DFG-Förderung für Lukas Schwengerer
Kollektives Selbstwissen
- von Dr. Alexandra Nießen
- 25.08.2021
Jeder Mensch kennt seine Überzeugungen und Absichten. Besitzen Gruppen auch so ein Selbstwissen? Das fragt der UDE-Philosoph Dr. Lukas Schwengerer. Er analysiert, wie es entsteht und wie viel etwa soziale Gruppen in Online-Medien davon haben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert sein Projekt „Kollektives Selbstwissen“ ab April 2022 für drei Jahre mit dem Programm „Eigene Stelle“.
Wie kommen wir zu Wissen und Überzeugungen? Das ist die Frage, die den 33-Jährigen grundsätzlich beschäftigt. Statt den Blick auf die Einzelperson zu richten, betrachtet er vor allem soziale Gruppen oder unsere Interaktion mit technologischen Dingen wie Internet und Handy.
Selbstwissen hilft Einzelpersonen, über eigene Vorurteile oder den eigenen Dogmatismus zu reflektieren. Dasselbe gilt für Selbstwissen in Gruppen. Doch darüber, wie diese ihr Wissen erlangen, ist noch wenig bekannt. „Im Alltag sprechen wir oft so, als könnten soziale Gruppen ihre Absichten ähnlich gut erkennen wie eine Person“, sagt Schwengerer. Ein einfaches Beispiel: „Wenn Rot-Weiß Essen bekannt gibt, neue Spieler verpflichten zu wollen, zweifeln wir nicht, dass der Verein von dem Wunsch weiß.“ Das gilt auch für Familien, Freunde oder Firmen, die als Einheit handeln.
Aber lassen sich die Gruppen über einen Kamm scheren? Sie sind doch vollkommen anders aufgestellt als einzelne Menschen, verfolgen verschiedene Ziele. „Das stimmt. Wichtiger ist, dass ihre Einstellungen im Prozess entwickelt werden – entweder in Diskussionen oder darüber, dass sich die Mehrheitsmeinung durchsetzt“, sagt Schwengerer. Die Gruppe leitet ihre Absichten aus Beobachtungen der Prozesse ab. „Je genauer diese festgehalten werden, desto mehr Wissen gewinnt die Gruppe über sich. Aber wenn die Entscheidungen diffus sind, kennt sie ihre Wünsche und Überzeugungen oft nicht.“ Spannend sei herauszufinden, wie sie sie in total unstrukturierten Situationen wissen kann.
Im DFG-Projekt wird Schwengerer unter anderem analysieren, wie relevant das Selbstwissen für Gruppen in Online-Medien ist. „Wenn sie ihre Meinung bilden und ihre mentalen Zustände kennen, können die Gruppen in der online vernetzen Welt besser erkennen, ob ihre Meinungsbildung durch Filterblasen beeinträchtigt wird“, erklärt er. Zugleich helfe es ihnen, besser gerechtfertigte Überzeugungen zu formen. „Die Gruppen können das Selbstwissen als Basis nutzen, um intellektuell tugendhafter zu werden – offener, undogmatischer, vorsichtiger, weniger polarisiert“, so der soziale Erkenntnistheoretiker.
Weitere Informationen:
Dr. Lukas Schwengerer, Institut für Philosophie, Tel. 0201/18 3-3269, lukas.schwengerer@uni-due.de
Redaktion: Alexandra Nießen, Tel. 0203/37 9-1487, alexandra.niessen@uni-due.de