Forschungsthemen AG Wende
Die AG Wende befasst sich in ihrer Forschung mit magnetischen Nanostrukturen. Wir untersuchen neben dem Magnetismus auch die elektronische und geometrische Struktur vornehmlich mit Röntgenabsorptions- und Mössbauerspektroskopie. Unsere Methoden wenden wir auf eine Vielzahl verschiedener Themengebieten an, von denen einige im Folgenden kurz erläutert werden.
Magnetische Moleküle
Organometallische Nanodrähte
Verbindungen, in denen der Spin eines 3d- oder 4f-Metalls mit einem organischen Molekül gekoppelt ist, sind hochinteressante Materialien für eine zukünftige Anwendung als Spinfilter im Bereich der Spintronik. Seltene-Erd-Cyclooctatetraen Nanodrähte sind hierbei vielversprechende Kandidaten. Mit Hilfen von Röntgenabsorptionsspektroskopie (XAS) und magnetischen Röntgenzirkulardichroismus (XMCD) sind wir in der Lage, die elektronische Struktur sowie die magnetischen Momente und deren Kopplung elementspezifisch auch für sehr geringe Bedeckungen (<10% einer atomaren Monolage) zu bestimmen. Ziel ist es durch die Variation der Liganden sowie der Metalle neue Verbindungen zu synthetisieren, welche uns durch verbesserte magnetische sowie elektronische Eigenschaften näher an eine mögliche Anwendung bringen.
Porphyrine
Organische Moleküle mit einem magnetischen Zentralion werden auf metallischen Substraten aufgebracht. Mit Röntgenabsorptionsspektroskopie werden ihre elektronische Struktur und ihre Absorptionsgeometrie bestimmt. Durch magnetischen Röntgenzirkulardichroismus kann ein Schalten des magnetischen Moments des Zentralions beobachtet werden. Die Abbildung zeigt als Beispiel für ein magnetisches Molekül ein Fe-Porphyrin-Molekül. Diese Fe-Porphyrine stellen einen metallorganischen Komplex dar, der in vielen biologischen Molekülen, wie dem Chlorophyll (Grün der Blätter von Pflanzen) oder dem Hämoglobin (rote Blutkörperchen) eine zentrale Rolle übernimmt.
Nanopartikel
Mischoxid-Katalysatoren
Im Rahmen des TRR/CRC 247 werden nanoskalige Katalysatoren aus Mischoxiden wie z.B. Cobaltferrit (CoFe2O4) untersucht, um sie für die Anwendung zur Elektrolyse optimieren zu können (oxygen evolution reaction). Hierbei wird beispielsweise die katalytische Aktivität von Nanokristallen charakterisiert (AK Prof. Behrens), welche stark von der Partikelgröße sowie der Komposition des Materials abhängt. In unserer Gruppe werden dann elementspezifische Methoden wie Mössbauerspektroskopie sowie Röntgenabsorption (XAS, XMCD) angewandt, um die lokalen magnetischen Eigenschaften zu bestimmen. Zusätzlich werden ebenso die makroskopischen magnetischen Eigenschaften mittels VSM bzw. SQUID Magnetometrie im Detail untersucht. Neben der dazugehörigen Vorcharakterisierung der Precursor-Materialien für eine Verbesserung der Partikelsynthese werden auch die Einflüsse von Optimierungsverfahren mit unseren Methoden untersucht, so wie der Einfluss von gepulster Laserfragmentierung (AK Prof. Barcikowski) auf die Partikelgröße, Morphologie und katalytische Aktitivät. Des Weiteren stellen wir epitaktische, oxidische Filme mittels gepulster Laserablation (PLD) her, welche im Rahmen des TRR/CRC 247 als wohldefinierte Modellsysteme für die Katalyse zum Einsatz kommen.
Eisenoxid Nanopartikel
Eisenoxide sind für die Forschung von großem Interesse, insbesondere in der Medizin sind sie wegen ihrer Biokompatibilität für Anwendungen für bildgebende Diagnoseverfahren, sowie auch für die Krebstherapie von hoher Wichtigkeit.
Aufgrund der verschiedenen Erscheinungsformen (Magnetit, Maghemit, Hämatit etc.) und der stark von der Partikelgröße abhängigen magnetischen Eigenschaften sind Eisenoxid Nanopartikel auch für die Grundlagenforschung hochinteressant, und bieten Einblicke in die Grundlagen des Magnetismus. In unserer Gruppe werden sie mittels Magnetometrie hinsichtlich ihrer makroskopischen magnetischen Eigenschaften untersucht, während elementspezifische Methoden wie Röntgenabsorptions- und Mössbauerspektroskopie die lokalen magnetischen Eigenschaften sondieren können. Zudem werden solche Partikel zusammen mit Gelen oder Fluiden auch für magnetische Hybridmaterialen eingesetzt (siehe unten).
Fe-Pt-Legierungen
Partikel mit Durchmessern von einigen wenigen Nanometern bieten aufgrund ihres hohen Oberflächenanteils die Gelegenheit, Eigenschaften der Materialien im Bereich zwischen Festkörper und atomaren oder molekularen Strukturen zu untersuchen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den magnetischen Eigenschaften von Nanopartikeln aus reinen Metallen, Metall-Oxiden und ferromagnetischen Legierungen. Mit Hilfe des magnetischen Dichroismus in der Röntgenabsorption (XMCD) können die magnetischen Momente element-spezifisch bestimmt werden sowie Bahn- und Spinmoment separiert werden. Zusätzlich bietet die Röntgenabsorptionsspektroskopie die Möglichkeit, auf Struktur und chemische Nahordnung Rückschlüsse zu ziehen. So konnte z.B. in der Vergangenheit gezeigt werden, dass in Nanopartikeln aus einer Fe-Pt-Legierung die Verteilung der Fe- und Pt-Atome im Partikel nicht homogen ist, was mit einer Reduktion der magnetischen Momente im Vergleich zum volumenartigen Festkörper verbunden ist. Der Extremfall solcher Inhomogenitäten in binären Systemen, Kern/Hülle-Partikel, stellt ein zukünftiges interessantes Themengebiet dar: Diese Partikel bestehen aus einem Kern, der nur ein chemisches Element enthält und einer Hülle aus einem andern Element. Das schützt nicht nur den Kern vor Oxidation an Luft und anderen Alterungsprozessen, sondern kann auch z.B. eine spätere Bio-Funktionalisierung für medizische Anwendungen erleichtern.
Magnetische dünne Filme und Heterostrukturen
Femtosekunden-zeitaufgelöste Röntgenabsorptionsspektroskopie
Nach lokaler optischer Laseranregung einer Metall-Isolator-Heterostruktur befindet sich diese in einem starken Nichtgleichgewichtszustand. Doch welche mikroskopischen Prozesse sind in den ersten hunderten von Femtosekunden (fs) dafür verantwortlich, dass diese Heterostruktur wieder in ein thermisches Gleichgewicht übergehen kann? Durch das Verknüpfen des elementspezifischen Charakters der Röntgenabsorptionsspektroskopie mit Femtosekunden Zeitauflösung, schaffen wir eine lokale Untersuchungsmethode, welche sensitiv auf die Dynamiken in den einzelnen Bestandteilen der Heterostruktur ist.
Innerhalb des CRC 1242, kombinieren wir in gemeinsamen Projekten der Arbeitsgruppen Bovensiepen, Pentcheva und Wende, die Femtosekunden-zeitaufgelösten Röntgenabsorptionsexperiments mit ultraschneller Elektronenbeugung und ab-initio-Theorie. Dadurch gelingt es, die Dynamiken der verschiedenen Elektronen- und Phononensysteme einer solchen Heterostruktur zu entflechten und die Umverteilung der anfänglich deponierten Energie zu verfolgen.
Ferromagnet/Halbleiter-Grenzschichten für Spininjektion
Ferromagnet/Halbleiter-Grenzflächen spielen eine wesentlich Rolle, will man den magnetischen Spin des Elektrons zusätzlich zu dessen Ladung als Informationsträger in elektronischen Bauteilen ausnutzen (Spintronik). Dazu müssen spin-polarisierte Ströme erzeugt und in halbleitende Materialien injiziert werden, die die grundlegenden Funktionen moderner Bauelemente liefern.
FM/NM/FM-Kopplungsphänomene
Zwei ferromagnetische Schichten (FM), die durch eine nichtmagnetische Zwischenschicht (NM) getrennt sind, bilden den Prototyp der Strukturen, die schlussendlich 2007 zum Nobelpreis in Physik für die Entdeckung des Riesenmagnetowiderstands (GMR) geführt haben. Diese Multilagen-Strukturen weisen eine ganze Reihe interessanter Kopplungsphänomene über die NM Zwischenschicht hinweg auf. Neben Strukturen, in denen ein Metall die nichtmagnetische Zwischenschicht bildet, werden in neueren Experimenten auch Proben mit einem Halbleiter wie beispielsweise Silizium als Zwischenschicht untersucht.
Magnetokalorik
Elementspezifische Untersuchung Magnetokalorischer Materialien
Wegen des zunehmenden globalen Energiebedarfs an Kühlung ist es von Interesse, neue Konzepte zu entwickeln und zu erforschen. Materialien mit einem magnetokalorischen Effekt stellen eine Klasse von Materialien dar, welche zur Festkörperkühlung verwendet werden können, und eine potentielle Alternative zu konventioneller Gaskompressorkühlung darstellen.
Typisch für solche Materialien ist eine signifikante adiabatische Temperaturänderung, hervorgerufen durch Magnetfelder, sowie eine hohe isotherme Entropieänderung. Beim Überschreiten einer kritischen Temperatur, der Phasenübergangstemperatur, vollführt das Material einen strukturellen Phasenübergang erster Ordnung, welcher von einer drastischen Volumenänderung begleitet wird, hervorgerufen durch die Änderung des magnetischen Zustandes. In unserer Gruppe werden diese Prozesse z.B. durch Methoden der Röntgenabsorption (XAS, XMCD, EXAFS) und -streuung (NRIXS) untersucht, wodurch die elementspezifischen Beiträge zu den magnetischen, Strukturellen und Vibrationseigenschaften untersucht werden. Somit können Materialien hinsichtlich ihrer magnetokalorischen Eigenschaften und der Eignung zur Festkörperkühlung optimiert werden.
Permanentmagnete
Permanentmagnete sind ein Grundbaustein der grünen Energieerzeugung und ein wesentlicher Bestandteil zahlreicher moderner Technologien. Die Forschung zielt darauf ab, ihre Leistung zu verbessern und ihre Kosten zu senken. Eine aktuelle Forschungsfrage ist die Entwicklung von Magneten mit höheren magnetischen Energiedichten. Dies kann durch die Verwendung neuer Materialien, die Optimierung der Mikrostruktur des Magneten und die Verbesserung der Herstellungsverfahren erreicht werden. Eine weitere Forschungsfrage ist die Entwicklung von Magneten, die frei von Seltenen Erden sind, da der Abbau und die Verarbeitung von Seltenen Erden teuer und ökologisch problematisch sind. In unserer Gruppe setzen wir auf fortschrittliche Techniken wie Röntgenabsorption (XAS, XMCD, EXAFS) und tomografische Verfahren, um die elementspezifischen Beiträge zu den magnetischen, strukturellen und mikrostrukturellen Eigenschaften dieser Materialien zu analysieren und die DNA der magnetischen Hysterese zu entschlüsseln.
Multiferroika
Magnetoelektrische Komposite
Materialien welche elektrische und magnetische Eigenschaften miteinander koppeln sind höchst attraktiv für diverse Anwendungen, wie z.B. Sensoren, Aktuatoren, Speichermedien etc. Dabei wird zwischen einphasigen Materialien und mehrphasigen Kompositsystemen unterschieden, wobei zweitere den Vorteil von Optimierungsmöglichkeiten bieten.
Verbreitet sind unter anderem Systeme welche Kobaltferrit und Bariumtitanat (CFO-BTO), also ein magnetostriktives und ein piezoelektrisches Material kombinieren. Über die Verzerrung eines der beiden Bestandteile durch magnetische bzw. elektrische Felder kann eine Kraft auf den jeweils anderen Bestandteil ausgeübt werden. Auf diese Weise lässt sich solch ein Material über das Anlegen von elektrischen Feldern magnetisieren, bzw. über das Anlegen von magnetischen Feldern polarisieren. Die Untersuchung und Optimierung solcher Systeme erfolgt in unserer Gruppe durch einen speziellen Aufbau zur Messung des konversen magnetoelektrische Effektes, und wird zur Erforschung neuer Funktionsmaterialien verwendet.
Magnetische Hybridsysteme
Partikel-Matrix-Wechselwirkung in Soft-Matter Kompositen
Hybridmaterialien gefertigt aus magnetischen Nanopartikeln kombiniert mit viskosen oder (visko-) elastischen Medien erlauben die Kontrolle über deren Materialeigenschaften mittels magnetischer Stimuli und sind vielversprechend für Anwendungen in der Medizintechnik, sowie in Dämpfungssystemen, in der Sensorik sowie der Aktorik und vielen weiteren Feldern.
Um den Einfluss verschiedener nanoskaliger Umgebungen und Strukuren in Gelen, Elastomeren, Flüssigkristallen etc. auf Ausrichtungsverhalten und Dynamik der Partikel zu bestimmen, und so zur Schaffung weiterentwickelter Materialsysteme und Anwendung beizutragen, verwenden wir die Kombination aus Magnetometrie und AC-Suszeptometrie mit elementspezifischer Mössbauerspektroskopie. Gerade Letzere liefert Informationen über sowohl Spinausrichtung als auch Relaxationsverhalten, magnetische Struktur und Brownsche Dynamik der Partikel und erlaubt somit gleichzeitig wichtige Aussagen über das Wechselspiel von Partikeln und umgebender Matrix sowie elementarer Matrixeigenschaften.
Astrophysik
Planetenentstehung
In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Gerhard Wurm untersuchen wir unter anderem die bei der Planetenentstehung vorkommende Materie, beispielsweise durch das Heizen von Meteoritenmaterial, welches in seinen Eigenschaften der ursprünglichen Protoplanetaren Scheibe entspricht. Dieses wird anschließend per Magnetometrie sowie elementspezifisch mittels Mössbauerspektroskopie untersucht, um Änderungen in der chemischen Zusammensetzung bei verschiedenen Umgebungsbedingungen festzustellen, wobei diese Bedinungen (Druck, Temperatur, Zusammensetzung der Atmosphäre) jenen nachempfunden werden, die in einer protoplanetaren Scheibe anzutreffen sind. Weitere Experimente werden auch mit speziellen Stäuben durchgeführt, welche z.B. die chemischen und mechanischen Eigenschaften der Marsoberfläche repräsentieren (Martian regolith simulant, JSC-Mars-1A).