Symbolbild, eine Fluss mäandert frei durch die Natur
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EU-Renaturierungsgesetz kommt

Gewässerexperte Prof. Dr. Daniel Hering im Interview

  • von Juliana Fischer
  • 18.06.2024

Bis 2030 sollen 20 Prozent der EU-Fläche im Meer und an Land wiederhergestellt werden, damit sich die Natur erholen kann. Bis zum Jahr 2050 sogar überall dort, wo es notwendig ist. So sieht es das „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ (NRL) vor. Es wurde im Februar vom Europäischen Parlament angenommen, in den EU-Ländern war es lange Zeit umstritten. Am 17. Juni machte der Europäische Rat mit seiner Zustimmung unerwartet den Weg frei. Prof. Dr. Daniel Hering hat die Politik in der Entstehungsphase des Gesetzes beraten

Prof. Dr. Hering, warum markiert der 17. Juni einen ganz besonderen Tag für die Natur Europas?
Mit der neuen Verordnung werden Ökosysteme nicht nur geschützt, sondern es wird die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme vorangetrieben. Dies ist dringend notwendig, denn nur 15% der Lebensräume und 27% der Arten befinden sich in einem guten Erhaltungszustand.

Das NRL setzt nun erstmals verbindliche Ziele und Deadlines für die Renaturierung verschiedener Ökosystemtypen wie Moore, Flüsse oder Wälder. Es ist ein typischer europäischer Kompromiss und räumt den Staaten viel Gestaltungsspielraum zur Erreichung der Ziele ein. Im Vergleich zu anderen Richtlinien ist es unbürokratischer, einfacher aufgebaut und zielorientiert.

Können Sie Beispiele geben, wie sich das Gesetz auf die Artenvielfalt und die Natur hier in unserer Region auswirken könnte?
Der erste Schritt ist ein nationaler Renaturierungsplan, der schnell zu konkreten Maßnahmen führt. Besonders im Fokus stehen städtische Ökosysteme, was  Verordnung besonders relevant für Ruhrgebiet macht. Hier soll vor allem der Anteil urbanen Grüns gesteigert werden. Insofern bedeutet die Verordnung auch Rückenwind für die Regionale Biodiversitätsstrategie Ruhrgebiet, die bereits vor zwei Jahren solche Maßnahmen spezifiziert hat und von vielen Städten der Region bereits umgesetzt wird. Im Wald geht es zum Beispiel darum, den Anteil von Totholz zu fördern, im Offenland unter anderem um die Wiedervernässung von Mooren.

Wie wird das Gesetz nun implementiert, insbesondere welche Maßnahmen werden in Gewässern und auf Feldern ergriffen?
Bei Gewässern wird vor allem die Durchgängigkeit wiederhergestellt, also zum Beispiel die Durchwanderbarkeit für Fische, und es sollen vermehrt Auenflächen an das Gewässer angebunden werden. Solche Maßnahmen dienen gleichzeitig auch dem Hochwasserschutz. Im Offenland geht es um die Strukturanreicherung der Landschaft, also die Wiederherstellung von Feldgehölzen und Ackerrandstreifen, vor allem, um Populationen blütenbestäubender Insekten zu fördern. Zudem soll vermehrt Wasser in der Landschaft gehalten werden, um eine schnelle Austrocknung der Böden zu verhindern. Die Bundesregierung kann entscheiden, in welcher Form sie zu diesem Zweck mit der Landwirtschaft zusammenarbeiten wird und inwieweit auch landwirtschaftliche Fördermittel zum Einsatz kommen. Klar ist, dass die Verordnung nur zusammen mit der Landwirtschaft erfolgreich sein kann.

Die UDE hat einen einzigartigen Schwerpunkt in der Wasserforschung. Hat das Gesetz auch Auswirkungen auf Ihre Forschung?
Wir haben bereits in der Entstehungsphase der Verordnung beratend mitgearbeitet und beschäftigen uns seit Langem mit der Renaturierung von Gewässern. In einem aktuellen EU-Projekt führen wir 17 große Renaturierungsmaßnahmen an Gewässern, in Auen und Mooren in ganz Europa durch und kontrollieren ihren Erfolg. Die neue Verordnung ist für uns eine Motivation, diese Aktivitäten weiter auszubauen.

 

Weitere Informationen
Prof. Dr. Daniel Hering, Aquatische Ökologie, Tel. 0201 183 3084, daniel.hering@uni-due.de

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