Teilprojekt A-Chemie
Teilprojekt A
TPA – Zum Studienerfolg in der Studieneingangsphase des Chemiestudiums –
Der Einfluss kognitiver und affektiv-motivationaler Variablen
Ziel/Anliegen
Im Teilprojekt A - Chemie der Forschergruppe ALSTER liegt das Hauptaugenmerk auf Studierenden der grundlegenden Chemiestudiengänge. Mit Blick auf die Studieneingangsphase des Chemiestudiums wird in einem ersten Schritt der Einfluss verschiedener kognitiver und affektiv-motivationaler Eingangsvoraussetzungen der Studierenden auf den Studienerfolg untersucht. Dabei liegt der Fokus auf denjenigen Studierendenmerkmalen, die bereits in fachunspezifischen Studien als mögliche Prädiktoren nachgewiesen und somit im allgemeinen Rahmenmodell der Forschergruppe berücksichtigt werden. Darüber hinaus werden mögliche lern- und leistungsförderliche Interdependenzen zwischen diesen Einflussgrößen, dem Vorwissen (zu Beginn der jeweiligen Veranstaltung) sowie dem universitär erworbenen Fachwissen (am Ende der jeweiligen Veranstaltung) in den grundlegenden Teilbereichen der Chemie der Studieneingangsphase (Allgemeine Chemie, Physikalische Chemie, Analytische Chemie, Anorganische & Organische Chemie) untersucht, um somit ein möglichst differenziertes Bild der chemiespezifischen Wirkzusammenhänge zu erhalten.
Theoretischer Hintergrund
Studieneingangsstatistiken der letzten Jahre machen deutlich, dass nur ein geringer Teil der Hochschulzugangsberechtigten ein naturwissenschaftlich-technisches Studium aufnimmt (z. B. OECD, 2011) und ein Großteil die Hochschule ohne einen entsprechenden Abschluss wieder verlässt (z. B. Heublein, Richter, Schmelzer & Sommer, 2012). Vor diesem Hintergrund werden Kenntnisse über Prädiktoren des Studienerfolgs immer bedeutsamer, um diese hohen Studienabbruchquoten gezielt verringern zu können. Mit Blick auf die Ziele dieses Teilprojekts muss allerdings konstatiert werden, dass insbesondere chemiespezifische Studienerfolgsuntersuchungen sehr selten sind und überwiegend auf den Teilbereich der Allgemeinen Chemie fokussieren. Insgesamt gelten das Vorwissen (z. B. Freyer, 2013), die mathematischen (Busker, Klostermann, Herzog, Huber & Parchmann, 2011) und physikalischen Kompetenzen (Derrick & Derrick, 2002) sowie die Abiturnote beziehungsweise die fachaffine Einzelnote (Giesen, Gold, Hummer & Jansen, 1986) als stärkste Prädiktoren für Studienerfolg in diesem Grundlagenkurs. Die Studieneingangsphase beinhaltet allerdings mit der Physikalischen, Analytischen, Anorganischen und Organischen Chemie noch weitere Teilbereiche, in denen ebenfalls Studienleistungen erbracht werden müssen. Untersuchungen zu Einflussgrößen auf den Studienerfolg in diesen weiteren Teilbereichen sind dabei allerdings nur vereinzelt durchgeführt worden (vgl. Nicoll & Francisco, 2001; Wu & Shah, 2004). Zudem werden mögliche Wechselwirkungen zwischen diesen chemischen Teildisziplinen mit Blick auf den Studienerfolg als Ganzes nicht geklärt. Aus den genannten Desiderata ergeben sich somit die folgenden Forschungsfragen.
Forschungsfragen
FF1: Welche kognitiven und affektiv-motivationalen Faktoren zeigen einen Einfluss auf den Studienerfolg von Studierenden in den grundlegenden Teilbereichen der Chemie der Eingangsphase grundständiger Chemiestudiengänge?
FF 2: Welche Wechselwirkungen zeigen sich zwischen den grundlegenden Teilbereichen der Chemie der Studieneingangsphase hinsichtlich des Studienerfolgs von Chemiestudierenden?
FF 3.1: Welche kognitiven und affektiv-motivationalen Faktoren zeigen einen Einfluss auf die Fachwissensentwicklung von Studierenden in den grundlegenden Teilbereichen der Chemie der Eingangsphase grundständiger Chemiestudiengänge?
FF 3.2: Welche Wechselwirkungen zeigen sich zwischen den grundlegenden Teilbereichen der Chemie hinsichtlich der Fachwissensentwicklung von Chemiestudierenden in der Studieneingangsphase?
Design
Die Datenerhebung erfolgte in einer Längsschnittstudie mit drei Messzeitpunkten innerhalb des Wintersemesters 2016/2017 sowie des Sommersemesters 2017. 118 Erstsemesterstudierende der Universität Duisburg-Essen und 157 Studierende der Ruhr-Universität Bochum () bearbeiteten adaptierte allgemeine Fragebögen und neu entwickelte Leistungstests zur Erfassung des Wissens in den chemischen Teilbereichen. Zu Beginn des ersten Semesters (T1) wurden demographische Variablen (Alter, Geschlecht & Wahl eines Chemiekurses in der Oberstufe), kognitive Fähigkeiten (Abiturdurchschnittsnote, kognitive & mathematische Fähigkeiten) sowie affektiv-motivationale Faktoren (Interesse, Fähigkeitsselbstkonzept, Selbstwirksamkeitserwartung, Leistungsmotivation & Studienzufriedenheit) erfasst. Zudem wurde das Vorwissen (Testleistung zu Beginn des Semesters) in den Teilgebieten der Allgemeinen, Analytischen und Physikalischen Chemie erhoben. Am Ende des ersten Semesters (T2) wurde das in diesen Teilgebieten erworbene Fachwissen (Testleistung am Ende des Semesters) sowie das Vorwissen der Studierenden in den weiterführenden Teilgebieten der Anorganischen und Organischen Chemie erfasst. Am Ende des zweiten Semesters (T3) wurde abschließend das korrespondierende Fachwissen erhoben (vgl. Abb. 1)
Abbildung 1: Erhebungsdesign
Ergebnisse
Insgesamt lassen sich aus den Ergebnissen der durchgeführten multivariaten Regressionsanalysen zwei zentrale Prädiktoren für den Studienerfolg von Chemiestudierenden in der Studieneingangsphase ableiten. Auf der einen Seite zeigt sich in allen chemischen Teilbereichen ein positiver Einfluss des jeweils korrespondierenden Vorwissens, der dabei teilweise sehr deutlich ausgeprägt ist. Darüber hinaus lässt sich – je nach Teilbereich – ein noch größerer Einfluss des Wissens und der Fertigkeiten der Studierenden im Bereich der Allgemeinen Chemie nachweisen. Dabei zeigt sich, dass mit zunehmender Ausprägung des chemischen Vor- beziehungsweise des universitär erworbenen Fachwissens im Bereich der Allgemeinen Chemie, welches dabei in hohem Maße durch die Kurswahl in der Oberstufe determiniert wird, auch die Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Abschluss des entsprechenden Moduls (operationalisiert über die Klausurnote) steigt. Darüber hinaus lässt sich mit Hilfe weiterführender Regressionsanalysen feststellen, dass dieses Vorwissen im Bereich der Allgemeinen Chemie ebenfalls den Fachwissenserwerb der Studierenden im Verlauf der entsprechenden Veranstaltung positiv beeinflusst. Diese Zusammenhänge gelten dabei nicht allein für die Einführungsveranstaltung der Allgemeinen Chemie, sondern ebenso für alle weiteren chemischen Teilbereiche innerhalb der Studieneingangsphase. Somit lässt sich abschließend konstatieren, dass neben dem jeweiligen teilbereichsspezifischen Vorwissen insbesondere das schulische Vorwissen beziehungsweise das universitär erworbene Fachwissen im Bereich der Allgemeinen Chemie die zentralen Determinanten des Studienerfolgs von Chemiestudierenden in der Studieneingangsphase darstellen. Allen weiteren erhobenen kognitiven oder affektiv-motivationalen Studierendenmerkmalen kommt zumindest in den ersten beiden Semestern eine eher geringe Bedeutung zu. Demzufolge stellt eine frühzeitige Diagnostik defizitärer Wissensstände im Bereich der Allgemeinen Chemie eine vielversprechende Möglichkeit dar, die hohen Abbruchquoten im Studienfach Chemie zu reduzieren.
Literaturverzeichnis
Busker, M., Klostermann, M., Herzog, S., Huber, A. & Parchmann, I. (2011). Nicht nur Schulwissen auffrischen: Vorkurse in Chemie. Nachrichten aus der Chemie, 59 (6), 684–688.
Derrick, M. E. & Derrick, F. W. (2002). Predictors of Success in Physical Chemistry. Journal of Chemical Education, 79 (8), 1013.
Freyer, K. (2013). Zum Einfluss Von Studieneingangsvoraussetzungen Auf Den Studienerfolg Erstsemesterstudierender Im Fach Chemie (Studien Zum Physik- und Chemielernen Ser, v.156). Berlin: LOGOS VERLAG BERLIN.
Giesen, H. (1986). Prognose des Studienerfolgs. Ergebnisse aus Längsschnittunters. ; Schlußbericht zu dem Forschungsprojekt "Längsschnittuntersuchung zur Beobachtung u. Analyse von Bildungslebensläufen". Frankfurt am Main.
Heublein, U., Richter, J., Schmelzer, R. & Sommer, D. (2012). Die Entwicklung der Schwund- und Studienabbruchquoten an den deutschen Hochschulen. Statistische Berechnungen auf der Basis des Absolventenjahrgangs 2010 (Forum Hochschule, Bd. 2012,3). Hannover: HIS.
Nicoll, G. & Francisco, J. S. (2001). An Investigation of the Factors Influencing Student Performance in Physical Chemistry. Journal of Chemical Education, 78 (1), 99.
Organisation for Economic Co-operation and Development Staff. (2011). Education at a Glance 2011: OECD Publishing.
Wu, H.-K. & Shah, P. (2004). Exploring visuospatial thinking in chemistry learning. Science Education, 88 (3), 465–492.
Publikationen
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Dicke, T., Averbeck, D., Sumfleth, E., Leutner, D. & Brand, M. (2015). Zentrale Datenerhebung und fächervergleichende Auswertung. In: C. Maurer (Hrsg.). Authentizität und Lernen - das Fach in der Fachdidaktik. Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik, Jahrestagung in Berlin 2015. (S. 380 - 382). Universität Regensburg. Online verfügbar unter http://www.gdcp.de/images/tagungsbaende/GDCP_Band36.pdf
Averbeck, D., Dicke, T., Sumfleth, E., Leutner, D. & Brand, M. (2015). Chemiespezifische und fächervergleichende Analysen von Studienerfolgsprädiktoren. In: C. Maurer (Hrsg.). Authentizität und Lernen - das Fach in der Fachdidaktik. Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik, Jahrestagung in Berlin 2015. (S. 380 - 382). Universität Regensburg. Online verfügbar unter http://www.gdcp.de/images/tagungsbaende/GDCP_Band36.pdf
Fleischer, J., Averbeck, D., Sumfleth, E., Leutner, D. & Brand, M. (2017). Entwicklung und Vorhersage von Studienzufriedenheit in MINT-Fächern. In: C. Maurer (Hrsg.). Implementation fachdidaktischer Innovation im Spiegel von Forschung und Praxis. Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik, Jahrestagung in Zürich 2016. (S. 380 - 382). Universität Regensburg. Online verfügbar unter http://www.gdcp.de/images/tagungsbaende/GDCP_Band37.pdf
Averbeck, D., Fleischer, J., Sumfleth, E., Leutner, D. & Brand, M. (2017). Analyse chemischen Fachwissens und dessen Einfluss auf Studienerfolg. In: C. Maurer (Hrsg.). Implementation fachdidaktischer Innovation im Spiegel von Forschung und Praxis. Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik, Jahrestagung in Zürich 2016. (S. 380 - 382). Universität Regensburg. Online verfügbar unter http://www.gdcp.de/images/tagungsbaende/GDCP_Band37.pdf
Averbeck, D., Fleischer, J., Sumfleth, E., Leutner, D. & Brand, M. (2018). Einfluss der „Allgemeinen Chemie“ auf Studienerfolg im ersten Semester. In: C. Maurer (Hrsg.). Qualitätsvoller Chemie - und Physikunterricht - normative und empirische Dimensionen. Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik, Jahrestagung in Regensburg 2017. (S. 491 - 494). Universität Regensburg. Online verfügbar unter https://www.gdcp.de/images/tagungsbaende/GDCP_Band38.pdf.
Averbeck, D., Hasselbrink, E. & Sumfleth, E. (2018). Academic achievement of chemistry freshmen – Interrelations between prerequisites and content knowledge acquisition. In Finlayson, O.E., McLoughlin, E., Erduran, S., & Childs, P. (Eds.), Electronic Proceedings of the ESERA 2017 Conference. Research, Practice and Collaboration in Science Education (pp. 2214-2224). Dublin, Ireland: Dublin City University.
Averbeck, D. (2021). Zum Studienerfolg in der Studieneingangsphase des Chemiestudiums – Der Einfluss kognitiver und affektiv-motivationaler Variablen. (Studien zum Physik- und Chemielernen, Bd. 308). Berlin: Logos Berlin.
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