Ausgabe 1/2016 - Interview mit dem Senatsvorsitzenden Prof. Burak Atakan

Am Gängelband?

  • von Beate Kostka
  • 29.04.2016

Seit Herbst 2014 gilt ein neues Landeshochschulgesetz. Es bringt aus Sicht der Wissenschaftsministerin „Freiheit und Verantwortung ins Gleichgewicht”. Wie wirkt sich das neue Gesetz nun auf den Alltag einer Universität aus, etwa in ihrer Grundordnung? Welche Spielräume lassen sich nutzen? Diese Fragen sind zentral für den Senatsvorsitzenden Professor Dr. Burak Atakan.

Campus:Report: Wie erklären Sie einem Laien in drei Sätzen, was eine Grundordnung ist?

Burak Atakan: Wissenschaftler/innen an Universitäten genießen nicht nur die Freiheit von Lehre und Forschung, sie können sich auch in einem gewissen Rahmen selbst organisieren und verwalten. Dazu gibt es grund¬legende Verfahrensregeln, z.B. wer genau einen Rektor wählt bzw. auch wieder abwählt oder ob der Senat als Parlament der Universität der Berufung neuer Professor/innen zustimmen muss oder nicht. Dieses und noch viel mehr fasst eine Grundordnung zusammen. Für Detailregelungen gibt es nachrangige Ordnungen.

Wozu braucht eine Universität überhaupt eine solche Satzung?

Das gemeinsame Forschen, Lehren, Verwalten, Mittel verteilen etc. wäre ohne Regeln kaum möglich; das ist ähnlich wie mit Gesetzen auf der politisch-gesellschaftlichen Ebene. Sie sind hierarchisch gegliedert, im Zweifel hat die Grundordnung Vorrang. Darüber stehen noch das Hochschulgesetz und das Grundgesetz.

Das neue Landeshochschulgesetz hat den Rahmen, in dem sich auch Universitäten bewegen, neu bestimmt. Es war lange sehr umstritten, so manche fürchteten ein staatliches Gängelband. Kann der Senat mit den ihn betreffenden Regelungen zufrieden sein?

Das kommt darauf an, wen Sie fragen. Mit verschiedenen Regelungen bin ich nicht zufrieden, insbesondere da wir vorher ein Gesetz hatten, das meines Erachtens sehr gut funktionierte und bei dem die Interessen der verschiedenen Statusgruppen nicht zu kurz kamen. Kleine Anpassungen hätten vollauf gereicht. Die neue Grundordnung hat uns sehr viel Zeit und Kraft gekostet, die man besser in Lehre und Forschung investiert hätte.

Als das Land das Gesetz begründete, hatte man an vielen Stellen den Eindruck, man misstraut den Unis und den Lehrenden; sei es bei den Finanzen oder auch bei der Wahrung der Studierendeninteressen. Woher dies kommt, kann ich nicht beurteilen, nirgends wurden konkrete Probleme genannt. Als Ingenieur bevorzuge ich es, vorhandene oder sich zumindest abzeichnende Probleme zu lösen.

Es gibt aber auch einzelne Punkte, die ich für gut halte: So kann die Grundordnung festsetzen, dass der Senat Berufungen zustimmen muss. Dadurch kann man die Bedeutung der Berufung für die Zukunft einer Universität nochmals hervorheben und über die Fakultäten hinweg auf die Einhaltung höchster Standards achten. Allerdings hatten wir dies auch bisher schon so mit unserem Rektorat gehalten. Das war sehr harmonisch, es wurde nicht gegen die Empfehlung des Senats berufen.

Welche Spielräume lassen sich ganz konkret nutzen?

Bei der neuen Grundordnung? Am Ende nicht viel mehr als die genannte Berufungs¬regelung – und dass der Senat bei der Wahl der Rektoratsmitglieder nicht mehr vom Hochschulrat überstimmt werden kann; beide Gremien müssen sich einigen. Die Uni muss außerdem neue Vertretungen für studentische Hilfskräfte und für Studierende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung einrichten.

Mit der geänderten Gesetzeslage war auch die UDE-Grundordnung anzupassen. Wie erläutern Sie Ihren Studierenden, was an ihr so besonders ist?

Ehrlich gesagt, hat mich noch nie einer meiner Studierenden danach gefragt. Die wenigsten wissen, wie eine Universität organisiert ist oder was Professor/innen außer der Lehre noch machen. Wir haben versucht, die bisherige Grundordnung nur da zu ändern, wo es vom Gesetz verlangt wurde – und bei der Zusammensetzung des Senats. Unsere Grundordnung ist insofern besonders, als sie Bewährtes bewahrt. Aber die UDE hat sicherlich viele andere Qualitäten, die man eher hervorheben könnte. Vielleicht merkt man, dass ich kein Jurist bin und kein Politiker …

Heiße Diskussionen entfachte unter den Senator/innen die Stimmrechtsverteilung. Auf welche Lösung hat man sich verständigt – und ist sie in Ihren Augen praxistauglich?

Es gibt einen großen Senat mit professoraler Mehrheit, der alle Belange von Forschung und Lehre entscheidet; entsprechend dem Grundgesetz müssen die Mehrheitsverhältnisse bei diesen Fragen so sein. Zum Senat gehören 13 Professor/innen sowie je vier Vertreter/innen der anderen drei Statusgruppen (Studierende, wissenschaftlich Beschäftigte, Mitarbeitende aus Technik und Verwaltung).

Bei den meisten weiteren Fragen gibt es den kleinen Senat, bei dem nur acht der oben genannten 13 Professor/innen stimmberechtigt sind, die anderen Statusgruppenvertreter bleiben davon unberührt. Hinzu kommt insbesondere eine veränderte Zusammensetzung der Lehrkommission, hier befinden sich demnächst zur Hälfte Studierende und etwa drei Professor/innen – je nachdem was der kommende Senat entscheidet. Ob dies praxistauglich ist, ist schwer zu sagen.

Ich halte es für unnötig kompliziert; hinzu kommt, dass zwar alle Statusgruppen immer gerne mitentscheiden, die Arbeit jedoch häufig von den Professor/innen geleistet wird, die auch Kontinuität in die Prozesse bringen und einen Überblick über die gesamte Universität und das Wissenschaftssystem haben. Eine Kommission mit so wenigen Professor/innen stimmt mich daher sehr skeptisch. Aber so ist das mit Kompromissen – es ist niemand glücklich damit, aber es geht nicht ohne!

Das Amt des Senatsvorsitzenden ist mit vielen zusätzlichen Pflichten und Terminen verbunden: Warum nehmen Sie das alles auf sich – neben Ihrer Tätigkeit als Hochschullehrer?

Meines Erachtens gehen die zusätzlichen Rechte der akademischen Selbstverwaltung Hand in Hand mit der Pflicht, etwas dafür zu machen. Wenn wir nicht wollen, dass uns von außen vorgegeben wird, wie bei uns die Abläufe aussehen, müssen wir uns selbst einbringen. Nur wir als Mitglieder der Universität kennen hier die Stärken und Schwächen. Wir können so gemeinsam Lösungen suchen, die möglichst vielen Interessen dienen. Man kann solche Arbeiten nicht anderen überlassen und sich dann über die Resultate beklagen. – Na ja, und irgendwer muss auch den Vorsitz übernehmen.

Das Schöne ist, in der Demokratie ist dies ja nicht für immer. Ich versuche, nur die wichtigsten Termine persönlich wahrzunehmen; natürlich bleibt aber auch manches liegen, und nicht alles wird mit der Intensität verfolgt, wie ich es ohne dieses Amt getan hätte – der Tag hat nun mal nur 24 Stunden. Soweit ich das aber beobachte, arbeiten die anderen Professor/innen auch nicht weniger; die Universität lebt von der hohen Motivation ihrer Mitglieder.

Was erwarten Sie von den gemeinsamen Senatssitzungen der Universitätsallianz Ruhr?

Der Aspekt, dass junge Universitäten, die so nahe beieinanderliegen, gemeinsam viel mehr erreichen können, ist den Rektoraten schon lange klar. Das betrifft das gemeinsame Forschen ebenso wie die gemeinsame Lehre. Warum sollten wir nicht auch in der akademischen Selbstverwaltung voneinander lernen? Insbesondere wenn es um gemein¬same Strukturen, Studiengänge, Forschungsschwerpunkte und ähnliches geht, sind die Senate zumindest aufgefordert, hierzu Empfehlungen an die Rektorate zu geben. Zusammen¬arbeit geht am besten, wenn man sich kennt, sich austauscht und einander vertraut – da helfen auch gemeinsame Senatssitzungen.

Die Fragen stellte Beate H. Kostka.

Die Grundordnung der UDE ist hier zu finden:
www.uni-due.de/imperia/md/content/zentralverwaltung/bereinigte_sammlung/1.pdf

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