Ausgabe 1/2016 - Warum Dr. Jeannette Kerkhoff Autos zerstört...

Mit Tempo an die Wand!

  • von Ulrike Bohnsack
  • 29.04.2016

CAMPUS:REPORT: Wie wird man Spezialistin für Karosserie-Entwicklung?

Jeannette Kerkhoff: Mit dem Thema kam ich erstmals während meiner Promotion am Lehrstuhl für Mechatronik in Kontakt. Dort übernahm ich ein Projekt, in dem es um den Insassenschutz bei Frontalcrashs ging. Die Arbeit selbst war sehr programmierlastig, und man musste die mechanisch-physikalischen Vorgänge verstehen. Ich fand das sehr spannend, es war der erste Schritt in meine heutige Praxis.

Ist das Ihr Traumjob?

Ja, absolut! Ich bin schon immer BMW-Fan gewesen – vom Auto bis zum Unternehmen; das tut viel für den Nachwuchs. Ich habe das erlebt, während ich mit dem deutsch-amerikanischen Austauschprogramm der Fakultät, das ich als Doktorandin betreut habe, bei BMW war. Deshalb habe ich mich nur dort beworben. Und es hat sofort geklappt.

Wie sieht Ihr Alltag aus, sind Sie viel in Versuchshallen?

Eher nicht. Karosserie-Entwicklung passiert hauptsächlich im Büro am Computer. Wir machen ganz unterschiedliche virtuelle Crashs, die sehr nahe an der Realität ablaufen. So können wir detailliert nachvollziehen, was bei einem Unfall passiert, wie die Kräfte auf die einzelnen Komponenten des Autos und die Insassen wirken. Diese Zusammenhänge sind sehr komplex. Irgendwann kommt dann aber tatsächlich eine Phase, wo wir das Ergebnis unserer Simulation mit der Wirklichkeit abgleichen. Heißt: Das Auto wird mit hohem Tempo an die Wand gefahren. Wenn die kaputte Karosserie anschließend freigelegt ist bis auf die Unterwäsche, also bis auf die Rohbaustruktur, wird es für uns interessant.

Sie haben studiert und promoviert, waren ein Jahr in den USA. Davor lief es nicht so glatt. Sie haben die Schule nach der zehnten Klasse geschmissen.

Ja, aber diese Umwege waren genau richtig für mich – und sehr wichtig. Ohne sie wäre ich heute nicht in einem technischen Beruf. Als Teenie hatte ich mehr Sport als Schule im Kopf. Ich war nirgendwo gut, mich hat vieles nicht interessiert. Meine Familie hat dann mit mir entschieden, dass ich eine Ausbildung zur Erzieherin mache; und ich war froh, dass ich sie auch abgeschlossen habe. Auch wenn ich schon früh wusste, dass ich nicht wirklich im sozialen Bereich arbeiten möchte. Manchmal ist es eben wichtig festzustellen, was man nicht will, und zu erkennen, dass man die Fäden für seine Zukunft selbst in der Hand hat. Ich habe deshalb nach der Ausbildung mein Abi nachgeholt und dabei gemerkt: Mathe und Naturwissenschaften sind mein Ding.

Mit 24 haben Sie dann angefangen zu studieren. Ging das alles mit links?

Nein, ich bin keineswegs durchs Studium spaziert. Es war nicht locker, mit einigen Fächern habe ich mich wie andere auch gequält. Mechanik lag mir zum Glück.

Was nehmen Sie aus Ihrer Uni-Zeit mit?

Dass man seine Möglichkeiten nie unterschätzen sollte. Man schafft oft mehr, als man denkt, wenn man es bloß ernsthaft verfolgt. In meinem Fall war es nicht nur die Kehrtwende von der Erzieherin zur Ingenieurin, sondern auch, dass ich mit einem USA-Stipendium in Arizona war oder bei einer Parabelflugkampagne der ESA ein Mechanik-Experiment in der Schwerelosigkeit gemacht habe.

Was raten Sie heutigen Studierenden?

Keine Angst haben, einfach ausprobieren. Oft klappt es!

Die Fragen stellte Ulrike Bohnsack.

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