Deutlicher Rückgang in Ostdeutschland
Niedriglohnbeschäftigung unter 20 Prozent
- von Claudia Braczko
- 30.06.2021
Erstmals seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland ist der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten im Jahr 2019 unter die 20-Prozent-Marke (auf 19,9Prozent) gesunken. Im Vergleich zum historischen Höchstwert von 24,1 Prozent (2011) ist das ein Rückgang um gut vier Prozentpunkte. Vor zwei Jahren arbeiteten noch 25,3 Prozent der ostdeutschen und 18,9 Prozent der westdeutschen Beschäftigten für weniger als 11,50 Euro brutto pro Stunde. Hierzulande waren rund 7,2 Millionen Beschäftigte in einem Niedriglohnjob tätig. Das zeigt der aktuelle Report aus dem Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der UDE.
Das IAQ-Autorenteam Dr. Thorsten Kalina und Dr. Claudia Weinkopf hebt darin besonders die Entwicklung in Ostdeutschland hervor: In den Jahren 2011 bis 2019 hatte sich der Niedriglohnanteil dort von 39,4 Prozent auf 25,3 Prozent erheblich reduziert. Allein von 2018 auf 2019 gab es einen Rückgang der Niedriglohnbeschäftigten im Osten um immerhin sieben Prozentpunkte. Er hängt auch damit zusammen, dass in den meisten Branchen die zuvor unterschiedlich hohen tariflichen Verdienste in West- und Ostdeutschland inzwischen angeglichen worden sind.
In Westdeutschland erreichte der Niedriglohnanteil seinen höchsten Wert im Jahr 2011 (20,9%) und schwankte danach zwischen 19,6 Prozent und 20,6 Prozent. Von 2016 bis 2019 ist die Niedriglohnquote von 20,4 Prozent auf 18,9 Prozent gesunken, was aber immer noch deutlich über dem EU-Durchschnitt von rund 15 Prozent liegt. Von 2014 bis 2019 ist das Niedriglohnrisiko in Deutschland insgesamt um 14,3 Prozent gesunken.
Besonders häufig arbeiteten im Jahr 2019 für einen Stundenlohn unter 11,50 Euro vor allem Minijobber*innen (knapp 77 Prozent), unter 25-Jährige (fast 48 Prozent), Beschäftigte ohne abgeschlossene Berufsausbildung (44 Prozent), befristet Beschäftigte (knapp 37 Prozent), fast 31 Prozent der Ausländer*innen und ein Viertel der Frauen. 16,1 Prozent waren im Einzelhandel, 9,2 Prozent in der Gastronomie, 9,1 Prozent in der Gebäudebetreuung (Gebäudereinigung und Hausmeistertätigkeiten), 8,5 Prozent im Gesundheitswesen und 4,8 Prozent im Bereich Erziehung und Unterricht beschäftigt.
Kalina und Weinkopf empfehlen eine einmalige deutliche Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns und die Bekanntheit der Höhe in der Öffentlichkeit zu verbessern. Bundesarbeitsministerium und Bundesfinanzministerium haben eine Anhebung im Jahr 2022 auf mindestens 12 € brutto pro Stunde vorgeschlagen. Wichtig sei es auch, die Minijobs in Deutschland zu reduzieren. Denkbar wäre es, die Geringfügigkeitsgrenze auf z.B. 300 Euro pro Monat abzusenken, sowie alternativ oder ergänzend Minijobs nur noch von bestimmten Beschäftigtengruppen – z.B. Schüler*innen, Studierende und Rentner*innen – ausüben zu lassen.
Weitere Informationen:
Zum Report
Dr. Claudia Weinkopf, Leiterin der IAQ-Forschungsabteilung Flexibilität und Sicherheit, Tel. 0203/37 9-1353, claudia.weinkopf@uni-due.de, Dr. Thorsten Kalina, Tel. 0203/37 9-1352, thorsten.kalina@uni-due.de