Neue Erkenntnisse zu Signalproteinen
Wie sich Zellen bewegen
- 01.02.2024
Die Migration von Zellen ist entscheidend für viele Prozesse im Körper. Beispielsweise wandern spezialisierte Hautzellen in der Wundheilung zielgerichtet in die Richtung der Wunde, um sie zu schließen. Für diese Bewegung müssen die Zellen fortwährend ihre Form ändern: Im vorderen Bereich bilden sie Fortsätze, und im hinteren Bereich kontrahieren sie ähnlich wie ein Muskel. Auch bei einer Immunantwort „migrieren Zellen in komplexen Geweben“, wie es fachsprachlich heißt. Sind die Mechanismen gestört, kann es zu einer unkontrollierten Zellwanderung kommen – beispielsweise, wenn Krebs streut.
Den Forschungsgruppen um Prof. Dr. Perihan Nalbant (Zentrum für Medizinische Biotechnologie der UDE) und Dr. Leif Dehmelt (Chemie und Chemische Biologie, TU Dortmund) ist es gelungen, die Signale sichtbar zu machen, welche die Formänderungen in der Zellmigration steuern. Ihre Ergebnisse könnten helfen, die Metastasierung von Krebs besser zu verstehen. Die renommierten Fachjournale Nature Communications und Molecular Biology of the Cell haben berichtet.
Bisher ging man davon aus, dass Zellen ihre zielgerichtete Bewegung durch gegenseitige Hemmung bestimmter Signalmoleküle steuern. Die Forschungsgruppen beider Unis konnten dies nun widerlegen. Sie haben Mikroskopie-basierte Sensor-Techniken weiterentwickelt, um die Aktivität der Signalmoleküle in lebenden Zellen sichtbar zu machen.
Networking zwischen Signalproteinen
Die Forschenden haben sich hierbei auf die Signalmoleküle Rac1 und RhoA aus der Familie der Rho-GTPasen konzentriert, die sich durch eine Art Kommunikationsnetzwerk miteinander koordinieren. Sie konnten eindeutig zeigen, dass Rac1 nur in Zellfortsätzen und RhoA nur in Zell-Kontraktionen aktiv ist. Außerdem fanden sie heraus, dass sich diese Signalmoleküle überraschenderweise nicht gegenseitig hemmen. Vielmehr hat Rac1 einen positiven Einfluss auf RhoA und aktiviert dieses. Diese unerwartete Interaktion treibt dynamische Zyklen von Zellfortsätzen und Zellkontraktionen an und erlaubt das häufige Wechseln der Migrationsrichtung.
So ist es zum Beispiel in Tumorzellen zu beobachten: Ihre verstärkten Zyklen gehen mit einer weniger zielgerichteten und weniger kontrollierten Migration einher. Tatsächlich konnten die Autor:innen zeigen, dass zwei für die Tumorzellmigration wichtige Signalproteine (ARHGEF11 und ARHGEF12) die Interaktion zwischen Rac1 und RhoA vermitteln und die dynamischen Zyklen von Zellfortsätzen und Kontraktionen verstärken. Im Gegensatz hierzu ändern Zellen mit weniger dynamischen Zyklen ihre Richtung seltener und migrieren dadurch zielgerichteter.
Wird vorne oder hinten gelenkt?
Die Forschungsteams befassten sich in ihren Arbeiten ebenfalls mit einem weiteren Signalmolekül aus der Familie der Rho-GTPasen: Cdc42. „Es ist bereits bekannt, dass dieses Molekül bei der Bildung von Zellfortsätzen eine ähnliche Funktion wie Rac1 hat“, so Prof. Nalbant. „Für eine Reihe von typischen Krebszellen konnten wir dies auch bestätigen. Aber in normalen, gesunden Zellen der Haut verhält sich Cdc42 überraschenderweise entgegengesetzt: Es ist im hinteren Zellbereich aktiv und fördert dort die Zellkontraktion. Durch gezielte Manipulationen von Cdc42 konnten wir nachweisen, dass diese Aktivität entscheidend ist. Denn Cdc42 steuert die gerichtete Zellmigration vom hinteren Teil der Zelle aus.“ In Tumorzellen der Haut geht diese lokale Regulation von Cdc42 jedoch verloren, sodass diese unkontrolliert wandern.
Beide Studien zeigen, wie wichtig die korrekte Regulation von Zellformänderungen für die kontrollierte Funktion von Zellen und den gesamten Organismus ist, betonen Nalbant und Dehmelt. „Krankheitsbedingte Änderungen von Signalmolekülen, wie etwa den hier untersuchten Vertretern der Rho-GTPase-Familie, können zu verstärkten Zyklen von Zellfortsätzen und Kontraktionen führen und somit die unkontrollierte Migration von Krebszellen fördern.“
Im Bild:
Mikroskopische Aufnahme einer migrierenden menschlichen Hautzelle: Die überraschend erhöhte Aktivität des Signalmoleküls Cdc42 im hinteren Bereich der Zelle ist in Hellrot dargestellt. Der Umriss der Zelle zu vorherigen Zeitpunkten wurde durch einen Wechsel von kühlen zu warmen Farbtönen visualisiert.
Publikationen:
Nature Communications: http://doi.org/10.1038/s41467-023-43875-y
Molecular Biology of the Cell: https://doi.org/10.1091/mbc.E23-08-0318
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Perihan Nalbant, ZMB, Tel. 0201/18 3-3206, perihan.nalbant@uni-due.de