Erste InZentIM-Tagung
Wie Integration gelingt
- von Beate Kostka
- 23.06.2017
Weit über eine Million Menschen flüchteten 2015/16 nach Europa. Nun müssen die aufnehmenden Kommunen zahlreiche Herausforderungen meistern, um diesen Menschen eine (vorübergehende) Bleibe- und Lebensperspektive zu vermitteln. Welche Chancen und Risiken sind damit verbunden und welche Modelle haben sich bereits in der Praxis bewährt? Mit diesen und weiteren Fragen befasst sich eine wissenschaftliche Tagung der Universität Duisburg-Essen (UDE) vom 21. bis 23. Juni im Haus der Technik in Essen.
Sie ist die erste Konferenz („Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Integration von Geflüchteten und Migranten auf kommunaler Ebene – eine interdisziplinäre Perspektive“) des neu gegründeten Interdisziplinären Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (InZentIM). Vor Ort sind mehr als 250 Tagungsteilnehmer sowie 50 nationale und internationale Experten aus Forschung und Praxis. Zunächst diskutierten sie ausgewählte Aspekte der Flüchtlings- und Migrationsforschung, anschließend wurden Erfahrungen und Beispiele guter Praxis auf lokaler und regionaler in Deutschland in den Fokus genommen.
Historischer Einschnitt
Der Flüchtlingszustrom hält in Europa seit mehreren Jahren an, 2015 wurde Deutschland zum Hauptaufnahmeland. Tagungspräsident Prof. Johannes Hebebrand: „Dieser historische Einschnitt hat das Potential, genauso bedeutend zu werden wie die deutsche Wiedervereinigung 1989. Der Willkommenskultur und dem „Wir schaffen das“-Appell stehen Ängste und Sorgen entgegen, fremde Kulturen könnten unser Leben durcheinander bringen. Mit der Flüchtlingswelle schwappte die anhaltende Globalisierung plötzlich bis vor unsere Haustür.“
In seinem Eröffnungsvortrag verdeutlichte Prof. James Hollifield (USA) das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Interessen (z.B. an Arbeitskräften), rechtlichen Rahmensetzungen, Sicherheitsfragen und kulturellen Ansprüchen. Die unterschiedlichen Anforderungen lassen Migration zu einem zentralen Thema des 21. Jahrhunderts werden. Es wird entscheidend sein, welche Konzepte entwickelt werden, um mit dem skizzierten Spannungsfeld umzugehen.
Prof. Leo Lucassen aus den Niederlanden versuchte den Gründen nachzugehen, warum Migration so ein hochrelevantes Thema wurde, denn letztlich gab es auch schon in den 1990er Jahren ähnlich hohe Zahlen an Migranten/Flüchtlingen (ausgenommen das Jahr 2015). Es könne keine Rede davon sein, dass es einen Massenexodus aus Afrika gibt. Neu sei allerdings die Verknüpfung mit den Folgen der islamischen Radikalisierung und dem Auftreten des IS einschließlich der hierdurch mit verursachten Islamophobie.
Populistischen Strömungen entgegen treten
Die gleichzeitig auftretende Weltwirtschaftskrise bot populistischen Strömungen die Möglichkeit, ein bedrohliches Szenario zu propagieren. Um diesen Strömungen entgegen zu treten, sei es wichtig, die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Perspektiven stärker in die Diskussion einzubringen, so Prof. Hermann Josef Abs, Vorstandsvorsitzender des InZentIM.
Die Integration von Flüchtlingen muss insbesondere auf kommunaler Ebene angepackt und bewältigt werden. Das Abflauen der Zahl neu eintreffender Flüchtlinge bietet die Chance, einen Blick über akute Bewältigungsstrategien hinaus zu wagen, so Tagungspräsident Johannes Hebebrand, Mitglied des Gründungsvorstands des InZentIM und UDE-Hochschullehrer für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie: „Das Ziel der Tagung besteht darin, Wissenschaft und Praxis zusammenzubringen, um den Kommunen bei der Meisterung ihrer anstehenden Aufgaben zu helfen.“
Internationale Perspektive
Es muss darauf hingearbeitet werden, dass auch eine europäische Perspektive entsteht, denn die Probleme und Aufgaben können nur international bewältigt werden. 16 der 54 Tagungsreferenten stammen aus Europa, Kanada und den USA und sind teilweise selbst emigriert. „Wir tragen hier die Erkenntnisse der Migrations- und Integrationsforschung aus den verschiedenen Fachgebieten zusammen“, sagt Tagungspräsidentin Dr. Helen Baykara-Krumme, Gastwissenschaftlerin am InZentIM als Migrationssoziologin.
Behandelt wurden die Themen: Spracherwerb, Integration in Schule und Beruf, medizinische Versorgung, kulturelle und rechtliche Aspekte sowie islamische Radikalisierung und Sicherheit. Vorgestellt wurden die Erfahrungen in der Kommune, in den Jobcentern und Gesundheitsämtern. Auf 40 Postern wurden Praxisprojekte genauer vorgestellt. Zum Abschluss wurde über die Schlüsselfaktoren einer erfolgreichen Integration auf kommunaler Ebene diskutiert.
Weitere Informationen:
http://www.inzentim.de/inzentim-kongress-2017/