Forschung - Astrophysik - Prof. Dr. Gerhard Wurm
Planetenentstehung Terrestrische Planeten wie Erde, Mars oder Venus beginnen als Staubpartikel in protoplanetaren Scheiben, flachen Gebilden aus Gas und Staub, die junge, sich bildende Sterne umgeben (s. Bild rechts, HL Tau, ALMA Partnership et al. 2015, ApJ, 808, 10). Diese Partikel kollidieren miteinander, bleiben zunächst dabei aneinander haften und wachsen zu größeren Aggregaten. Auf diesem Weg zu immer größeren Körpern warten zahlreiche Hindernisse. Diese Hindernisse und Prozesse, um sie zu überwinden sind Teil unserer experimentellen Forschung (s. Bild unten, Wurm and Teiser 2021, Nature Reviews Physics, 3, 405).
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Grenzen einfachen Wachstums Die einfachen Haftkräfte (van der Waals Kräfte) zwischen Staubpartikeln sind relativ gering. Daher reicht sie irgendwann nicht mehr, immer größer werdende Aggregate nach Kollisionen zusammenzuhalten. Das Limit liegt hier bei etwa 1 Millimeter. Es ist möglich, Partikel auch ohne Stöße zu konzentrieren und gravitativ zu größeren Körpern (Planetesimalen) kollabieren zu lassen. Allerdings sind dafür in der Regel größere Partikel notwendig. Da die Umgebungsparameter in protoplanetaren Scheiben sehr vielfältig sind, kann man sich fragen, welchen Einfluss auf die Größe haben hohe oder tiefe Temperaturen, elektrische Felder oder Magnetfelder. Die Beispielanimation rechts aus einer Arbeit von Kruss und Wurm (2018, ApJ, 869, 45) zeigt in Kombination mit metallischen Eisenpartikeln die Entstehung größerer Cluster aus Staubaggregaten beim Einschalten eines Magnetfeldes. Dies könnte der Entstehung von Merkurähnlichen Planeten einen Vorsprung geben, insbesondere an der „Curie-line“ (Bogdan et al. 2023, A&A, 670, A6). Partikel verlieren aufgrund der hohen Temperaturen hier auch alles Wasser von ihren Oberflächen, was dazu führt, dass sie besser haften. Weiter draußen dominieren verschiedene Eise das Wachstum.
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Wachstumsboost durch triboelektrische Aufladung Herausragend aus den Prozessen, die die Grenze des Wachstums in Kollisionen verschieben können, ist triboelektrische Aufladung. Stoßen zwei Partikel zusammen, so wird regelmäßig Ladung von einem Partikel auf das andere übertragen. Auf diese Weise bildet sich aus einem neutralen Ensemble von Partikeln, die miteinander stoßen nach vielen Stößen ein Ensemble von Partikeln mit zahlreichen elektrischen Ladungsspots auf ihren Oberflächen. Wie in einem Salzkristall, kann die elektrostatische Coulombansziehung die Stabilität von Clustern aus solchen Staubaggregaten in protoplanetaren Scheiben erhöhen, so dass das Limit der maximalen Partikelgröße verschoben wird. Das Bild rechts zeigt exemplarisch Partikel, die durch Kollisionen aufgeladen wurden und dann zu einem einzigen Cluster zusammengewachsen sind (Teiser et al. 2021, ApJL, 908, L22). Diese Untersuchungen finden zum Großteil unter Schwerlosigkeit statt (z.B. Fallturm Bremen) und werden aktuell vom DLR Raumfahrtmanagement mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. In diesem Zusammenhang wurde auch in jüngster Vergangenheit ein Suborbitalflug mit längerer Mikrogravitationsdauer, unterstützt durch die ESA, durchgeführt. Diese Wachstumsphase kann die Grenze des Partikelwachstums bis in den Zentimeter oder Dezimeter Bereich verschieben.
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Ionisation protoplanetarer Scheiben Zahlreichen Prozesse in protoplanetaren Scheiben von der Chemie bis zur Bewegung der Gasmoleküle im Zusammenspiel mit den vorhandenen Magnetfeldern hängen davon ab, wie stark das Gas dieser Scheiben ionisiert ist. Dies hängt wiederum von der Temperatur und hochenergetischer Strahlung ab. Aber – und das ist eine recht neue Erkenntnis – auch Kollisionen der kleinen Körper in der Scheibe können die Scheibe aufladen. Wie oben skizziert, laden sich Partikel in Stößen auf, aber bei diesem Vorgang können auch Ladungen ins Gas gelangen. Diese Vorgänge werden derzeit von uns im Labor untersucht.
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Erosion kleiner Körper in protoplanetaren Scheiben
Ein Planetesimal von km-Größe oder mehr, der aus obigen sandgroßen Partikeln entsteht, ist noch immer sehr fragil, die Eigengravitation noch sehr schwach ist. Alle Prozesse, die Partikel auslösen, können ihn daher auch wieder zerstören. Klassiker unter solchen Mechanismen ist Wind. Auch in protoplanetaren Scheiben erfahren Planetesimale einen Gegenwind, wenn auch unter extremeren Bedingungen (kleiner Umgebungsdruck, hohe Geschwindigkeiten). In Mikrogravitationsexperimenten, gefördert vom DLR Raumfahrtmanagement mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, und in speziellen Niederdruckwindkanälen untersuchen wir diese Erosion. Auch elektrostatische Felder, wie sie im obigen Zusammenhang natürlich auftreten, können einen solchen Körper wieder erodieren (Onyeagusi et al. 2024).
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Erosionsprozesse sind nicht nur auf protoplanetaren sondern auch auf planetaren Oberflächen wichtig. Aber auch auf Planeten sind die Bedingungen nicht immer gleich. So hat Mars eine sehr dünne Atmosphäre, bei der Wind vergleichsweise geringe Kräfte ausüben kann. Dennoch kann sich der Planet in globale Staubwolken hüllen. Wir untersuchen in diesem Zusammenhang, wie „thermisches Kriechen“ ein Effekt, der in den Poren des Marsbodens auftritt, hier für die Ablösung von Partikeln sorgt. Auch hierfür führen wir Experimente im irdischen Labor und unter Mikrogravitation bzw. Marsgravition durch, gefördert durch die DLR Raumfahrtagentur mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.
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Freie kohäsive granulare Medien in 2d Wir haben entdeckt, dass man Staubaggregate im Temperaturgradienten über einer Oberfläche bei geringem Druck zum Schweben bringt. Hierfür verantwortlich ist ein Knudsen Kompressor, der darauf beruht, dass kaltes Gas durch die Poren nach unten gelangt und zu einem Überdruck führt. Bereits 1909 konstruierte Knudsen einen solchen Kompressor. Auf diese Weise können Partikelensemble aus sehr vielen Aggregaten untersucht werden z.B. im Hinblick auf Kollisionen oder Photophorese. |
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