Prof. Dr. Irene-Angelica Chounta im Interview
Lehren und Lernen mit KI
- von Juliana Fischer
- 21.02.2024
- English version
Ersetzt KI künftig das Klassenzimmer? Nein, sagt Prof. Dr. Irene-Angelica Chounta im Interview. Aber digitale, intelligente Lernmethoden werden zum wichtigen Bestandteil von Bildung. Die UDE-Expertin setzt sich im Europarat für eine bessere Regulierung von KI in der Bildung ein. Mit ihren Student:innen lotet sie außerdem aus, was ChatGPT kann und was nicht.
Kann eine intelligente digitale Lernplattform Lehrkräfte und Bücher ersetzen?
Eine intelligente Plattform kann den Lernprozess auf jeden Fall verbessern, da sie Lerninhalt, Erklärungen und Feedback auf die Anwender:innen zuschneidet. Durch die individuelle Anpassung kann sie im richtigen Moment Hilfestellungen geben, so bleiben die Lernenden motiviert. Was die digitalen Plattformen nicht ersetzen können und keinesfalls sollen, ist der soziale Austausch zwischen den Schüler:innen und Lehrenden im Klassenzimmer oder den Student:innen im Seminar.
Sie erforschen digitale Lernplattformen, wie gehen Sie vor?
Mit meiner Arbeitsgruppe habe ich mich auf Künstliche Intelligenz in der Bildung das sogenannte Learning Analytics spezialisiert. Das heißt, wir analysieren mit computergestützten Methoden, wie Menschen digitale Lernplattformen nutzen und wie sich ihr Lernprozess entwickelt. Mit diesen Erkenntnissen wiederum können wir die Lernplattformen adaptiv gestalten. Das heißt, wir sorgen dafür, dass die Lernenden zur richtigen Zeit das passende Feedback erhalten und das Schwierigkeitslevel an die individuellen Bedürfnisse der Anwender:innen angepasst wird.
„Me and My ChatGPT” lautet ein Seminar das Sie für Studierende der Informatik und der Ingenieurwissenschaften anbieten. Was vermitteln Sie Ihren Studierenden dort?
Mir ist es wichtig, dass meine Studierende am Ende des Seminars mit KI-basierten Sprachmodellen umgehen können. Dieses Semester nutzen wir ChatGPT als Mentor beim Erlernen von Programmiersprachen. Die Studierenden stellen dem Bot Fragen und lernen so, worauf es ankommt. Dabei kommen wir zum Schluss, dass es nicht entscheidend ist, genau zu wissen, wie man ein Python-Programm schreibt, also Wort für Wort, Befehl für Befehl. Das Wichtigste ist, die Logik dahinter zu verstehen. Wie man den Algorithmus so gestaltet, dass er das tut, was man will.
Wo sind zurzeit die Grenzen?
Literaturangaben sind zum Beispiel problematisch. ChatGPT erfindet sie oft, denn genau das machen Text-generierende KIs. Diesen Unterschied zwischen einer Suchmaschine oder einer Bibliothek und einem Sprachmodell müssen Studierende verstehen.
Bisher ist der Einsatz von KI in Schulen und Universitäten kaum reguliert. Was muss sich ändern?
Ob wir wollen oder nicht, KI ist eine Spitzentechnologie, die immer mehr in unseren Alltag eingreift. Wir müssen also lernen, wie man sie nutzt und aus ihr lernt. Dafür setze ich mich in der Sachverständigengruppe für Künstliche Intelligenz in der Bildung des Europarats ein. Wir haben letztes Jahr einen Bericht mit politischen Empfehlungen veröffentlicht. Darin beschreiben wir die ethischen Leitlinien, die wir für einen verantwortungsvollen Einsatz von KI in der Bildung brauchen.
Leider zeigt der Bericht, dass nur 4 von 46 Mitgliedsstaaten des Europarates zum Zeitpunkt der Umfrage eine Politik oder Strategie für den Einsatz oder die Implementierung von KI im Bereich des Lernens verabschiedet hatten. Unser langfristiges Ziel ist es, dass alle europäischen Staaten konkrete Beschlüsse und möglicherweise auch Verordnungen und Gesetze speziell für den Einsatz von KI im Bildungsbereich verabschieden. Dies würde sicherstellen, dass entscheidende ethische Aspekte wie Datenschutz, inklusiver Zugang oder digitale Kompetenz und Profiling rechtsverbindlich geklärt werden.
Im Bild: Prof. Dr. Irene-Angelica Chounta (6. von rechts) mit der Expert Group on Artificial Intelligence bei einem Arbeitstreffen in Staßburg.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Irene-Angelica Counta, Fakultät für Informatik, Computational Methods in Modeling and Analysis of Learning Processes, Tel. 0203 379 1450, irene-angelica.chounta@uni-due.de