Friedensgutachten vorgestellt
Europa kann und muss mehr tun
- von Thomas Wittek
- 08.06.2021
Nach innen zu sehr mit sich selbst beschäftigt und nach außen oft zu zögerlich: Die EU hat während der Coronapandemie häufig ein schlechtes Bild abgegeben. Das ist die kritische Bestandsaufnahme des diesjährigen Friedensgutachtens. Die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute, darunter das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der UDE, haben es heute (8. Juni) in Berlin vorgestellt. Zugleich sind die Forschenden überzeugt: Europa kann und muss mehr tun, sei es im Verhältnis zu Russland und China oder bei der Bekämpfung der globalen Folgen der Pandemie.
Die wichtigste Empfehlung des Gutachtens: Die EU sollte sich zunächst auf ihre Grundwerte besinnen – und damit der Erosion der Demokratie entgegenwirken, in Europa und weltweit. Eine aktivere Rolle in der Weltpolitik in diesem Sinne bedeutet konkret, gegenüber Russland oder China Verletzungen von Völkerrecht und Menschenrechten klar zu benennen, ohne die Brücken zu einer Kooperation vollständig abbrechen zu lassen. Im Verhältnis zum Globalen Süden muss die EU ebenfalls neue Akzente setzen. Denn die Pandemie verschärft bestehende Konflikte und bedroht die Sicherheit der Menschen. Das vom INEF koordinierte Kapitel ‚Nachhaltiger Frieden‘ verdeutlicht: Nicht nur die direkten und indirekten Folgen für die Gesundheits- und sozialen Sicherungssysteme sind in zahlreichen Regionen auf der Südhalbkugel der Erde dramatisch. Auch die Ernährungslage hat sich verschlechtert und die Armut hat zugenommen. Die Pandemie hat außerdem gezeigt, wie krisenanfällig globale Lieferketten sind und welche Gefahren internationale Abhängigkeiten bergen.
Die Autor:innen warnen aber davor, die falschen Konsequenzen zu ziehen. Statt zunehmender nationaler Abgrenzung ist jetzt globale Solidarität gefragt. Für die Bekämpfung der Pandemiefolgen sowohl in Europa aber auch weltweit werden erhebliche Mittel benötigt. Die Forscherinnen und Forscher bringen deshalb eine Corona-Friedensdividende ins Spiel und fordern, die Rüstungsausgaben auf den Prüfstand zu stellen. Doch es geht nicht nur ums Geld: Die europäische und die deutsche Politik kann maßgeblich dazu beitragen, Impfstoffe gerechter zu verteilen sowie die Armuts- und Ernährungspolitik neu auszurichten. Dabei gilt es, die vor Ort vorhandenen sozialen Sicherungssysteme zu stärken und ‚gute Regierungsführung‘ von den Partnern einzufordern. Mit besser regulierten Lieferketten sollen zudem prekär beschäftige Menschen vor Ausbeutung geschützt werden.
Im Bild (v.l.): Die Professor:innen Conrad Schetter, Nicole Deitelhoff, Caludia Baumgart-Ochse und Tobias Debiel in der Bundespressekonferenz.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Tobias Debiel, Institut für Entwicklung und Frieden, tobias.debiel@uni-due.de, Tel. 0203/37 9-2021
Redaktion: Dr. Thomas Wittek, 0203/37 9-2430, thomas.wittek@uni-due.de