Von Kussgesichtern und andere Bilderbuchstaben
Ohne Worte
- von Isabelle Sprang
- 13.12.2018
Mit Emojis lässt sich vieles sagen. Aber was hat die Pommesgabel mit Liebe zu tun?
Herzchen sollen Mädchensache sein? Von wegen! Auch Jungs jagen sie längst massenweise aufs Display. Damit zeigt man seine Zuneigung – von freundschaftlicher Nähe bis zur lodernden Liebe ist alles drin.
Erfunden wurden Emojis in Japan. Die Funktion dieser ‚Bilderbuchstaben’ erforscht Sprachwissenschaftler Steffen Pappert, er meint: „In sozialen Netzen geht ohne sie kaum noch was. Sie erleichtern das Schreiben über Gefühle, nicht nur für Menschen, die sie ungern äußern. Besonders in dieser auf rasche Wechsel angelegten Kommunikation ist es schwierig, Emotionen auszudrücken. Emojis sind hier eine gute Möglichkeit.“ Ohne Aufwand lässt sich Nähe vermitteln. Ein weiterer Vorteil: „Emojis sind Bilder, sie sind bedeutungsoffener als Worte, haben einen semantischen Überschuss. Zur Not kann man sich rauswinden.“ Ideal für alle, die vor eindeutigen Bekenntnissen zurückscheuen.
Rot, Gelb, Grün, Lila, Blau – mit der Herzfarbe kann man nuancieren, so der Experte. „Rot ist für den Partner reserviert, es steht wie das Symbol klassisch für Liebe. Andere Farben signalisieren bisweilen lediglich: Ich mag dich.“ Fürs Chatten bieten sich zwar allerlei Herz- und Kussvarianten an. „Eine Studie hat aber gezeigt, dass das Gesicht mit Herzaugen neben dem roten Herz und dem tränenlachenden Gesicht in Großbritannien, USA, Spanien und Italien zu den drei beliebtesten Emojis zählt.“ Und in Deutschland? Pappert kann nur vermuten, dass es sich ähnlich verhält. Es gibt noch keine wissenschaftlichen Studien. „Die Emoji-Forschung beginnt erst. Vor allem Liebes-Icons sind schwierig zu untersuchen, das liegt daran, dass sie im privaten Kontext gesendet werden.“
Harmlos oder zweideutig?
Die bunten Piktogramme lösen mitunter Missverständnisse aus. Emojis wie Pfirsich oder Aubergine können sexuelle Botschaften übermitteln. Sie kommen aber nur an, wenn man weiß, dass das eine für den weiblichen Po, das andere für das männliche Geschlechtsteil steht. Werden bestimmte Bildchen kombiniert, ist die Nachricht eindeutig zweideutig. Verwirrung stiftet auch das Dreifinger-Emoji. „Es gibt zwei!“, erklärt der Linguist. „Metal-Fans nutzen die Geste mit dem eingeklappten Daumen, auch Pommesgabel genannt. Das Symbol mit dem abgespreizten Daumen hingegen steht in der Gebärdensprache für die Buchstaben I, L, Y, meint: I love you.“ Liebesbotschaft oder Metal-Gruß? Harmloses Icon oder Sex-Code? Ein genauer Blick lohnt sich. Wenn man nicht sicher ist, helfen Online-Wörterbücher bei der Entschlüsselung, z.B. emojipedia.org.
Und dann sind da noch individuelle Codes. Der Wissenschaftler erläutert: „Alles kann zum persönlichen Emoji der Verbundenheit werden. Lernt sich ein Paar in der Tram kennen, kann dieses Bild zum ‚geheimen‘ Zeichen der Zuneigung werden. Das entspricht in etwa dem Phänomen, das aus der analogen Welt bekannt ist: ,Sie spielen unser Lied‘. Eigene Paar-Emojis scheinen weit verbreitet, was auch verschiedene Studien gezeigt haben.“
Überflüssig oder wichtig?
Pappert glaubt, dass der Gebrauch der kleinen Symbole zunehmen wird – auch aufgrund neuer Eingabeoptionen wie etwa Emoji Prediction – passend zum Text werden automatisch Emojis vorgeschlagen. Freimütig gibt er zu: „Anfangs hielt ich die Bildchen für überflüssig, heute finde ich sie wichtig. Die Kommunikation wird durch sie nicht nur bereichert, sondern auch informeller und bekommt einen spielerischen, amüsanten Anstrich. Eine feine Sache.“
Zur Person
Dr. Steffen Pappert (49) ist Privatdozent für Germanistische Linguistik. Er forscht u.a. zu sprachwissenschaftlichen Phänomenen der Internetkommunikation.