.

Arbeitspaket I (Lokale) Governancestrukturen

Im Kontext sich transformierender Sozialstaatlichkeit und der Pluralisierung von Wohlfahrtslandschaften adressieren Politik und Verwaltung Migrantenorganisationen zunehmend als Partner wie auch als Auftragsnehmer für soziale Dienstleistungen. Es besteht die Hoffnung, dass migrationsspezifische Erfahrungen, Ressourcen und Wissen den Zugang in die nicht selten verschlungenen sozialen Sicherungssysteme der Bundesrepublik erleichtern.
Vor diesem Hintergrund steht im Fokus des Arbeitspaketes (lokale) Governancestrukturen die Frage nach der Einbettung von Migrantenorganisationen in politische Strukturen wie auch in die lokale bzw. kommunale Wohlfahrtslandschaft.
Dieser Projektteil wird durch das Team an der Universität Duisburg-Essen gestaltet und koordiniert. Auf Basis von Dokumentenanalysen wird zunächst untersucht, wie Migrantenorganisationen in Förderprogramme, in Integrationskonzepte oder kommunale Leitbilder eingebunden sind. Semistrukturierte Expert:inneninterviews in kommunalen Integrationszentren, in Jugendämtern, in Dachverbänden oder mit anderen Professionellen, mit Vertreter:innen von Landesförderprogrammen oder von Landeskoordinationsstellen sind die zentrale Datenquelle, um diese Frage empirisch zu beantworten. Weil sich das Erkenntnisinteresse auf Wissen über Strukturen und Vorgehensweisen im Zusammenhang mit institutionell-organisatorischen Handlungsbedingungen richtet, folgt die Analyse den Schritten: Paraphrase, Kodieren, thematischer Vergleich (angelehnt an Meuser/Nagel 2005).

Arbeitspaket II: Migrantenorganisationen und ihre Netzwerke

Im Arbeitspaket II stehen Migrantenorganisationen und ihre Netzwerke im Fokus des Forschungsvorhabens. Das Team der Ruhr-Universität Bochum untersucht die Organisationen hinsichtlich ihrer Struktur, ihres Selbstverständnisses und ihrer Ziele in Bezug auf für soziale Sicherung relevante Praktiken. Darüber hinaus werden kooperative Netzwerkstrukturen zwischen Migrantenorganisationen, staatlichen Institutionen und anderen Wohlfahrtsträgern erforscht.
Die Erhebung erfolgt durch leitfadengestützte Expert:inneninterviews mit Vertreter:innen der ausgewählten Organisationen. Pro Standort werden komplementär zu den anderen Arbeitspaketen 6 Migrantenorganisationen befragt, die erhobenen Netzwerke und Verbindungen werden schließlich mittels ausgewählter Strukturparameter analysiert und mit Hilfe eines Netzwerktools (Vennmaker) zur Darstellung sozialer ego-zentrierter Beziehungsgeflechte visuell aufbereitet.

Arbeitspaket III: Individuelle und familiäre Sicherungsstrategien

Das dritte Arbeitspaket untersucht, wie Migrant*innen vor dem Hintergrund ihrer biographischen Erfahrungen, ihrer Ressourcen und Deutungsmuster ihre soziale Sicherung individuell und auf Familienebene organisieren und welche Rolle dabei der Kontakt zu Migrantenorganisationen spielt. Dieser Teil des Projekts wird durch das Team an der TU Dortmund durchgeführt, koordiniert und geleitet. Die Daten umfassen leitfadengestützte Interviews mit biographischen Anteilen, ego-zentrierte Netzwerke und teilnehmende Beobachtungen. Im Vordergrund der Analyse steht die Rekonstruktion der Sinnzusammenhänge und Bedeutungszuschreibungen im Kontext individueller Biographien.
Bei der Analyse wird auf hermeneutische Verfahren zurückgegriffen, die auf wissenssoziologischen Annahmen aufbauen, nach denen soziales Wissen die Praktiken der Akteur:innen anleitet. Die Analyse erfolgt in zwei Schritten: Kodieren und Sequenzanalyse.
Komplettiert werden die Interviews durch teilnehmende Beobachtungen in diversen Settings, die neben den sprachlichen Reflektionen der Teilnehmer:innen einen Einblick in die „Logik der Praxis“ bieten werden. Zudem werden die ego-zentrierten Netzwerke ebenfalls mit dem Netzwerktool Vennmaker erhoben und ausgewertet. Die Netzwerkeigenschaften der Teilnehmer:innen werden dabei mit den biographischen Angaben in Zusammenhang gebracht.

Zusammenarbeit

Gleichwohl einer Verteilung der Projektschwerpunkte entsprechend der wissenschaftlichen Profile der beteiligen Forscher:innen und Institutionen, wird jeder Projektstandort (Bochum, Duisburg, Dortmund) die Erhebungen aller Untersuchungskomponenten lokal durchführen. Ziel der Zusammenarbeit ist es, die Erhebungsinstrumente gemeinsam im Projektteam zu gestalten, um das so entstandene Material wiederkehrend auf die jeweiligen Arbeitsschwerpunkte verteilen zu können.