Artenvielfalt in europäischen Gewässern
Alles im Fluss?
- 10.08.2023
Erst kam die Erholung, dann die Stagnation der Biodiversität in europäischen Gewässern. Zu diesem Ergebnis kam ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Peter Haase (Senckenberg/UDE) in einer nun veröffentlichen Studie im Fachjournal Nature. Die Wissenschaftler:innen zeigen, dass die biologische Vielfalt der untersuchten Flüsse seit 1968 zwar deutlich angestiegen ist, sie warnen jedoch, dass dieser positive Trend seit 2010 stockt. Der Grund: Zahlreiche menschengemachte Belastungen. Doch es gibt Lösungen.
Auch wenn Eintags-, Stein-, und Köcherfliegen zu den Fluginsekten zählen – den Großteil ihres Lebens verbringen sie als Larve im Wasser. „Diese und viele weitere wirbellose Tiere tragen zu wichtigen Ökosystemprozessen in Süßgewässern bei. Sie zersetzen organische Stoffe, filtern Wasser und transportieren Nährstoffe zwischen aquatischen und terrestrischen Bereichen. Darüber hinaus sind sie ein Eckpfeiler zur Überwachung der Wasserqualität“, erklärt Erstautor der Studie, Prof. Dr. Peter Haase vom Senckenberg Forschungsinstitut. Er leitet zugleich die Abteilung Fluss- und Auenökologie an der UDE. Er betont: „Solch eine Kontrolle ist immens wichtig, denn Flüsse und Seen gehören zu den Ökosystemen, die am stärksten vom Verlust der biologischen Vielfalt bedroht sind.“
So wurden als Reaktion auf den schlechten Zustand der Gewässer in den 1950er und 60er Jahren weltweit verschiedene Gegenmaßnahmen ergriffen. „Diese Zuwächse an biologischer Vielfalt traten jedoch hauptsächlich vor 2010 auf und stagnieren seither. Zudem nehmen die Stressfaktoren zu.“ Haase nennt hier vor allem die landwirtschaftliche und städtische Flächennutzung: Dadurch sammeln sich im Fluss Schadstoffe, organisch belastetes Abwasser, Feinsedimente und Pestizide. Auch bedrohen Veränderungen wie Dämme, Wasserentnahmen, invasive Arten und der Klimawandel die Gewässer. Unter den mehr als 1800 ausgewerteten Zeitreihen befinden sich auch solche zu Gewässern im Einzugsgebiet der Ruhr im Arnsberger Wald. „In den heißen Sommern der vergangenen Jahre trockneten einige der Gewässer zeitweilig aus – dies wirkt sich wiederum negativ auf die Fauna aus,“ sagt Dr. Armin Lorenz aus der Aquatischen Ökologie der UDE und Co-Autor.
Laut Studie sind erhebliche Investitionen erforderlich: Abwassernetze müssen ausgebaut und Kläranlagen verbessert werden, damit sie bei Starkregen nicht mehr überlaufen, Mikroverunreinigungen verhindert und Schadstoffe wirksamer entfernt werden. Darüber hinaus sollte die Landwirtschaft Dünge- und Pflanzenschutzmittel in Ufernähe reduzieren. Zudem müssen die Flüsse an das künftige Klima angepasst werden, etwa durch Renaturierung oder durch die Anbindung an Auen als Hochwasserschutz.
Im Bild:
Invertebraten, wie diese Eintagsfliege sind sehr gute Indikatoren zur Überwachung der Flächennutzung verschiedenen vom Menschen verursachte Belastungen.
Weitere Informationen:
The recovery of European freshwater biodiversity has come to a halt; Haase, P., D.E. Bowler, N.J. Baker, E.A.R. Welti (2023); https://www.nature.com/articles/s41586-023-06400-1
DOI:10.1038/s41586-023-06400-1
Die ausführliche Pressemeldung finden Sie hier.
Prof. Dr. Peter Haase, Tel. 06051/61954-3114, peter.haase@senckenberg.de