Die Portugiesische Synagoge in Amsterdam

Exkursion auf jüdischen Spuren nach Amsterdam und Utrecht (1.-4. Juni 2018) „Und Israel wohnte sicher.“

„Und Israel wohnte sicher.“ Mit diesem Zitat aus Dtn 33,28 beendet der Amsterdamer Rabbiner Menasse ben Israel (1604-1657) sein erstes hebräisches Buch und beschreibt damit fast prophetisch die Geschichte der Juden in den Niederlanden für die folgenden Jahrhunderte – bis zur Schoah. Für ihn selbst, einen Flüchtling aus Portugal, dessen Familie der Inquisition entkommen war, müssen die Niederlande wie das verheißene Land gewesen sein.

Nach der Vertreibung der Juden 1492 aus Spanien und Portugal wurden die Niederlande Zufluchtsort für eine große Zahl von Marranos, die dorthin auswanderten. Juden hatte es aber schon vorher in den Niederlanden gegeben. Sie müssen schon mit den Römern gekommen sein. Erste Nachweise gibt es ab 1100 n.Chr. Nach den Pest-Pogromen des 14. Jh. leben kaum noch Juden in den Niederlanden, erst ab dem 15. Jh. siedelten v.a. in Nijmegen viele Geldleiher. In Antwerpen und Amsterdam entwickelten sich in der Folge große sephardische Gemeinden. Ab 1620 kamen askenasische Juden nach Amsterdam. Die Zahl der Askenasim war zunächst höher als die der Sephardim. Diese jedoch waren sozial und ökonomisch höhergestellt. Überhaupt waren niederländische Juden weitaus besser integriert als im Rest Europas. Die jüdische Community in sich war und ist plural. Auch wenn die Zahl der Juden nach der Schoah nur 20% der jüdischen Bevölkerung vor der Nazi-Besatzung ausmacht, ist die Kontinuität der liberalen Tradition von vor und nach der Schoah in Europa einmalig.

Die Exkursion bewegt sich auf den Spuren jüdischen Lebens in Amsterdam und Utrecht und will zum einen die Vielfalt des niederländischen Judentums erkunden, zum anderen die liberale niederländische Tradition kennen lernen.

Als Vorbereitung dienen zwei verpflichtende Blocktage (4./5.5.2018).

Bericht nach der Exkursion Amsterdam-Exkursion 01.06.2018 – 04.06.2018

Wenn man an eine Fahrt nach Amsterdam denkt, fällt einem bestimmt nicht als erstes eine Exkursion auf jüdischen Spuren ein. Zehn Studierende der Universität Duisburg-Essen konnten sich am ersten Juniwochenende 2018 selber davon überzeugen, warum man bei Amsterdam definitiv an jüdische Geschichte und jüdisches Leben denken sollte. Vier Tage lang konnten wir uns von jüdischer Vergangenheit, aber auch jüdischer Gegenwart in Amsterdam und Utrecht begeistern und faszinieren lassen.

Unsere Reise begann am 01.06.2018 früh morgens in Essen. Mit dem Zug ist man schnell in Amsterdam, und es kommt einem noch schneller vor, wenn man sich auf eine volle Dosis Geschichte freuen kann. In Amsterdam angekommen kam auch direkt der erste Programmpunkt, das Amsterdam Museum, an die Reihe. Grundlegende Kenntnisse der europäischen Geschichte und damit auch der niederländischen waren mehr oder weniger bei allen Exkursionsteilnehmer*innen vorhanden. Eine Auffrischung hat dennoch nicht geschadet.

Nach diesem ersten Museumsbesuch und einer kleinen Stärkung (sehr zur Freude einiger Israelreisender bei Falafel und Hummus) ging es weiter ins ehemalige jüdische Viertel von Amsterdam. Hier konnten wir uns einige Überbleibsel des Viertels anschauen. Viel ist heute nicht mehr zu erkennen, aber durch unsere Stadtführerin konnten wir einige Einblicke bekommen, wie das Leben dort früher vonstattenging. Besonders bewegt waren wir bei dem Besuch der Shoa-Gedenkstätte in der ehemaligen Hollandschen Schouwburg. Nach diesem kurzen Abstecher in den wohl dunkelsten Teil der jüdischen Geschichte in Amsterdam konnten wir uns in die Zeit zurückversetzen, als das jüdischen Viertel vor Leben sprühte. In der Esnoga, der Synagoge der portugiesischen Gemeinde von Amsterdam, konnten wir sehen, wie groß die Gemeinde gewesen sein muss. Auch heute werden hier noch Gottesdienste von der orthodoxen Gemeinde gefeiert. Auch der Besuch der ehemaligen aschkenasischen Synagogen, welche heute als Joods Historisch Museum dienen, war sehr interessant. In einer der Synagogen steht auch heute noch der originale und imposante Toraschrein.

Nach diesem bis jetzt schon sehr ereignisreichen Tag war das Programm noch lange nicht vorbei. Nach einer kurzen Erholung in der Unterkunft machten wir uns auf den Weg zur liberalen jüdischen Gemeinde Amsterdams. Dort konnten wir an der Kabbalat Schabbat, der Feier zur Begrüßung des Schabbats am Freitagabend, teilnehmen. Für einige unserer Gruppe war es der erste Besuch eines solchen Gebets, aber auch für alle, die schon einmal dabei waren, war es ein besonderes Erlebnis. Die gesungenen Gebete, auch wenn man sie nicht unbedingt versteht, berühren das Herz.

Portugiesische Synagoge in Amsterdam von innen
Portugiesische Synagoge Liberale

Synagoge der jüdischen Gemeinde von Amsterdam von außen
Liberale Jüdische Gemeinde, Amsterdam, Synagoge

Nachdem wir am Freitagabend bereits die Kabbala Schabbat besuchen konnten, waren wir am Samstagmorgen bei Schacharit Schabbat in der liberalen jüdischen Gemeinde in Utrecht. Hier konnten wir einer Toralesung beiwohnen. Nach dem Gottesdienst wurden wir noch zum Kiddusch eingeladen. Es gab für jeden einen Wein und der Rabbiner James Baaden fand einige schöne Worte. Im Anschluss an ein gemeinsames Mittagessen mit dem Rabbiner, bei dem wir einiges über die Geschichte der Gemeinde in Utrecht erfuhren, ging es weiter zu einer kleinen Stadtführung. Utrecht ist eine wirklich schöne kleine Stadt, in der es viel zu entdecken gibt. So zum Beispiel, dass Broodhuis (Brothaus, ehemalige Syanagoe) oder auch die Universität von Utrecht.

Am Nachmittag machten wir uns wieder auf den Weg nach Amsterdam, um das Anne Frank Haus zu besuchen. Der Besuch war für viele emotional und aufwühlend, besonders weil wir vorher einige Abschnitte aus dem Tagebuch der Anne Frank hörten und so einen tiefen Einblick in das Leben dieses jungen Mädchens erhalten hatten.

Gruppenfoto in Amsterdam
Gruppenfoto

Anne Frank Denkmal
Anne Frank Denkmal

Am Sonntagvormittag besuchten wir das Rijksmuseum. Hier finden sich einige Gemälde von Rembrandt. Rembrandt scheint nicht zuletzt aufgrund seiner Wohnsituation im jüdischen Viertel eine gewisse Nähe zum Judentum gehabt zu haben und hat auch einige jüdisches Ehepaar porträtiert. Neben Rembrandt finden sich jedoch auch noch weitere interessante Künstler und Ausstellungstücke. Man könnte wohl einen ganzen Tag hier verbringen und hätte dennoch nicht alles gesehen. Im Anschluss an das Museum begaben wir uns nach Ouderkerk aan der Amstel und besuchten den jüdischen Friedhof Beth Chaim. Die Gruppenführerin, die uns einiges auf dem Friedhof zeigte, sorgte nicht zuletzt durch ihre Begeisterung dafür, dass auch wir besonders begeistert waren. Auf der Suche nach bekannten Namen stießen wir auf den von Spinoza, dessen Eltern auf Beth Chaim begraben liegen. Als vorletzter Programmpunkt für diesen Tag stand der Besuch der „Ons‘ Lieve Heer op Solder“-Dachbodenkirche an, einer kompletten Kirche, die – wie der Name schon sagt – in einem Dachboden eingebaut war. Wirklich sehr beeindruckend. Im Anschluss gab es bei unglaublich schönem Wetter eine kleine Belohnung: Die weltbeste Appeltaart im Herzen von Amsterdam.

Beth Haim

Speicherkirche Draufsicht von innen
Ons‘ Lieve Heer op Solder

Am letzten Tag wurde es noch einmal anstrengend, denn es wartete eine Arbeit auf uns, bei der wir unsere Köpfe und nicht unsere doch etwas müden Füßen einsetzen mussten. Wir trafen uns mit Esther van Eenemann von Stiching PaRDeS, um einen rabbinischen Text zu studieren. Eine wirklich komplexe und komplizierte Angelegenheit, die einen guten Eindruck darüber vermittelt, wie schwer es ist, eine andere Religion zu verstehen. Als letzten Programmpunkt besuchten wir Etz Haim, die Bibliothek der Portugiesischen Synagoge. Nach den ersten Schritten in die Bibliothek sah man nur noch erstaunte Gesichter mit begeistert funkelnden Augen. So viele alte Bücher! Besonders die Handschrift aus dem Jahr 1282, welche einen Teil der Mischne Torah von Maimonides zeigt, hat uns wirklich beeindruckt.

Etz Haim
Etz Haim

Mischne Tora von Maimonides
Mischne Tora von Maimonides

Nach einem erlebnisreichen, aber auch anstrengenden Wochenende machten wir uns mit vielen Eindrücken, Emotionen und neuen Erkenntnissen im Gepäck auf die Heimreise. Denn eines kann man auf jeden Fall sagen: Bei einer Exkursion wird Wissen anfassbar. Wie jeder Lehramtsstudierende mit Sicherheit weiß, bleibt praktisches Wissen, das mit Emotionen und Erinnerungen verknüpft ist, besser im Gedächtnis. Und so werden wir diese Exkursion nach Amsterdam bestimmt nicht vergessen, bei der wir nicht nur die Geschichte des Judentums in der Vergangenheit kennenlernten, sondern auch die Gegenwart des Judentums live miterleben konnten.

(Franziska Reßing)