AG Sozialisationsforschung: Projekte

Laufende Projekte

DFG-Projekt zur Adoptionsvermittlung

Das Phänomen (Fremd-)Adoption ist kaum soziologisch untersucht. Es liegen zwar einige Studien zum Geschehen nach dem Matching vor, doch wissen wir so gut wie nichts über den vorgelagerten Adoptionsprozess: Wie werden (zumeist kinderlose) Adoptionsbewerber*innen auf ihre ‚Eignung‘ als Eltern hin geprüft und als (nicht-)geeignet klassifiziert, und wie wird sodann unter den vielen ‚geeigneten‘ Bewerber*innen dasjenige Paar identifiziert, das am besten zu einem zur Adoption freigegebenen Kind passt? Wir fassen den Prozess aus einer interaktionistischen Perspektive als Ko-Konstruktion guter Eltern(schaft) zwischen Adoptionsbewerber*innen und Adoptionsvermittler*innen. Mit dem Projektvorhaben wollen wir a) die Adoptionsvermittlung in Deutschland aus Sicht der Adoptionsvermittler*innen und der Adoptionsbewerber*innen verstehen. Darüber hinaus verspricht der Sonderfall Adoption b) einen geeigneten Zugang zum normativen Muster guter Kindheit/Elternschaft und deckt dabei c) die Wirkmächtigkeit des normativen Musters für die (Re-)Produktion von Ungleichheiten auf. Das Projekt folgt der Idee, an einem ‚kleinen‘ Gegenstand grundlegende soziologische Fragen zu Kindheit/Familie und sozialen Ungleichheiten zu untersuchen. Besondere Bedeutung kommt dem Forschungsvorhaben vor dem Hintergrund der Änderungen der Richtlinien und Gesetze zur Adoption (insbesondere in Bezug auf gleichgeschlechtliche und ältere Adoptionsinteressierte) zu bzw., allgemeiner formuliert, der Pluralisierung von Familienformen.

Als Datengrundlage dienen a) prozessbegleitende Interviews im Längsschnitt mit Adoptionsvermittler*innen und Bewerber*innen, b) teilnehmende Beobachtung von Teamsitzungen im Jugendamt und Informationsveranstaltungen für Bewerber*innen sowie c) Dokumente wie Eignungsberichte der Jugendämter und Selbstberichte der Bewerber*innen.

(De)Institutionalisierung von Bildung und Erziehung

Alexandra König und Jessica Schwittek sind Teil der Forschungsinitiative (De)Institutionalisierung von Bildung und Erziehung. Die Initiative hat nun auch eine eigene Homepage: https://deinstitutionalisierung.uni-wuppertal.de/de/

Growing up in transnational families

Das bi-nationale Forschungsprojekt wendet sich dem Phänomen der transnationale Familien zu, die sich zwischen Polen und Deutschland im Zuge von temporärer Arbeitsmigration formieren. In Polen werden insbesondere die Mütter, die temporär migrieren, um Geld im Ausland zu verdienen, teils heftig kritisiert, ihre Kinder als „Eurowaisen“ bezeichnet. Wir wissen wenig darüber, wie diese Familienkonstellationen von Kindern wahrgenommen werden. Wie bewerten sie diese Familien? Welche Erfahrungen haben sie damit? Und welche Vorstellungen von „guter Kindheit“ liegt ihrer Wahrnehmung und Bewertung zugrunde?

Basierend auf einem multimethodischen Design wenden wir uns diesen Fragen in einem gemeinsamen Projekt mit Wissenschaftlerinnen der Universität Wrocław zu.

Perspektiven junger vietnamesischer Deutscher

Migrant*innen aus Vietnam werden oft als angepasste, bildungserfolgreiche „Model Minority“ cha-rakterisiert, deren Nachwuchs trotz ungünstiger Voraussetzungen hohe Bildungsabschlüsse und sozialen Aufstieg erreicht (Hoang 2020). Gleichzeitig werden die Gruppe und ihre Lebenswelten häufig als „unsichtbar“ beschrieben. Das spiegelt sich auch in der Wissenschaft, und die wenigen vorliegenden Studien zu jungen viet-deutschen fokussieren meist das Thema Bildung und Bildungserfolg. Das Projekt „Perspektiven junger vietnamesischer Deutscher“ leistet einen Beitrag dazu, junge Viet- Deutsche selbst zu Wort kommen zu lassen und die Vielfalt und Komplexität ihrer Lebenswelten zu verstehen.

Das Projekt ist eingebettet in einen größeren Forschungszusammenhang zum Aufwachsen in asiatischen Gesellschaften sowie in asiatischen Communities in Deutschland. Theoretischer Ausgangspunkt ist das heuristische Konzept generationaler Solidaritätsmuster, die – holzschnittartig gesprochen – in asiatischen Gesellschaften häufig interdependent angelegt sind und für in westlichen Gesellschaften meist independent. Die beiden Muster implizieren jeweils unterschiedliche Vorstellungen intergenerationaler Beziehungen und gegenseitiger Erwartungen und Verpflichtungen zwischen den Altersgruppen und unterschiedlichen normativen Bezugspunkten (bspw. der „filial piety“ im interdependenten Modell und der „guten Kindheit“ im independenten Modell, Bühler-Niederberger 2021).

Transnationale Migration Deutschland – Polen: Eine Erasmus Kooperation mit der Universität Wrocław

Im Zuge der uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit ist die Nettozuwanderung von Polen nach Deutschland stark gestiegen; sie erreichte 2013 ihr bisheriges Maximum. Damit geht nicht nur die Herausbildung eines europäischen Arbeitsmarktes einher, sondern, insbesondere im Zuge temporärer Arbeitsmigration, auch die Entstehung transnationaler Familienarrangements. Angenommen wird, dass jedeR vierte Heranwachsende zwischen 9 und 18 Jahren in den letzten drei Jahren erlebt hat, dass mindestens ein Elternteil einer Arbeit im Ausland nachging. Die Häufigkeit solcher Lösungen kontrastiert mit ihrer starken Ablehnung im öffentlichen Raum: einem skandalisierenden und dramatisierenden Diskurs über verletzte Elternpflichten und legitime Kindererwartungen. Insbesondere mit der Feminisierung der Migration – angekurbelt durch den hohen Bedarf an Betreuungskräften in Deutschland – ist die trans-nationale Familie unter Verdacht geraten; Kinder solcher Familien werden gar als „Eurowaisen“ diffamiert. Unterstellt wird damit, dass die Europäisierung bzw. Fokussierung auf den Euro Kinder zu „Waisen“ macht.

Das Phänomen ist nicht nur sozial höchst relevant, sondern auch kindheitstheoretisch interessant, eben weil transnationale Familien durch ihr grenzüberschreitendes Agieren selbstverständliche Vorstellungen von Familie und das „normative Muster guter Kindheit“ infrage stellen. Wie Sozialisation im transnationalen Raum verläuft und wie mit der Abweichung von der normativen Vorstellung guter Kindheit bzw. guter Mutterschaft umgegangen wird, dem geht die Arbeitsgruppe nach.

Eine Erasmus-Kooperation besteht, die es erlaubt, das Thema an der Universität Wrocław mit Studierenden vor Ort zu bearbeiten. Studierende, die Interesse haben, sollten sich bei Alexandra König oder Jessica Schwittek melden.