Charakteristika des Werks

Hallimasch

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Inhaltsangaben und Interpretationsansätze zu Hallimasch [ ↑ ]
Hallimasch ist eine Sammlung unterschiedlichster Erzählungen. Sie werden aus der Sicht verschiedener Figuren erzählt, die zu den unterschiedlichsten Zeiten leben und somit auch mit den unterschiedlichsten Lebensbedingungen fertig werden müssen. So finden sich Figuren wie Lilit, die einer vorchristlichen Zeit zuzuordnen sind, aber auch Figuren, die zur DDR-Zeit leben. Neben einem frustrierten Briefträger, dem Protagonisten in der Erzählung Grus, der durch seine eigene Art des Protests versucht, den Sinn seines Daseins zu erfassen und dadurch sein Leben zu verbessern, wird mit der Erzählung Lilit auch eine alternative Version der biblischen Schöpfungsgeschichte angeboten. Auch hier greift Hensel die großen Ereignisse des letzten Jahrhunderts – die Weltkriege sowie die Teilung Deutschlands – auf und schildert den Umgang der Menschen mit diesen. So steht in der Erzählung mit dem mythologischen Titel Hol über, Charon beispielsweise ein Soldat des Zweiten Weltkrieges im Mittelpunkt, der nach einem Angriff auf Athen der letzte Überlebende seines Regiments ist und versucht, diese Tatsache zu begreifen. Die für Hensel typische Einbettung phantastischer und mythologischer Elemente führt auch hier zu einer Auseinandersetzung mit den sozialkritischen Themen ihrer Geschichten und der Art und Weise, wie diese versprachlicht werden.

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Formale Aspekte zu Hallimasch [ ↑ ]

Sprache
Auffallend sind die teilweise langen, verschachtelten Hypotaxen sowie das stellenweise Auslassen von Satzzeichen. Dieses Mittel verwendet Hensel sogar konsequent innerhalb einzelner Erzählungen, so zum Beispiel in der Erzählung Lilit in Hallimasch, die völlig ohne Satzzeichen auskommt. Neben poetischen Einflüssen lassen sich auch ihre ostdeutschen Wurzeln in ihren Werken wiederfinden. Vor allem in wörtlichen Reden ihrer Figuren, aber auch im Fließtext, tauchen Begriffe auf, die für ostdeutsche Dialekte typisch sind. Hierbei sind die Figurenreden häufig dialektal gefärbt, so zum Beispiel in dem Roman Gipshut und der Sammlung Hallimasch.

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Pressespiegel zu Hallimasch [ ↑ ]
Hallimasch ist Hensels erstes Prosa-Werk und wurde gerade auch deshalb in der Presse diskutiert, wobei sich positive und negative Meinungen die Waage halten. So schreibt Konrad Franke in der Süddeutschen Zeitung (14.11.1989), „die acht Prosa-Texte bleiben durch anschauliche, einleuchtende einzelne Sätze in Erinnerung“, „aber da sind auch Unentschiedenheit und Verschwendung zu erkennen, ein Schwanken zwischen grobem und feinem Empfinden, ein bedenkenloses Anhäufen von Fakten, von Charakterzügen, von Haltungen, die sich oft gegenseitig ihre Wirkung nehmen. In der Literatur hilft viel nicht viel“. Er zieht daraus den Schluss, dass Hensel eine bessere Lyrikerin als Prosa-Autorin ist. Angelika Keune schreibt in Neues Deutschland (7./8.4.1990), dass Hensels Geschichten „nah an den Leser gehen“ und zwischen Realität und Phantastischem schweben. Besonders hervorgehoben wird von Keune das Sprachtalent der Autorin: „Gerade in der Beschreibung kritikwürdiger Zustände mit satirisch-karnevalesken Mitteln, ohne das Erzählen zu diskreditieren, spürt man das Sprachtalent der Lyrikerin. Gekonnt wird Atmosphäre erlebbar gemacht. Jedes Wort trifft. Obwohl die Erzählgegenstände zutiefst beunruhigend sind, ist es ein Genuß, Kerstin Hensels Texte zu lesen“. Die Rezensentin betont abschließend: „dieses Buch sei zur Lektüre empfohlen“.

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Ulriche und Kühleborn

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Inhaltsangabenund Interpretationsansätze zu Ulriche und Kühleborn [ ↑ ]
Hierbei handelt es sich um eine phantastische Liebesgeschichte, die mythologische Figuren wie den Wassergeist Kühleborn aufgreifen und umdichten. Im Gegensatz zu Hensels anderen Werken, wird die Geschichte nicht eindeutig in die Wirklichkeit eingebettet und auch nicht in einen direkten Bezug zu einer Gegend gestellt. Lediglich ein Teich und die Werkstatt eines Steinmetzes, dienen den LeserInnen als Fixpunkt. Die Handlungswelt erscheint abstrakt und bizarr und zwingt die LeserInnen zu einer aktiven Auseinandersetzung, welche durch die für Hensel charakteristische poetisch geprägte Sprache zur Herausforderung wird.

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Thematische Aspekte zu Ulriche und Kühleborn [ ↑ ]

Fantastik
Ulriche und Kühleborn hingegen weist nicht nur einzelne fantastische Elemente auf, sondern führt die Leser*innen in eine komplett fantastische Welt. Es finden sich beispielsweise der Wassergeist Kühleborn und die Verwandlung einer der Hauptfiguren, Ulriche, in eine Muräne.

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Auditorium panopticum 

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Inhaltsangabenund Interpretationsansätze zu Auditorium panopticum [ ↑ ]
Der Roman Auditorium panopticum ist 1991 erschienen, aber bereits zur Zeit der DDR entstanden. Er setzt sich aus 105 kurzen Einzelteilen zusammen, wobei die Inhalte dabei nur teilweise miteinander verbunden sind. Der Titel des Romans verrät, dass es sich unter anderem um kuriose Gegebenheiten oder Inhalte handeln wird. So geschehen zum Beispiel so fantastische Dinge wie eine Fahrt gen Himmel, eine Auferstehung, die Geburten einer Walküre oder durch eine Kreuzung von Habicht und Maulwurf die eines Fabeltieres. Zu den Einzelteilen des Romans gehören auch Elemente dazu, die in Gedichtform geschrieben sind oder die dialektale Formen beinhalten: „Haste beim Kohlnholn nich offgepaßt oder biste de Treppe nunnergefloochen nu saach doch was, wo warste gewesen – hä???!“(S. 231).
Eine Figur des Romans ist der Dichter Egmont Köhler, der versucht einen polyphonen Roman zu verfassen. Der Anhang des Buches, in dem einige ausgewählte Briefe und Verlagsgutachten an eben diesen Dichter zu finden sind, sowie die Heterogenität der einzelnen Teile des gesamten Romans, lassen den Schluss zu, dass Auditorium panopticum von der Figur Egmont Köhler geschrieben wurde.

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Formale Aspekte zu Auditorium panopticum [ ↑ ]

Sprache
Die Tatsache, dass Kerstin Hensel nicht nur als Romanautorin, sondern auch als Lyrikerin tätig ist, spiegelt sich auch in dem Ton ihrer Romane wider. Es finden sich diverse Stilelemente, die typisch für Lyrik sind, so zum Beispiel Alliterationen, Onomatopoesien oder Ellipsen. Auch gedichtartige Einschübe wie z.B. in Auditorium panopticum (S.108 ff.) sowie poetische und detaillierte Beschreibungen der Natur und Umgebung zeichnen den Stil in Hensels Romanen aus.

Erzählperspektiven
Hensel bevorzugt für ihre Texte keine bestimmte Perspektive, daher finden sich verschiedenste Erzählformen. In dem Roman Auditorium panopticum liegt eine auktoriale Perspektive vor, durch die die Gefühlswelt aller beteiligter Figuren parallel dargestellt wird. Nur selten finden sich bei Hensel Ich-Erzähler, wie beispielsweise in den Tagebucheinträgen der Sekretärin Friederike. Die auktoriale Erzählweise lässt sich auch in dem Roman Im Spinnhaus finden, wobei sie hier besonders figurenfern erscheint.

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Pressespiegel zu Auditorium panoptikum [ ↑ ]
Das Romandebüt von Kerstin Hensel fand in der Presse nur wenig, dafür aber überwiegend lobende Beachtung. Gegen das überwiegend positive Meinungsbild stellt unter anderem Johannes Saltzwedel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (22.11.1991) heraus, dass es in dem Roman „am Erzählen hapert“. So wird weiter kritisiert, dass der Roman nicht Hensels erzählerischen Fähigkeiten gerecht wird: „Überrollt von Detail-Lawinen, sieht der Leser fast nur noch auf geisterhaften Szenen einige blasse Karikaturen herumstapfen. […] Bei Kerstin Hensels Talent zu Wortkonzentraten hätte man Besseres erwartet.“ Auch Christel Berger in der Berliner Zeitung (05.02.1992) schränkt ihr Lob ein: „Manches schien [mir] des Guten zu viel. Alles hat sein Maß, und nicht alle Probleme dieser Welt können auf annähernd 300 Seiten zum Maskenball antreten. In der zweiten Hälfte des Romans kam [mir] der rote Faden zeitweise gar sehr abhanden“. Positiv kennzeichnet Berger Auditorium Panoptikum jedoch als „verrücktes Buch“, bei dem sie vor allem Hensels Sprache beeindruckt: „Sie ist sinnlich und prägnant, farbig und diszipliniert“. Auch Horst H. Lehmann in Neues Deutschland (2./3.11.1991) ist von Kerstin Hensels Stilsicherheit überzeugt: „Der konsequent durchgehaltene Stil ist in all seiner Metaphorik und Phantastik dicht und konzentriert“. Lehmann attestiert Hensels Debüt zudem, dass es „ein anspruchsvoller, den Leser fordernder und nicht so schnell auszuschöpfender Text [ist], dessen Sprache […] höchsten Anforderungen genügt“.

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Angestaut

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Inhaltsangabenund Interpretationsansätze zu Angestaut  [ ↑ ]
Wie der Untertitel dieses Textes Aus meinem Sudelbuch. bereits verrät, ist Angestaut, erschienen im Jahr 1993, eine Sammlung literarischer Werke, die ein breites Spektrum verschiedenster Textsorten bilden. Es finden sich neben der für Hensel typischen Lyrik auch Kurzgeschichten, Reflektionen von Erlebnissen ihres eigenen Lebens, aber auch Gedichtrezensionen zu Gedichten anderer Autoren. Sie alle haben keinen expliziten Zusammenhang, bilden zusammen also keine große Handlung, sind aber in drei Sinnabschnitte untergliedert, wobei sich für die drei Abschnitte jeweils die folgenden Hauptmotive finden lassen: Frauenbilder im ersten, Selbstreflektion mit Ost-West-Vergleich im zweiten und Reflektion von Werken anderer Autoren im dritten Teil. Einen Großteil der Textsammlung bilden Gedichte, die in jedem der Abschnitte den Anfang machen. Sie sind oft kurz und Hensel verwendet mehrfach eine besondere Typographie, um das Geschriebene zu verbildlichen, so zum Beispiel in Des Teufels harziger Bruder. Besonderes Augenmerk liegt neben der Lyrik auf solche Erzählungen, die einen autobiographischen Charakter haben. Hier wählt Hensel die Ich-Perspektive und beschreibt eigene Erfahrungen und Eindrücke, um nicht nur ihr Wirken als Autorin, sondern auch Themen wie die DDR zu verarbeiten. Hierbei erwähnt sie explizit „den ernsthaft-komischen Blick der sächsischen Dichter“ (S. 54), den sie sich selbst zuschreibt und der in dem gesamten Werk mitschwingt und ernste Themen wie Armut und DDR-Vergangenheit ironisch bricht.

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Thematische Aspekte zu Angestaut [ ↑ ]

DDR
In Angestaut findet sich in der Erzählung Wanderer, kommst du zum Wa… (als Allusion zu Bölls Erzählung Wanderer, kommst du zum Spa…) ein Ost-West-Vergleich, der gute und schlechte Seiten der DDR aufzeigt. Diese Auseinandersetzung mit der DDR wird erst dadurch möglich, dass die Handlung fast aller Texte in dem Gebiet der DDR stattfindet.

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Formale Aspekte zu Angestaut [ ↑ ]

Erzählperspektiven
Auch der Ich-Erzähler ist in Hensels Werk vertreten und lässt sich abgesehen von diversen, kurzen Erzählungen in Angestaut finden. Hier wechselt die Ich-Erzählerin zwischen zwei Handlungssträngen, wobei der eine die Gegenwart der Handlung abbildet, während der andere Informationen über ihre Kindheit liefert. In Angestaut findet sich der Ich-Erzähler vor allem in den Erzählungen, in denen sich Hensel mit eigenen Erlebnissen oder ihren Gedanken zu Schreibprozessen befasst, sodass sich hier ebenfalls ein Rückschluss auf die für sie typische Sprachreflexion finden lässt.

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Pressespiegel zu Angestaut [ ↑ ]
Zeitgleich mit Im Schlauch erscheint die Erzählung Angestaut, die im Feuilleton deshalb wohl weniger Beachtung erhält. Das Urteil fällt insgesamt eher negativ aus. So übt Franke Meyer-Grosau in Die Zeit (04.06.1993) harsche Kritik an Angestaut. „Die Identifikation mit einem feudalen Zeiten angehörenden ‚Amt des Dichters‘ verführt Kerstin Hensel zu Kapriolen, in denen statt der gewesenen nun einfach eine ‚neue Diktatur‘ herrscht, westliche ‚Mode‘ zu ‚Zensur‘ und die DDR zu einem kunstbegeisterten Leseland wird, in dem ‚geschaffen‘ werden konnte – ‚man mußte nur können und wollen‘. Diesen politisch gemeinten Salti stehen sprach-logische leider nicht nach.“ Auch Ursula Püschel (Neue Deutsche Literatur, 08.1993) äußert sich verhalten. Für sie finden sich zwar auch gute Elemente in Angestaut, vor allem im Rahmen der lyrischen Beiträge, aber „[…]geschrieben ist vieles davon schlampig.“. Kritik übt Püschel vor allem an den enthaltenen Essays. Diese seien sprachlich und inhaltlich oft schwach und auch wenn Hensel das Genre neu für sich entdeckt habe, könne man in den auf die Jahre zwischen 1990 und 1992 datierten Essays keine Steigerung erkennen. Ausschlaggebend für Püschels Urteil ist hier allerdings die Sprache der Essays: „Kerstin Hensel hat für gewöhnlich ihre individuelle Essay-Sprache, keine in die wissenschaftliche Verallgemeinerung hin entindividualisierte, neutralisierte. Daher wirkt es als Schlag auf die Magengrube, wenn sie weit ins allgemeine Blabla abdriftet[…].

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Tanz am Kanal

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Inhaltsangabenund Interpretationsansätze zu Tanz am Kanal  [ ↑ ]
In der Erzählung Tanz am Kanal beschreibt die Obdachlose Ich-Erzählerin Gabriele von Haßlau in einer Art autobiographischem Bericht ihr Leben in der Vergangenheit und Gegenwart. Die Lebensgeschichte zeigt unter anderem den sozialen Abstieg der Familie von Haßlau. Trotz des zunächst gehobenen Lebensstandards gibt es in Gabrieles Familie keinerlei Harmonie: sie entwickelt sich zu einer Außenseiterin, erfährt diverse Verluste in ihrem Leben wie zum Beispiel durch die Scheidung der Eltern oder durch die Trennung von ihrer besten Freundin. Eine weitere gravierende Negativerfahrung ist eine Vergewaltigung, die sich in ihrer Kindheit ereignet. Die Erzählerin berichtet von diesen Lebenserfahrungen, indem sie zwei sich abwechselnde Erzählstränge aufbaut, die zum einen die Kindheit und Jugend Gabrieles in der damaligen DDR und zum anderen ihre Gegenwart (1994) thematisieren. Kerstin Hensel stellt somit die Sozialisation einer Art Außenseiterin ebenso wie das System der DDR dar, wobei dieses System mit den politischen Verhältnissen des Nachwende-Deutschlands gegenüber gestellt wird. Beide Erzählstränge verlaufen jeweils chronologisch, wobei der Handlungsstrang der Vergangenheit mit der damals vierjährigen Ich-Erzählerin beginnt. Der Strang endet in der Gegenwart, als sie als Obdachlose unter einer Brücke am Kanal lebt. Das Aufschreiben ihrer Geschichte gibt Gabriele die Kraft in Würde obdachlos zu sein, nicht zu verkommen und nicht aufzugeben.

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Pressespiegel zu Tanz am Kanal [ ↑ ]
Das Feuilleton ist sich über Kerstin Hensels zweite Prosaarbeit einig. Die Erzählung Tanz am Kanal bekommt durchweg positive Kritiken. So spricht Jürgen Berger in der Badischen Zeitung (28.01.1995) der Autorin zum Beispiel „ein wohldurchdachtes Spiel mit zwei Erzählsträngen und Zeitebenen“ zu. Diese „zwei Erzählstränge wechseln sich ab, durchdringen, überholen einander und sind gleichzeitig mit so genauem literarischem Raffinement komponiert, daß man nichts entflechten muß […]“ (Der Freitag; 25.11.1994, Nr. 48, S. 19). Alexander von Bormann beschreibt in der Frankfurter Rundschau (01.10.1994, Nr. 229, S. 4) die Erzählung als intensiv aber überzeugend. Das Kerstin Hensel weder etwas beschönigt, aber auch nicht schematisiert stellt Alexander von Bormann ebenfalls als positiv heraus. Die „literarischen Stärken“ Kerstin Hensels bleiben auch Walter Hinck in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (02.11.1994, Nr. 255) nicht verborgen. Er spricht sogar davon, dass die Autorin ein Lehrwerk der Sprache mit ihrer Sachlichkeit und Präzision liefert. Thomas Kraft geht sogar im Tagesspiegel (23.10.1994, Nr. 15070) noch einen Schritt weiter, indem er Kerstin Hensels Erzählung bescheinigt, dass sie „die Auflösungserscheinung feudaler Lebensformen […] anhand der Biographie eines Mädchens […] für das sozialistische Deutschland geleistet“ hat.

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Forschungsspiegel zu Tanz am Kanal [ ↑ ]

Individuum und Gesellschaft
In Hensels Werken ist die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft ein wichtiger Gesichtspunkt. Hierbei wird nach Kaufmann vor allem die Diskrepanz zwischen rollenbedingten Erwartungen an ein Individuum und dem tatsächlichen Verhalten beleuchtet. Rollenstrukturen und –verhalten spielen auch bei der Beantwortung der Frage eine Rolle, „wie ‚inhumanes Verhalten zustande kommt‘“ (ebd. S. 158). Hensels Protagonisten sind häufig als Sonderlinge dargestellt, was „sie uns zugleich lächerlich, unheimlich und Mitleid erregend erscheinen“ (ebd. S. 158) lässt. Kaufmann definiert den Begriff des Sonderlings dabei folgendermaßen: „Sonderlinge sind in Hensels Geschichten oft solche Charaktere, deren Liebes- und Anlehnungsbedürfnis in der Pubertät deformiert, denen das Kindsein gewaltsam ausgetrieben wird“ (ebd. S. 158).
Auch Meyer-Gosau betont in ihrer Arbeit: „das Herzstück dieser Erzählungen also ist die unfreiwillige Revolte der Verrückten“ (Meyer-Gosau 1992, S. 33). Die Menschen geraten auf Grund der äußeren Umstände außer Kontrolle. Gleichzeitig ist jedoch auch das System, welches die Ordnung aufrechterhalten soll außer Kontrolle. Ein verdeutlichendes Beispiel hierfür ist der Aufzug in der Erzählung Grus, der ununterbrochen auf und ab fährt und damit seine Funktion verfehlt. Anzunehmen wäre ein Kollaps des Systems, in dem scheinbar keine Ordnung mehr zu herrschen scheint. Jedoch gelingt es Hensel in ihren Erzählungen gerade deshalb, eine gegenseitige Stabilisierung zu erzeugen, die es ihren Figuren durch ihren Irrwitz erlaubt ihren eigenen Weg in einer scheinbar verrückt gewordenen Gesellschaft zu finden (ebd. S. 34). Ihre Protagonisten sind dabei gekennzeichnet durch eine „friedliche Heiterkeit“, die den „>persönlichen Wahn<, der zum Morden führt“ (ebd. S. 34) bestimmt, „während eine gewaltversessene, gleichsam prinzipielle Zerstörungsgier den System-Wahn und dessen Alltags-Repräsentanten charakterisiert“ (ebd. S. 34).
Ein von Inge Stephan besonders hervorgehobenes Beispiel ist die Erzählung Tanz am Kanal, die „eine schonungslose Abrechnung mit den bedrückenden familiären und politischen Verhältnissen [ist], die aus einem jungen priviligierten Mädchen eine Aussteigerin und Obdachlose werden lässt“ (Stephan 2000, S. 104). Ebenso wie der Sozialismus grenzt die Familie alles Abweichende aus, im gegebenen Fall auch die eigene Tochter, die den Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben hat. Dadurch wird eine Situation von Einsamkeit und Isolation erzeugt, die bezeichnend für die Lebensumstände in dem sozialistischen System der DDR sind (vgl. ebd. S. 104).

DDR
Eines der großen Themen in Hensels Werken ist die DDR, insbesondere die Rückschau auf Lebensverhältnisse und Lebenshaltungen in der DDR (Hinck 1997, S. 236).
Die Forschungsliteratur schreibt Kerstin Hensels Erzählungen individuell erfahrene Lebensgeschichten und eine DDR-Wirklichkeit zu, bei denen auch der Wirklichkeitsanspruch kritisch hinterfragt wird (vgl. Nottscheid 1997, S. 92). In Hensels Erzählung Tanz am Kanal, in der die Erinnerungen einer einzelnen Person dargestellt werden, ist man zum Beispiel „versucht danach zu fragen, wo im Text die Grenzen zwischen rekonstruierender und konstruierender Erinnerung verlaufen“ (Ebd. S. 93).
Generell kann Kerstin Hensels Tanz am Kanal einerseits als eine „Lebensgeschichte eines Opfers familiärer und staatlicher Machtinstanzen in der ehemaligen DDR“ gelesen werden (Nottscheid 1997, S. 96). Andererseits aber auch als „Kritik am Einheitsprozess […], dessen Verarbeitung in der Literatur und den anderen öffentlichkeits-wirksamen Medien […] nicht frei von Entstellungen ist“ (Ebd. S. 96).
In einem Interview zu diesem Thema bestätigt die Autorin die Forschungsliteratur, indem sie direkt sagt, dass ihre Texte DDR-spezifisch seien und demnach auch von Lesern mit DDR-Hintergrund besser verstanden werden können. Während der Westen versuchte sich von jeglichen Traditionen zu distanzieren, herrschte in der DDR eine Tradition- und Werteorientierung, die sich an Bertholt Brecht orientierte. Der Grund hierfür lag in der Insel-Situation der DDR (vgl. von Hallberg 1996, S. 208 f). Ähnlich wie der Staat selbst lebten auch die SchriftstellerInnen der DDR auf Grund von Verboten und Zäsur in einer Art Inselsituation, die Hensel folgendermaßen beschreibt: „We made our islands, we were groups, and we had our thoughts. We were at home in the world of thought, and we only observed with astonishment what was taking place among with the leadership“ (ebd. S. 210).
Auch in einem 1988 stattgefundenen Gespräch mit verschiedenen Lyrikern, das 1990 in den Weimarer Beiträgen veröffentlicht wurde, bestätigt sie den allgemeinen Eindruck der Forschungsliteratur. Hensel reflektiert über ihr Schaffen und gibt zu bedenken, dass sich ihre Altersgruppe häufig auf Grund anderer Erfahrungen im Leben nicht von ihrer Literatur angesprochen fühlt, während dies in älteren Generationen nicht der Fall ist. Zudem sagt sie selbst: „Zum Schreiben brauche ich die große Welt nicht unbedingt, zum Leben ja“ (Hartinger et. al. 1990, S. 611) und macht damit deutlich, dass sie die DDR nicht aus ihrem Leben verbannen kann.

Sprache und Erzählweise
Hensels Texte zeichnen sich nach Kaufmann durch Vielschichtigkeit und eine auffällige Erzählweise sowie Sprache aus. Sie betont, dass die Texte weniger von Reflexion, als vielmehr von der Narration geprägt sind und daher eher als „logisch durchkonstruierte Fabeln“ (ebd. S. 156) zu lesen sind, die durch ihre Sprache und Komplexität einen aufmerksamen und geübten Leser erfordern.
Nottscheid (1997, S. 94) stellt außerdem heraus, dass die Form der fiktiven Autobiographie und die Erzählsituation Konzepten des Schelmenromans ähneln. Hierbei ist die Erzählerin zum einen Außenseiterin und Beobachterin wobei sie verschiedene Schichten und Milieus berührt. Dennoch fehlt der Erzählerin die typische ironische Distanz zum Dargestellten.
Auf die „erstaunlich divergenten Lesarten“ der Erzählung weist auch Kaufmann hin und erklärt sie „in der Vielschichtigkeit des Textes, in der irisierenden Erzählweise“ (2000, S. 163). Hensel schafft in Tanz am Kanal zudem wieder einen spielerischen Umgang mit Sprache bei dem auch ihr „ernsthaft-komischer Blick“ mit ihrem „Sinn für das Groteske“ deutlich wird (Eva Kaufmann 2000, S. 164). Typisch für Hensels Erzählweise ist nach Ulrike Wand  auch das Fehlen eines eindeutigen Endes, bzw. der Lösung des Konfliktes. „Die Konflikte werden aufgezeigt, nicht aufgelöst, so daß die Spannung über den Erzählschluss hinaus besteht“ (ebd. S. 49). Diese offenen Enden finden sich in vielen Prosa-Werken der Autorin, beispielsweise in Lilit, Tanz am Kanal und Lärchenau und deklarieren die Erzählungen an sich als Darstellungen von Konflikten, die von den LeserInnen selbst gedeutet werden müssen (vgl. Wand 1996, S. 47 ff).

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Gipshut

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Inhaltsangabenund Interpretationsansätze zu Gipshut [ ↑ ]
Der 1999 erschienene Roman mit dem etwas irreführenden Titel Gipshut besteht im Wesentlichen aus zwei großen Handlungssträngen, die in verschiedenen Zeiten spielen, am Ende allerdings ineinander laufen. Der Roman zeichnet ein eher düsteres Bild der DDR, wobei eine Figur im Mittelpunkt steht, und zwar die, die DDR-Strukturen voll und ganz verinnerlicht hat und unterstützt, sodass sich in dem  Fanatismus der Hauptfigur Hans Kielkropf die Systemkritik liegt. Der erste der beiden Handlungsstränge spielt in der DDR und deckt den gesamten Zeitraum von 1950 bis zu den Neunzigern ab, in denen sich der zweite Handlungsstrang ansiedelt, der im Gegensatz zu dem ersten lediglich einige wenige Tage umfasst. Die anfängliche Hauptfigur des ersten Handlungsstranges ist Veronika Dankschön, ein zu Beginn der Handlung sechzehnjähriges Mädchen, das intellektuell zurückgeblieben, aber ein herzensguter Mensch ist. Nach einer unbemerkten und von ihr nicht verstandenen Schwangerschaft bringt sie einen Sohn zur Welt, der die eigentliche Hauptfigur des Buches ist – Hans Kielkropf. Im Gegensatz zu seiner Mutter ist er intelligent. Er fügt sich voll und ganz in die DDR-Strukturen ein, sodass er schlussendlich ein Journalistikstudium beginnt. Im Laufe seines Lebens begegnet ihm ein Junge mit Wachstumsproblemen namens Paul Norg, der eine der beiden handelnden Figuren des zweiten Handlungsstranges ist. In diesem zu groß gewachsenen Jungen sieht Kielkropf die Chance zur Selbstverwirklichung und zur Verwirklichung seiner eigenen Ideale. Norg hingegen, seinerseits mittlerweile Geologe, befindet sich im zweiten Handlungsstrang mit seiner Kollegin Anna Fricke auf der Suche nach einem Vulkan unterhalb von Deutschland. Tatsächlich finden sie einen Gipshut, ein Zeichen für einen Vulkan, unmittelbar unterhalb von Berlin, womit sich der Romantitel erklärt. Die Zusammenführung der beiden Handlungsstränge findet unter eben jenem Thema statt und zeichnet dabei das Bild eines nach dem Fall der DDR weitaus weniger erfolgreichen Hans Kielkropf sowie eines wegen ihrer Entdeckung suspendierten Forscherteams. Kielkropf lässt sich letztendlich hinreißen durch „[…]die Macht des Hasses auf das ewig Kleine“ (S. 226) und bewirkt damit am Ende des Romans das absolute Chaos für Berlin: „Dinge werden aus unbekannter Tiefe über die Stadt geschleudert, […] alles aus Gips der weißstaubig das Licht bindet für kurze Zeit, um Raum zu schaffen für neue gigantische Energien“ (S. 226).

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Thematische Aspekte zu Gipshut [ ↑ ]

DDR
Die DDR, genauer deren Staatssystem, das sich als Machtapparat auf die Lebenswelt der BürgerInnen massiv ausgewirkt hat, ist das wohl dominierende Thema, das sich in nahezu allen Werken von Hensel wiederfindet. Die Texte gestalten die Lebensbedingungen der DDR-Bevölkerung sowohl aus der Perspektive der Systembefürworter und –träger als auch aus der Perspektive derer, die unter dem totalitären Regime gelitten haben. So gibt es Figuren, die sich blind und fast fanatisch auf die DDR und das damit verbundene System einlassen, beispielsweise Hans Kielkropf aus dem Roman Gipshut und Heini Paffrath aus dem Roman Falscher Hase. Einige Figuren setzten sich schlichtweg überhaupt nicht mit der Politik auseinander wie zum Beispiel Veronika Dankschön aus dem Roman Gipshut.

Sexuelle Motive
In nahezu allen Werken finden sich sexuelle Motive, die vornehmlich die Perspektive der weiblichen Figuren einnehmen. Sexualität wird zwar zentral behandelt,  allerdings nie detailliert beschrieben. Stattdessen bildet sie Leerstellen, wird nur angedeutet oder aber wie in Gipshut metaphorisiert: „Sie küssen sich und es ist Anna, als streife ein Aal ihren Leib. […] Ist es Muschel oder Reuse, was Paul Norg lockt? […] Anna schluckt Wasser, als Paul seinen Fisch steigen lässt, einen aalstarken Halbmeterkerl, der sich gegen das Kaltwasser behaupten muss […]“ (Gipshut, 1999, S 176 ff). Die Metaphern sind allesamt aquatisch und beziehen sich damit auf den See als Quell des Lebens. Es handelt sich hier um eines der wenigen positiv konnotierten sexuellen Motive.
Die Darstellung  anderer sexueller Begegnungen wirkt eher distanziert, selbst wenn es sich nicht um eine Vergewaltigung, sondern um einvernehmlichen Sex handelt.

Fantastik
Mehrere Texte Hensels leben von fantastischen Elementen, die eigentlich nicht in das auf den ersten Blick realistische Konzept passen. In dem Roman Gipshut existiert eine fantastische Figur namens Frau Pschespoldnitza, die unabhängig von Zeit und Raum agieren kann und in beiden zeitlich voneinander getrennten Handlungssträngen auftritt. Sie ist in der Lage, Temperaturen und Zeit zu manipulieren und scheint außerdem dazu in der Lage zu sein, das Leben als solches zu beherrschen. So erlebt Paul Norg innerhalb weniger Stunden den kompletten Anbau- und Verarbeitungsprozess von Flachs, während sich Veronika Dankschön auf Pschespoldnitzas Besuch hin umbringt. Die Figur bricht die Handlung gewissermaßen auf und bildet ein für den Leser nicht erklärbares Element.

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Formale Aspekte zu Gipshut [ ↑ ]

Erzählperspektiven
In dem Roman Gipshut wird zwar eine personale Erzählweise genutzt, allerdings zeichnet sich dieser Roman durch häufige Perspektivwechsel aus. So gibt es zwar vier Hauptfiguren, aus deren Sichtweise in den jeweiligen Handlungssträngen erzählt wird, allerdings springt Hensel mit der Perspektive stellenweise zu Nebenfiguren, um kurze Abschnitte aus deren Sicht wiederzugeben, sodass zwar im ersten Moment der Eindruck eines auktorialen Erzählers entsteht, auf den zweiten Blick allerdings deutlich wird, dass zu jedem Zeitpunkt immer nur die Gefühls- und Gedankenwelt einer einzigen Figur dargestellt wird.

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Pressespiegel zu Gipshut [ ↑ ]
Hensels Roman Gipshut hat ein durchaus beachtenswertes Echo in der Presse erhalten, obwohl dieses nicht unbedingt einstimmig ausgefallen ist. Die Meinungen gehen auseinander, vor allem wenn es um die Struktur des Romans und dessen hohes Maß an Metaphern und Symbolen geht. Michael Schweizer (Berliner Zeitung, 05.02.2000) lobt gerade die Symbolhaftigkeit des Romans und hebt die Leitmotive wie den Vulkan und den See positiv hervor: „Der Roman ist sehr genau konstruiert. […] Es gibt nichts Eindimensionales […]. Trotzdem liest sich alles ganz leicht“. Eben dieser Sachverhalt wird von Kathrin Schmidt (Freitag, 08.10.1999) heftig kritisiert, für sie „wurden die Zutaten für ein bewährtes Rezept zusammengesucht“. Doch diese für Schmidt zu erkennbare, zu durchscheinende Planung ist nicht alles, was sie bemängelt. Es gebe zu viele und zu komplexe Metaphern, die die Qualität des Romans beeinträchtigen, so „[…] dass man sich in acht nehmen muss vor den Bedeutungsklumpen, mit denen geworfen wird“. Die positiven und negativen Urteile zu den sehr präsenten Metaphern halten sich in den Artikeln weitestgehend die Waage, ebenso wie die zu dem von Michael Schweizer als gut befundenen Stil. Schweizer ist nicht der einzige, der den Erzählstil lobt, auch Kristina Maidt-Zinke (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.02.2000) urteilt: „Hensel versteht es, den Leser einstandslos in ihren Erzählfluss hineinzuziehen und ihn bei Laune zu halten“. Die Erzählung sei „rührend, traurig“ und Hensel schaffe es, Stimmungen leicht und überzeugend zu vermitteln, insbesondere die „schläfrige Nachkriegs-Sommerstimmung“. Konrad Franke (Süddeutsche Zeitung, 8/9.01.2000) geht sogar noch einen Schritt weiter: „Kerstin Hensel, die literaturkundige Erfinderin, hat uns ein Gleichnis geben wollen“. Diese positiven Einschätzungen werden allerdings von ebenso vielen skeptischen begleitet. Mehrfach wird erwähnt, Hensels Ton in Gipshut sei von ihrem bisherigen, für sie charakteristischen Stil abgewichen. Diese Einschätzung vertritt auch Birgit Dahlke (Neue Deutsche Literatur, 1.2.2000): „Da, wo sich der immer wieder durchbrechende Henselsche Erzähltrieb aus ihrem symbolisch zugeschnürten Korsett befreit, erinnert ‚Gipshut‘ an die Expressivität und Sinnlichkeit früherer Texte“.

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Forschungsspiegel zu Gipshut [ ↑ ]

Sprache und Erzählweise
Von besonderer Bedeutung in Hensels Schaffen ist laut Stephan die epische Form, da hier die „unbändige Fabulierlust, die makabre Ironie, der komisch-schräge Blick und die Vorliebe für groteske Szenarien und Figuren“ (Stephan 2000, S. 110) am besten zur Geltung kommen. Dabei gelingt es Hensel, die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion immer wieder zu vermischen, sodass eine komplexe Mischung aus Erfindung und Erfahrung entsteht, die den Leser immer wieder herausfordert. Gleichzeitig erzählt Hensel aus einer, immer wieder auch ironischen, Distanz heraus, die es dem Leser erschwert, zwischen den tatsächlich geschehenen Ereignissen und der Phantasie der Protagonisten zu unterscheiden, so zum Beispiel in dem Roman Gipshut (ebd. S. 107 f).  Diese Distanz ermöglicht eine nüchterne Betrachtung der Ereignisse, sodass der Leser eine Art teilnehmender Beobachter ist  und es zu keiner Wertung, Kategorisierung oder Verurteilung der Hauptfiguren kommt (vgl. Meyer-Gosau 1992, S. 35 f). So lässt sich im Gegenteil festhalten, dass Hensel ihren Figuren, die häufig nicht nur Außenseiter sind, sondern häufig auch psychische Störungen aufweisen, nicht nur „Akzeptanz“, sondern „geradezu liebevollen Respekt“ und „ironisch zustimmende Sympathie“ (ebd. S. 35 f) entgegenbringt. Hensel bedient sich trotz ihrer distanzierten Erzählweise  einer „Direktheit und Körperlichkeit, Witz und drastisch- plastische[r] Darstellung“ (ebd. S. 32) und dokumentiert so die von ihr wahrgenommenen Zustände in der Gesellschaft, in der es keine Ordnung mehr gibt, sonder lediglich den Wahn der Menschen, der in den unterschiedlichsten Ausprägungen das tägliche Leben bestimmt.

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Im Spinnhaus

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Inhaltsangabenund Interpretationsansätze zu Im Spinnhaus [ ↑ ]
Der Roman Im Spinnhaus, erschienen im Jahr 2003, setzt sich aus vielen Einzelgeschichten rund um das sogenannte Spinnhaus, welches um das Jahr 1860 in einer kleinen Gemeinde im Erzgebirge erbaut worden ist, zusammen. Im Mittelpunkt dieses Heimatromans stehen die Bewohner des Spinnhauses mit ihren verschiedenen Figurenigenschaften und Geschichten, welche auch durch die jeweiligen historischen Ereignisse geprägt werden. Besonderes Augenmerk legt Hensel auf die zwei Weltkriege und die Zeit der DDR, welche durch die Einzelschicksale verschiedener Figuren aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Neben den verschiedenen menschlichen Bewohnern, findet sich auch ein Bär, wobei dies gleichzeitig die aktuellste Geschichte ist, der in dem nunmehr verlassenen Spinnhaus einen Teil seines Winterschlafs verbringt. Die auch durch ihre Anordnung im Buch unzusammenhängenden Einzelerzählungen umfassen die Geschichte des Spinnhauses von seiner Erbauung bis in die heutige Zeit und zeichnen so ein umfassendes, literarisches Bild einer möglichen Wirklichkeit.

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Pressespiegel zu Im Spinnhaus [ ↑ ]
Hensels Roman Im Spinnhaus erhielt ein relativ großes Presseecho und wurde überwiegend positiv bewertet. Allerdings finden sich auch Stimmen, die den Roman kritisch diskutieren. So bezeichnet Petra Kohse (Frankfurter Rundschau vom 2.6.2003, Nr. 126, S. 12)  Hensels Sprache zwar durchaus positiv als „lakonische Poesie“, jedoch fügen sich für sie die einzelnen Kapitel nicht zu einem Roman zusammen, sondern eher zu einer „Art heimatkundliche[m] Bilderbogen“. Positiv hervorgehoben werden die „Passagen von schlichter Seltsamkeit“, die jedoch von dem Leitmotiv des Bären, der laut Kohse eher dem „Charakter einer Plage“ gleichkommt, beeinträchtigt werden. Hierzu gehört für Kohse auch das Wiederauftauchen einzelner Figuren, wobei diese nicht zu altern scheinen. Dementgegen wird Hensels Roman in anderen Artikeln gerade aufgrund der unorthodoxen Art positiv besprochen. So schreibt Claudia Keller in Der Tagesspiegel (19.3.2003), dass Hensel „ein Heimatroman im besten Sinne“ gelungen sei und Eckhard Fuhr bezeichnet den Roman als „ein Gewebe kleiner Geschichten, eine literarische Klöppelarbeit“ und greift so direkt den Inhalt des Romans auf. Uta Beiküfner schreibt in der Berliner Zeitung (25.8.2003), dass die Bezeichnung als Roman irreführend sei. Es sei vielmehr „ein soziales Schreiben, eines, das der Wirklichkeit der Armen, der Ausgebeuteten und der Benachteiligten gilt und eines, das an die Gleichheit aller glaubt. Allein die Sprache schöpft die Autorin aus der Landschaft und ihren Bewohnern. Die Alten ‚schlurfen, hutschen und kräbeln‘ und kommentieren den Lauf der Weltgeschichte mit ‚Mei lieber Schrulli‘. Die Jungen kauen, schlucken und schnäbeln und sagen nur ‚Was is lus? Schalt mer mol die Nachrichten an‘". Das sei engagiert, originell und witzig. Sobald Kerstin Hensel jedoch den vertrauten Tonfall verlässt, gar ins Politische abschweift, werden ihre Geschichten zu einem "dirrs Geprassel", wie es in einem anderen Zusammenhang heißt. Übrig bleibe ein Skelett von Meinungen, zu dem auch das Gutgemeinte gehört.

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Falscher Hase

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Inhaltsangabenund Interpretationsansätze zu Falscher Hase [ ↑ ]
Der 2005 erschienene Roman erzählt die Geschichte von Heini Paffrath, eines unscheinbar wirkenden Polizisten in der DDR. Dabei blickt der nunmehr pensionierte Kommissar, der nach seinem Vater Heinrich, einem Feuerwehrmann, benannt ist, auf sein Leben zurück, das 1941 während eines Bombenangriffs begann. In den folgenden Jahren entdeckt er seine Liebe für das Gericht falscher Hase, das ihn sein ganzes Leben lang begleiten wird und neben seinem Beruf die einzige Konstante ist.
Der Sonderling und Einzelgänger Heini bricht nach dem Bau der Mauer den Kontakt zu seinen Eltern ab, um seiner großen Liebe, der unwissenden Zahnarzthelferin Maschula, in die DDR zu folgen. Hier beginnt er eine Karriere bei der Polizei, die ihm auch dazu verhilft, aus dem Schatten seines Vaters zu treten, der sich zu Zeiten Hitlers als Brandschutzmeister profilieren konnte, jedoch nach Kriegsende für die Feuerwehr nicht weiter tragbar war.
Auch nachdem er erkennen musste, dass Maschula nichts mit ihm zu tun haben möchte, bleibt er in der DDR und entwickelt immer mehr psychopathische Züge, die schließlich in einem Doppelmord und Brandstiftung gipfeln. Die Herausforderung für die LeserInnen besteht auch hier in Hensels Erzählstil, der immer wieder werden Realität und Imagination vermischt, wodurch es möglich wird, die psychische Entwicklung des Protagonisten hautnah mitzuerleben.

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Pressespiegel zu Falscher Hase [ ↑ ]
Im Gegensatz zu früheren Prosawerken von Kerstin Hensel wird der Roman Falscher Hase im Feuilleton fast ausschließlich positiv wahrgenommen und kommentiert. Besonders hervorgehoben, aber nicht immer ausschließlich als positiv bewertet, wird die Erzählweise des Romans. So schreibt Petra Kohse (Frankfurter Rundschau, 18.05.2005), „dieses Buch liest sich, als ob es einem Jemand ins Ohr raunte. Schnell, drängend, irgendwie geduckt“. Diese schnelle Sprache und das ebenso schnelle Erzähltempo werden vielfach hervorgehoben und obwohl sie meist lobend angemerkt werden, gibt es auch kritische Stimmen. Cornelia Staudacher (Süddeutsche Zeitung, Nr. 78, 3. April 2006) ist der Meinung, „Hensels realistische Erzählweise taugt nicht zum Gestalten avantgardistisch absurder Welten, in denen das Sinnlose und Sinnwidrige […] zu einer Welt an sich erhoben wird“, obwohl insbesondere der Roman Falscher Hase ein großes Augenmerkt auf surreale Darstellung von persönlichen Wahnvorstellungen und Wirklichkeiten legt.
Neben der Erzählweise wird bezüglich dieses Romans vor allem die Darstellung der menschlichen Psyche hervorgehoben. Für Thomas Rothschild (Die Presse, 23.04.2005) ist der Roman „ein Meisterstück psychologischer Schreibkunst“. Gleichzeitig merkt Rothschild allerdings kritisch an, dass das Ende des Romans, welches keine eindeutige Aufklärung bietet, irritierend ist und zu sehr in den „gestörten Sinneseindrücke(n) ihres Helden“ versinkt.

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Lärchenau

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Inhaltsangabenund Interpretationsansätze zu Lärchenau [ ↑ ]
Der 2008 erschienene Roman Lärchenau erzählt über 60 Jahre hinweg die Geschichte des gleichnamigen, fiktiven Dorfes in der DDR. Die Handlung setzt zum Ende des Zweiten Weltkrieges ein und konzentriert sich auf den hochintelligenten, mit psychopathischen Zügen versehenen Gunter Konarske und die hübsche, wenn auch nicht unbedingt intelligente Adele Möbius.
Beide werden am selben Tag in Lärchenau geboren, treffen sich an ihrem achtzehnten Geburtstag und heiraten einige Jahre später. Während Gunter nach seinem Medizinstudium eine Karriere als Arzt und Forscher einschlägt, zieht die nicht berufstätige Adele mit ihren Privilegien als Arztfrau die Missgunst der anderen Dorfbewohner auf sich, während sie sich selbst zu Tode langweilt. Auch die Geburt von Sohn Timm ändert wenig an der unglücklichen Ehe.
Gunter ignoriert Sohn und Frau und setzt sich stattdessen den Nobelpreis als Ziel, für den er Verjüngungsexperimente betreibt und zunächst Tierversuche startet, diese aber letztendlich auch auf seine eigene Frau ausweitet. Adele beginnt indes, mit der Kreditkarte ihres Mannes Vergnügungen für sich zu erkaufen, um ihrer Langeweile zu entfliehen. Nach dem unglücklichen Tod Timms ist die Familie gänzlich zum Scheitern verurteilt.
Gunters Verjüngungsforschung zeigt Wirkung und verjüngt seine Frau, den Nobelpreis erhält er trotzdem nicht. Am Ende der Handlung ist Adele nicht nur verjüngt, sondern auf den körperlichen Stand eines Mädchens zurückversetzt, das letztendlich der gemeinsamen Villa entflieht.
Parallel zu der Geschichte um den Arzt Konarkse herum, wird die Situation des Dorfs Lärchenau dargestellt, das durch die Nachkriegszeit, die DDR-Geschichte und die Zeit nach der Wiedervereinigung ebenso wie die Konarskes konstantem Wandel ausgesetzt ist. Zwischen einigen Hoch- und Tiefpunkten bleibt die Dorfschänke und die dortige Zusammenkunft der ursprünglichen Dorfbewohner die einzige Konstante.

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Formale Aspekte zu Lärchenau [ ↑ ]

Sprache
Einen Kontrast zu den lyrischen Elementen bilden die zum Teil recht groben Bilder, sowie detaillierte Beschreibungen z.B. von Sexualität. So werden zum Beispiel in dem Roman Lärchenau zwei Zwillingsmädchen folgendermaßen beschrieben: „Man nannte sie Nilpferdhexen, weil sie mächtig aufblühten und schon mit elf Jahren Brüste besaßen, die kein Kerl mit seinen Armen zu umspannen vermochte“ (vgl. Lärchenau, S. 21). Es finden sich außerdem Beschreibungen, die stellenweise bis in das Groteske hineingehen und selbst makabre oder widerwärtige Situationen detailliert darstellen: "Tief faßte sie in die Wärme und Nässe, bis sie die Wunde des Dammrisses spürte, als fransiges Gewebe nur, völlig schmerzlos, und sie bohrte mit den Fingern nach, bis sie den Schmerz endlich spürte" (vgl. Lärchenau, S. 20).
Selbst Szenen, in denen es zu sexuellen Übergriffen kommt, sind allesamt gewissermaßen emotionslos und neutral dargestellt, wirken eher beschreibend und nicht etwa wertend oder Empathie fördernd.
Der lyrische Einfluss verleiht ihren Texten eine besonders bildhafte Atmosphäre, die vor allem auch dazu beiträgt die vielen DDR-Motive und die damit verbundene Problematik darzustellen. Vor allem aber zeichnen sich Hensels Texte durch das Spiel mit und die Reflexion von Sprache aus, ihre Literatur lässt sich gleichsam als ein Spiel mit Literatur bezeichnen.

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Pressespiegel zu Lärchenau [ ↑ ]
Im Feuilleton herrscht Einigkeit über Hensels Roman Lärchenau. Monika Melcher (Sächsische Zeitung, 07.06.2008) geht soweit, Lärchenau „Hensels größter Wurf bisher“ zu bezeichnen. Positiv hervorgehoben wird von Melcher vor allem die Tatsache, dass der Roman ein gelungenes Beispiel für Hensels schriftstellerische Vorliebe für das „bös-witzige Groteske“ sei. Vor allem aber zeige der Roman anhand des fiktiven Ortes Lärchenau die Probleme der ostdeutschen Nachkriegsgeschichte. Melcher betitelt Lärchenau als „ein Buch, das mehr über unsere unmittelbare Vergangenheit weiß als jede Geschichtsdarstellung […]“. Diese Meinung teilt auch Nicole Henneberg (Der Tagesspiegel, 28.05.2008), die ebenfalls die Geschichte des Dorfes über die Lebenswege der einzelnen Figuren stellt und behauptet, „die wahre Hauptfigur des Romans […] ist das Dorf selbst“. Einig ist sich der Feuilleton auch darüber, dass es Hensel in ihrem Roman Lärchenau gelingt, eine durchweg skurrile, groteske und surreale Stimmung aufzubauen, die als Fortsetzung und Verbesserung des Stils ihrer bisherigen Werke verstanden werden kann.
Lärchenau setzt eindrucksvoll die Geschichtsschreibung mit mythologischem Unterton fort, die schon Hensels letzte Bücher prägte“ (Henneberg, Der Tagesspiegel, 28.05.2008).

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