Portrait der blonden Milena Gaede vor grauem Hintergrund. Sie trägt eine Brille und einen wollweißen Pullover.
© Sally Ploeger

Studentin managt Hilfsplattform

Heldenhaft durch die Krise!

  • von Birte Vierjahn
  • 30.04.2020

Geburtstagsständchen singen, Hunde ausführen, einkaufen – die Plattform „QuarantäneHeld*innen“ bringt Menschen, die in der Coronakrise Hilfe im Alltag benötigen, mit Unterstützer*innen zusammen. Lokal und ohne großen Aufwand. Sich im Studium auf Distanz zurechtzufinden, den Nebenjob von zu Hause aus managen – das macht die 27-jährige Milena Gaede, Gründungsmitglied der Plattform und UDE-Studentin der Politikwissenschaften, ganz nebenbei.

Frau Gaede, wie sind Sie auf die Idee gekommen, „QuarantäneHeld*innen“ zu starten?
Die Idee hatten wir am 12. März, als verkündet wurde, dass Kitas und Schulen geschlossen würden. Schon anderthalb Tage später sind wir damit online gegangen. Gerade ältere Menschen, deren Familien weit weg wohnen, sind momentan besonders auf Hilfe aus der Umgebung angewiesen. Die Plattform bringt Hilfesuchende und Helfende zusammen. Von Anfang an wurde das Projekt gut angenommen, viele Medien haben berichtet – nach einer Woche hatten wir schon 25.000 Helfende registriert.

Was sind das für Menschen, die sich engagieren?
Da wir von den Nutzerinnen und Nutzern bis auf die Mailadresse keinerlei Daten aufnehmen, kann ich keine statistischen Angaben machen. Geht man allerdings nach unseren Followern in den sozialen Medien (@quarantaenehelden), dann sind sie hauptsächlich zwischen 25 und 34 Jahre alt und überwiegend weiblich. Und dann ist da noch unser Team hinter „QuarantäneHeld*innen“. Wir sind eine bunte Mischung aus Studierenden und jungen Arbeitnehmenden aus ganz unterschiedlichen Bereichen.

Mit welchen Anfragen melden sich Hilfesuchende?
Das sind häufig ältere Menschen, die Hilfe beim Einkaufen brauchen. Es gibt aber auch Anfragen, Rezepte beim Arzt abzuholen, Medikamente zu besorgen, Hunde auszuführen oder – oft sehr rührend – Geburtstagsständchen für jemanden zu singen oder Karten zu schicken. Sehr häufig werden Hilfsanfragen auch von Kindern oder Enkelkindern gestellt, die zu weit weg wohnen, um selbst zu helfen.

Wie funktioniert das dann konkret?
Braucht man Hilfe für sich selbst oder Verwandte, registriert man sich mit einer Mailadresse und stellt eine anonyme Anfrage online, in der man lediglich die Postleitzahl angibt, damit lokale Hilfe organisiert werden kann. Automatisch werden registrierte Helfende aus der Umgebung benachrichtigt und können über die Plattform ihre Unterstützung anbieten. Wer die Anfrage gestellt hat, entscheidet dann, mit wem er oder sie in persönlichen Kontakt treten möchte. Alles Weitere wird dann persönlich abgesprochen.

Und wenn ich Hilfe anbieten möchte?
Dann können Sie entweder auf einer interaktiven Karte gucken, ob in der Nähe gerade jemand Hilfe benötigt, oder eine Mailadresse und Ihre Postleitzahl hinterlegen, damit Sie benachrichtigt werden, wenn ein Gesuch eingeht.

Nun haben Sie schon fast 40.000 registrierte Nutzer. Gibt es dennoch Angebote oder Fähigkeiten, die Sie noch dringend brauchen? 
Uns fehlen vor allem noch Menschen, die die Plattform an diejenigen vermitteln, die Hilfe brauchen. Und wir suchen Wege, wie man insbesondere ältere Menschen besser erreichen kann, die wenig oder gar nicht online unterwegs sind. Viele tun sich auch schwer damit, Hilfe anzufragen. Oder sie nehmen sich selbst nicht als Teil einer Risikogruppe wahr. Wir würden gerne zu einer Sensibilisierung für diese Themen beitragen und könnten uns da auch Kooperationen vorstellen. Wir sind offen für Ideen!

Lernen Sie aus Ihrer Initiative auch etwas?
Ganz viel, wenn auch nicht direkt für mein Studium. Aber sicherlich für mögliche zukünftige Arbeitsfelder. Ich habe in den vergangenen Wochen die Arbeit in einem sehr dynamischen, agilen Team und verschiedene Projektmanagement-Tools kennengelernt und mich mit Pressearbeit, Social Media, Gleichstellung, Sicherheits-/Hygienemaßnahmen und Rechtsformen auseinandergesetzt. Das Projekt wächst rasend schnell, sodass ständig neue Themen aufkommen, in die wir uns schnell einarbeiten müssen.

Wie schaffen Sie es bei dem Pensum, Studium und Projekt zu vereinbaren?
Langeweile kommt auf jeden Fall nicht auf, ich vertrete aktuell auch noch mit einer halben Stelle den Bereich „Weiterbildung“ an der Folkwang Universität der Künste! Ein Wochenende habe ich zurzeit nicht, und die Tage sind lang. Aber immerhin fallen gerade die Wege zwischen Campus, Arbeitsplatz und Wohnung weg. Und die Arbeit im QuarantäneHeld*innen-Team macht so viel Spaß, dass ich sie auch nicht gegen Freizeit austauschen würde. Eigentlich nehme ich sie nicht mal richtig als Arbeit wahr. Ich denke aber, dass sich der Aufwand für das Projekt mittelfristig reduzieren wird.

Glauben Sie, dass sich die derzeitige Hilfsbereitschaft auch über die Corona-Zeit hinaus halten wird?
Ich hoffe sehr, dass gerade die Helfenden jetzt merken, wie viel Spaß es macht und wie gut es tut zu helfen und sich auch nach Corona weiter zivilgesellschaftlich engagieren!

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