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IAQ-Report zu Problemen der Lohnfindung

Tarifparteien brauchen Macht

  • von Claudia Braczko
  • 24.01.2017

Die Lohnungleichheit in Deutschland hat in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich zugenommen. Immer mehr Beschäftigte arbeiten in prekären Jobs für wenig Geld, während insbesondere bei Top-Managern das Einkommen enorm wächst. Die Höhe der Löhne wird in Deutschland zwischen den Tarifparteien – Arbeitgebervereinigungen und Gewerkschaften – ausgehandelt. Die haben in den letzten Jahren aber erheblich an Organisationsmacht und Handlungsfähigkeit eingebüßt. Mit Problemen der Lohnkoordination in Deutschland befasst sich ein aktueller Report aus dem Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE).

Fragmentierung und Erosion des Tarifsystems beeinträchtigen zunehmend die Lohnfindung. „Die Flächentarifverträge gelten inzwischen nur noch für die Hälfte der Beschäftigten, die Bindung nimmt stetig ab“, so Prof. Dr. Thomas Haipeter. Zonen mit Niedriglöhnen ohne Tarifverträge breiten sich aus. Die „informelle“ Lohnabstimmung zwischen den organisationsstarken Industriebranchen und den schwächer aufgestellten Dienstleistungsbranchen entkoppelt sich zunehmend. Und schließlich werden auch die Tarifverträge selber poröser: Sonderregelungen erlauben es, von den Vereinbarungen abzuweichen, ganze Tätigkeitsbereiche werden ausgelagert und damit dem eigentlich geltenden Tarifvertrag entzogen.

Die Branchen entwickeln sich unterschiedlich, obwohl einige Probleme ähnlich liegen: Insbesondere einfache und standardisierte Tätigkeiten werden ausgelagert – in der Industrie in Form von Leiharbeit oder Werkverträgen, in den Bankfabriken bei den Back-Office-Tätigkeiten oder im Einzelhandel bei der Warenverräumung und an der Kasse. Die Strategien der Arbeitgeberverbände, Mitgliedsunternehmen auch ohne Tarifbindung aufzunehmen, haben zwar ihre Organisationsfähigkeit gestärkt, aber die Tarifdeckung damit weiter geschwächt. Das wirkt sich auch auf die Handlungsfähigkeit aus, etwa bei der Modernisierung der Entgeltstrukturen. Während in der Metallindustrie eine neue Entgeltstruktur vereinbart werden konnte, blockieren sich die schwächeren Verbände in den Dienstleistungssektoren des Bankgewerbes und vor allem des Einzelhandels gegenseitig.

Der Staat hat zwar mit dem gesetzlichen Mindestlohn eine Grenze nach unten gezogen, für eine umfassende Koordinierung der Löhne kann er aber nicht sorgen. Dies bleibt Aufgabe der Tarifvertragsparteien – sie müssen sich entsprechende Organisationsmacht und Handlungsfähigkeit über möglichst viele Mitglieder verschaffen. Haipeter: „Hoffnung immerhin machen das Lohnwachstum nach der Finanzmarktkrise und die teilweise erfolgreichen Lohnkampagnen der Gewerkschaften. Das zeigt, dass sich auch die alten Tarifvertragsparteien erneuern können.“

Weitere Informationen:
http://www.iaq.uni-due.de/iaq-report/2017/report2017-01.php
Prof. Dr. Thomas Haipeter, Tel. 0203/379-1812; thomas.haipeter@uni-due.de

Redaktion:
Claudia Braczko, Tel. 0157/7128 3308, claudia.braczko@uni-due.de

Ressort Presse
Stabsstelle des Rektorats
Universität Duisburg-Essen
http://www.uni-due.de/de/presse

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